Homezone #12: Von KaDeWe bis Halensee mit Kulturerbe Achim

Homezone ist ein Interview-Format unseres Autors Alexander Barbian. Er trifft und begleitet aufstrebende wie etablierte Künstler aus den Gefilden des deutschen Sprechgesangs durch deren Kieze, in deren Lieblingskneipen und zu deren Stammspäties. In der zwölften Ausgabe ist er Kulturerbe Achim über den Kurfürstendamm flaniert …

Ein früher Montagabend am Wittenbergplatz, einer der letzten Haltestellen auf der U-Bahn-Linie 1, zu der es mich zugegebenermaßen nicht besonders oft verschlägt. Geradezu kann ich von hier das Kaufhaus des Westens sehen, die wohl prominenteste Tummelstelle für die Reichen, Schönen und Maßlosen der Hauptstadt. Hier ist der Kunde noch König und das wird auch schon vor den Pforten der altehrwürdigen Mall deutlich. Die untergehende Sonne über der weitläufigen Freifläche, die den Platz in Richtung des Kurfürstendamms öffnet, hat gerade ihren theatralischsten Punkt erreicht, als sich Kulturerbe Achim samt Hündin Izzy aus der Ferne nähert. Fast könnte man meinen, man hätte uns allesamt in einen kitschigen Gangsterfilm über das Miami der Neunzigerjahre gebeamt.

Ich überlege kurz, ob ich Achim jemals am helllichten Tag gesehen habe. Dieser Gedankengang ist insofern paradox, weil ich ihn im letzten Jahr geschätzte fünfundvierzig Mal nachts traf. Ungelogen. Es ist Fakt: Wer sich in Berlin auf Veranstaltungen mit Rap-Bezug herumtreibt, kommt schwer an ihm vorbei. Man trifft ihn bei SXTN-Releasepartys, im Vorprogramm eines gewissen Frauenarztes, bei Feature-Performances mit Haitiy, im Trio mit seinen beiden engen Homies Hugo Nameless und Fruchtmax oder gar beim Abriss der 102 Boyz auf dem „splash!“-Festival. Eigentlich überall.

Und jetzt eben zu besagter Hunderunde, die uns einmal straight über den Kurfürstendamm führen wird. Achim ist ein echter Macher, hat neben dem alltäglichen Hustle in letzter Zeit vermehrt seinem musikalischen Tatendrang Folge geleistet und vor wenigen Tagen seine zweite EP veröffentlicht. Beste Bedingungen, um in dieser Trasse voller Edelkarossen zwischen teuren Boutiquen und Glasvitrinen voller unbezahlbarer Schmuckstücke, die er seine Homezone nennt, endlich über seine Entwicklungen, Visionen und Einflüsse zu quatschen …

Du bist Urberliner und lebst seit deiner Geburt in Wilmersdorf. Schlüssigerweise treffen wir uns heute auf dem Kurfürstendamm, dem Herzstück deines Kiezes …

Ja, gerade der Ku‘damm spielt eine zentrale Rolle für alle meine Lebensphasen. Ganz davon abgesehen, dass er eine wirklich belebte Geschichte hat, habe ich mit meinen Leuten wirklich viel Zeit hier verbracht. Schon als wir klein waren war das ja schon allein immer unser Weg nach Schöneberg. Und später, als wir so sechzehn waren und anfingen, abends auf Partys zu gehen sind wir logischerweise ins Qdorf gegangen … Zehn Jahre später bin ich immer noch hier und drehe meine Hunderunde (schmunzelt).

Die meisten dürften dich im weitesten Sinne durch den Hype um das Projekt „Wie kann man sich nur so hart gönnen“ kennen. Verrückterweise hat dich dieser Track mit berühmt gemacht, obwohl du gar nicht direkt beteiligt warst.

Ja, genau. Der ursprüngliche Song war einer unter mehreren auf dem ersten Tape von meinen Homies Fruchtmax und Hugo Nameless. In einem anderen Song hatte ich zwar auch einen Part, aber auf „Wie kann man sich nur so hart gönnen“ war ich gar nicht zu hören. Dass im Sommer 2016 dieser Hype losbrach hat uns alle überrascht. Das ging alles ziemlich schnell und hat jeden von uns sicherlich nachhaltig gepusht.

