Interview mit Herr Sorge

rap.de: Was für ein Teil deiner Persönlichkeit ist das denn?

Herr Sorge: Ich hatte letzte Woche einen Gig als Samy mit Max Herre, Afrob und Patrice. Und da hat Patrice was Cooles gesagt – also nicht MTV-Patrice, sondern Sänger-Patrice. Der wohnt ja in Paris und hat deswegen nicht so viel davon mitbekommen, also hab ich ihm Fotos gezeigt und er fand’s eben superflashig und meinte „Ja, wie ist das denn?“. Ich hab ihm halt erzählt,  dass das so befreiend ist auf irgendeine Weise, weil ich einfach Sachen machen kann, ohne es jetzt in der Theorie so zu wollen. Manche Sachen passieren einfach so, wenn man so ein Alter Ego ist, die sonst halt nicht passieren. Und da meinte er so „Ja, manchmal kann man, indem man nicht sich selbst ist, fast mehr man selbst sein“. Als Künstler, der ich sonst bin, ist eine der Sachen, die mir wichtig sind, immer so normal wie möglich rüberzukommen. Ich mach das schon so lang, ich will nicht dieser HipHop-Opa sein, ich will aber auch nicht der arrogante Wichser sein. Ich bin ein offener Mensch, der gern mit Leuten redet und erklärt, was er macht und man muss irgendwie so normal sein die ganze Zeit. So wie ich jetzt bin halt, voll erklärend. Und als Herr Sorge, wenn das Spotlight an ist, dann ist irgendwie was anderes los, was auf jeden Fall auch ein Teil von mir ist und auch sehr unterhaltsam ist. Auf irgendeine Weise sogar unterhaltsamer als Samy, glaube ich.

rap.de: Deine verrückte, künstlerische, kreative Seite?

Herr Sorge: Ja, auch so eine Seite, der ein bisschen mehr egal ist, was so die Leute denken, einfach so als Metapher auch. Ich bin so lange in diesem Ding und merk immer mehr, wie sehr Leute selber sich einschränken indem sie so engstirnig sind. Ist ja nicht so, dass irgendjemand mich jetzt davon abhält, Herr Sorge zu sein, indem er irgendwas schlechtes ins Internet schreibt. Aber ich denk so, mir tun die Leute für sich selbst einfach leid. Weil ich persönlich einfach selber über die Jahre des selber Kritisierens und Bewertens einfach gelernt habe, man soll Leute nicht bewerten. Du sollst entweder sagen „Dem widme ich meine Zeit und dem kann ich irgendetwas abgewinnen“ oder eben nicht. Es gibt eben auch tausende von Filmen, Büchern und Lieder, die ich nicht gut finde, trotzdem setz ich mich eben nicht an den Computer und schreib der ganzen Welt, was ich gut finde und was nicht. In der Zeit, wo ich das machen könnte, würde ich wahrscheinlich drei Tracks nicht geschrieben haben, entweder als Samy Deluxe, als Herr Sorge oder für irgendwelche anderen Leute, für die ich auch gerade schreibe. Und deshalb denk ich so, das soll eigentlich die Kernaussage sein, jeder soll die Freiheit haben in dieser Welt, sich selber so zu definieren, wie er sich sieht und selbst wenn es nur für einen Flashmoment oder für ein Projekt oder für ein Fantasiemoment ist. Wir haben diese Freiheit und wieso sollten wir uns die nehmen lassen von uns selbst? Wir bewerten uns ja alle gegenseitig. Dann kann ja bald keiner von uns mehr einen Flash machen aus Angst, dass irgendjemandanderes es nicht gut finden könnte.

rap.de: Express yourself also.

Herr Sorge: Sich auch trauen, etwas zu machen, was dem Klischee überhaupt nicht gerecht wird, sondern eher komplett widerspricht. Rap ist so voller Klischees und Dogmen. Es ist immer wieder da gewesen. Die Leute, die hier auch Rap geprägt haben, also sagen wir mal ein Jan, ein Max und ein Torch und wer auch immer – wir sind auch alle ein paar Jahre auseinander, aber wir sind ja alle aufgewachsen mit dieser Bandbreite von Public Enemy über A Tribe Called Quest und De La Soul und diese Native Tongue-Sachen bis hin zu Run DMC zu LL Cool J, der einfach superfrüh schon dieses Ladylover-Ding hatte, aber trotzdem gut genug als Rapper und kredibil genug als MC war, um beide Schienen zu fahren. Eigentlich war es ja so, dass HipHop von Anfang an diese Möglichkeit geboten hat, jegliche Art von kreativem Ausdruck an den Start zu bringen. Irgendwann hat es sich halt zu einer Monokultur entwickelt, wo auf einmal nur noch durch den Mainstream definiert wurde, was jetzt eigentlich geht als HipHop. Aber eigentlich gibt es ja die ganze Zeit, auch in den schlimmen Jahren, wo es irgendwie nur Bullshit und große Releases in Amerika gab, trotzdem immer irgendwelche supercoolen MF Dooms oder andere  Untergrundacts, die auch immer sehr künstlerische Projekte gemacht haben. Aber das was an die Öffentlichkeit durchkam, waren natürlich nur die ganzen Booty-Shake-Songs.

rap.de: Aber das ändert sich ja auch gerade wieder. Und dass du so ein großes Projekt machen kannst, zeigt ja auch wieder, dass es in der HipHop-Szene in Deutschland mehr Platz gibt für solche Dinge.

Herr Sorge: Ja gut, ich meine, ich kanns ja einfach machen, weil ich ein Künstler bin. Ich kanns mir ja selbst aussuchen.

rap.de: Klar. Aber dass du es machst, scheint ja auch dem Zeitgeist zu entsprechen.

Herr Sorge: Ja, das stimmt.

rap.de: Letzte Frage. Noch ein kurzer Ausblick für die Leute, die auf ein neues Samy Album gespannt sind. Gibts da schon irgendwas konkretes zu sagen?

Herr Sorge: Ja da gibts vieles, vieles entsteht gerade und es wird auf jedenfall böse. Ich glaube, Herr Sorge hat jetzt so viele von den ernsthaften Themen und Melodiewünschen bearbeitet – alles, was bei Samy jetzt rauskommt, ist auf jeden Fall mieses Rumgespitte, wobei mies natürlich in einem sehr positiven Kontext zu sehen ist. Das wird, glaube ich, schon nach dem Sommer kommen. Ich bin mir ziemlich sicher, nächstes Jahr erste Hälfte: Herr Sorge, zweite Hälfte: Samy. Es ist mein inoffizieller Plan, den ich hier jetzt antease, exklusiv für euch, dass ich eventuell als Samy vs. Herr Sorge am Ende des Jahres 2013 in Hamburg einen sehr sehr großen Gig spiele. Es muss auch ein bisschen Battle zwischen den beiden geben. Also, das Polarisieren der Leute ist genau richtig. Jeder von beiden Künstlern brauch ja dann auch seine Fanbase und seine Leute.

rap.de: Soundclash gegen dich selbst dann also.

Herr Sorge: Ja, ich glaube es gibt da mal wieder ein Battle.

rap.de: Und du hast da keinen anderen gefunden außer dir, der es wert wäre, zu battlen?

Herr Sorge: Selbstredend nicht. (lacht)