Auf „Pestizid“ war Fynn lediglich dein Produzenten Alter Ego. Auf der nach ihm benannten EP verkörpert er deine dunkle Seite. Wie konnte er zu so einem großen Bestandteil von Dissythekid werden?
Auf „Pestizid“ ist Fynn ja schon mit seinen Produktionen für die düstere Stimmung verantwortlich gewesen. In den Videos tauchte er auch auf. Die Idee von Fynn als dunkler Gestalt war schon da. Ich wollte aber jetzt die ganze Geschichte um Dissythekid und Fynn mehr hervorheben und ausbauen.
Inwiefern ist das eine Geschichte? Eigentlich ist das doch nicht mehr als ein stilistischer Kunstgriff, um über deine Schwächen und finsteren Triebe zu sprechen.
Klar, das ist eine metaphorische Geschichte, die für mich selbst stehen kann. Aber alleine, dass die Idee da ist und man die Geschichte so erzählen kann, fand ich geil.
Erleichtert diese Figur es dir, intim über dich selbst zu sprechen?
Schon. Es ist viel leichter, wenn man das über eine Kunstfigur projizieren kann. Da ist ja auch vieles sehr überspitzt.
Würdest du von dir sagen, dass in dir zwei Persönlichkeiten ruhen?
Die dunkle Seite kam bei mir in der Jugend stärker durch. In der EP steckt viel davon, wie ich vor zehn Jahren drauf war. Ich bin größtenteils ohne Vater aufgewachsen und habe mir dieses Mannsein versucht, durch Reibung zu finden. Dann habe ich mich mit 17-18 hinter Discos rumgeprügelt und so – wie halt viele andere auch. Ich glaube, viele, die ohne Vater aufwachsen, suchen sich diese Reibung und diese Vorbilder im Deutschrap. Die Story, die ich in „Hook“ versucht habe, rüberzubringen, die steckt auch in „Fynn“. Ich habe mir auch diese Gangsterrap-Vorbilder gesucht und wollte mit Gees rumhängen. Aber genau so habe ich auf der anderen Seite auch mit Studenten rumgehangen. Das waren schon zwei Welten. Das hat sich aber auch gelegt. Damals hatte Gangsterrap halt auch einen größeren Einfluss.
Wenn du selbst von der Musik so beeinflusst wurdest, was glaubst du, hat deine Musik für einen Einfluss auf die Hörer?
Gute Frage… Schwer zu sagen. Ich mache Musik, bei der man nicht direkt richtig begreift, worum es geht. Es geht um die Stimmung und darum, in das Gefühl und eine Welt einzutauchen. Ich will die Leute inspirieren, mehr herumzuspinnen und zu experimentieren. Ohne Zeigefinger zum Nachdenken anzuregen.
Einen konkreten Apell kann ich in deiner Musik nicht heraushören.
Ja, darauf, richtig politischen Rap zu machen, hatte ich keinen Bock. Ich stehe darauf, eine Welt zu erzeugen. Diese Kunstfigur war von Anfang an mein Plan. Die Vision, die ich habe, war gerade Anfangs schwer mit meinen Möglichkeiten umzusetzen. Ich will diese Welt in der Musik und den Videos erschaffen.
Gerade aus dem Film schließe ich, dass die Musik und das Visuelle bei dir einen ähnlichen Stellenwert zu haben scheinen.
Irgendwie schon. Das ist alles, wo ich drinnen stecke und was ich kann. Ich finde es geil, das zu verknüpfen. Bei den meisten Deutschrap-Künstlern fehlt mir genau dieses Gesamtpaket, in das ich eintauchen kann und das stimmig ist. In anderen Ländern habe ich da schon viele Sachen gesehen, in Deutschland gibt es da nicht viel. Da macht halt ein Rapper seinen Song, kauft ein Filmteam ein und lässt die schnell ein Video machen.
Es ist dir wichtig ist, eine in sich geschlossene Welt zu erzeugen, die einen in ihren Bann zieht. Warum hast du bisher nur zwei EPs veröffentlicht? Bietet sich das Albumformat dafür nicht besser an?
Ich hatte zwischendurch eine Kreativpause, obwohl es nach der ersten EP ja gut voran ging. Aber ich musste erstmal ein bisschen Geld verdienen, um in Ruhe Musik machen zu können. Durch die Videos, die ich für die letzte EP gemacht habe, hat sich das so entwickelt, dass ich Videos für andere Künstler gemacht habe. Da wollte ich mir erstmal mein Standbein erarbeiten. Das Album ist aber schon halb fertig. Die EP ist eher ein Hallo nach einer langen Pause. Das Album steht also an – ich war fleißig. Die EPs hatten keine stilistischen Gründe. Wobei ich für „Fynn“ halt die sechs Songs hatte und wollte, dass die die Geschichte von Fynn erzählen. Fürs Album kann ich mich dann wieder mehr auf mich selbst konzentrieren und auch etwas von der Metaphorik abrücken.