Empfindest du den Rummel um diesen einen Track knappe eineinhalb Jahre später für dich eher als lähmenden Fluch oder immer noch als Segen?

Man muss ja schon zugeben, dass der Hype um den Song in seiner Dimension nicht mit einem Miami Yassin-Hit vergleichbar ist. Vielleicht ist das auch gut, weil sonst wirklich die One-Hit-Wonder-Gefahr gegeben gewesen wäre … Aber so hat der Trubel nur dazu beigetragen, dass ich und vor allem die Jungs bekannter geworden sind. Der Track hat uns zum „splash!“ und allgemein auf viele Bühnen im ganzen Land gebracht. Sprüher haben ganze Trains mit dem Liedtext vollgemullert, irgendwelche anderen Verrückten haben sich „WKMSNSHG“-Tattoos stechen lassen. Das war alles total abgefahren. Aber warum sollte das ein Fluch sein? Dadurch, dass ich selbst gar nicht auf dem Song bin, sondern nur im Video und bei den Live-Shows, wo der Track performt wird rumspringe, kann man mich ja nicht einmal auf ihn reduzieren (lacht).

Für Außenstehende mag es komische klingen, wenn sie hören, dass man dich gelegentlich als „Twitter-Rapper“ bezeichnet. Allerdings kommt diese Betitelung ja auch nicht von ungefähr … Beschreibe mal die Bedeutung, die Twitter für deine und eure Musik spielt oder gespielt hat!

Dinge wie die Parole „Wie kann man sich nur so hart gönnen“ entspringen ja im Ursprung der Deutschrap-Twitter-Community. Insofern kommt der Stempel des „Twitter-Rappers“ wirklich nicht willkürlich. Davon abgesehen habe ich tatsächlich die meiste Reichweite über meinen Twitter-Kanal und habe durch dieses Medium die Möglichkeit bekommen, mich wesentlich weiter im deutschen Rap zu connecten. Auch wenn ich nicht konkret über Twitter rappe, wäre ich ohne diese Plattform nicht da, wo ich bin. Es stört mich also nicht, wenn Leute mich „Twitter-Rappers“, das können sie ruhig machen …

Kommen wir zum Style deiner Mucke. Sie ist kurz gesagt ziemlich aggressiv, stressig und schnell und im Vergleich zu vielen deiner deutschen Newschool-Artgenossen wenig cloudy. Gibt man deinen Namen bei Google ein, bekommt man direkt zu lesen, dass du die Sparte des „Southern Rap“ bespielst. Bist du mit dieser Definition einverstanden?

Das wundert mich ehrlich gesagt auch immer (lacht). Ich habe wirklich nur eine vage Ahnung, was mit diesem „Southern“-Film gemeint ist. Bei iTunes falle ich ja auch in die Kategorie „Dirty South“ … Wahrscheinlich habe ich irgendwelche amerikanischen Rapper gebytet ohne es zu wissen (lacht). Aber mit dem „dirty“ kann ich mich an sich anfreunden.

Nach der Geschäftsmann EP im letzten Jahr hast du vor wenigen Tagen nun dein zweites Solo-Projekt veröffentlicht, die Großunternehmer EP. Hast du diesmal anders gearbeitet?

Ja, auf jeden Fall! Das erste Tape war ja wirklich eher aus der schlichten Idee entstanden, mal eine EP rauszuhauen. Einfach aus Bock. Dementsprechend zügig und unprofessionell hatte ich die damals auch zusammengezimmert. Dieses mal bin ich schon ein ganzes Stück bedachter ran gegangen … In jeglicher Hinsicht: Wir haben mehr am Sound geschraubt und ich habe mir mehr Zeit gelassen, weswegen ich mich auch technisch gesteigert habe. Das höre ich auch selber. „Großunternehmer“ ist weniger larifari, aber dafür sind deutlich fettere Club-Banger drauf.