Mittlerweile sind wir am Spreeufer auf Höhe der Grenze zu Treptow angelangt. Zu unserer Linken können wir dem weiträumigen Fluss bis ins Innere des Regierungsviertels folgen, zu unserer Rechten ragt der Molecule Man mehrere Dutzend Meter aus dem glitzernden Wasser.
Immer wieder wirfst du in deinen Situationsbeschreibungen spannende Widersprüche auf: “Du bringst Ordnung ins Leben, du bist das Chaos“ aus dem insgesamt sehr verrückten Intro hat sich mir da zum Beispiel eingebrannt …
Das Intro hat nicht nur einen verrückten Sound, sondern ist auch ziemlich verrückt entstanden (lacht). Ich habe damals den Beat gehört und einfach direkt mit meinem Ipad aufgenommen, was mir spontan in den Kopf gekommen ist. Diese Aufnahme habe ich letztendlich eins zu eins aufs Album übernommen. Nur weil das Intro einen so abgedrehten Style hat, kommt der anschließende Track „Mehr“ dann auch nicht zu poppig: Das Chaos macht den First Take, dann wird‘s gradliniger …
„Mehr“ ist in meinen Augen auch der beste Track auf dem Album!
Würdest du „AAA“ denn als politisch bezeichnen? Immerhin habe ich hier und da subtile Seitenhiebe wie: „Auf anderen Ecken dieser Kugel versteckt man sich nicht vor der GEZ sondern vor Kugeln“ vernommen…
Gerade Lines wie diese hätte ich im Nachhinein auch gerne auf „Neue Welt“ untergebracht. Leider war das Album im Sommer 2015 gerade knapp fertig aufgenommen, als Themen wie Flucht, Krieg und Vertreibung gerade wieder so omnipräsent wurden. All diese Dinge sind natürlich immer noch aktuell und es war mir auf „AAA“ umso wichtiger, wenn auch verspätet, ein Statement abzugeben. Dass das jetzige Album politischer klingt, als beispielsweise „Blausicht“ mag daran liegen, dass die Zeiten heute einfach krasser sind. Trotzdem finden alle politischen Kommentare in meinen Texten nach wie vor auf Gerard-Ebene, also gewollt abstrakt und nicht zu plakativ statt.
Ja, alles andere wäre komisch. Mit dem neuen Album unterstreichst du, wie ich finde, deutlicher denn je, dass der Stil deiner Musik insgesamt sehr schwer in ein Genre einzuordnen ist. Du selbst hast das, was du da machst, in der Vergangenheit immer als »Gerard-Musik« betitelt…
…deshalb ist eine Übersetzung ja auch „Anders als Alles“ (lacht).
Ist „AAA“ dann die Perfektionierung und vielleicht Fertigstellung des Genres »Gerard-Musik«?
Die Fertigstellung ist „AAA“ noch lange nicht, nein. Da kommen in Zukunft noch Dinger, die in dieser Hinsicht viel mehr on point sein werden. Trotzdem erwartet man, wenn man Gerard kennt, ja inzwischen schon gewisse, wenn man es denn so nennen mag, Experimente, was Melodien und Sound angeht … Und die liefert „AAA“ definitiv, ja!
Würdest du denn meine These unterschreiben, dass es rein musikalisch das experimentellste deiner bisherigen Alben ist?
Zumindest mache ich mir einfach keine Gedanken mehr, wie es ankommen könnte (lacht). Und auf jeden Fall ist die Musik, die auf „AAA“ zu hören, ist wieder lockerer und weniger verkopft, als die Sachen aus den letzten paar Jahren. Als ich damals nach „Blausicht“ plötzlich Berufsmusiker war, war das für mich anfangs ein bisschen strange. Inzwischen ist der Druck, der zu dieser Zeit auf mir lastete geschrumpft: Ich bin wieder kreativer, gerade weil ich mir zwischenzeitlich neben der Musik, die ich selber mache noch ein paar andere Arbeitsfelder gesucht habe, auf die ich zurückgreifen kann, wenn es mal nicht so läuft … Somit entsteht ein viel besserer Flow … Und Rap ist wieder die Art Freiheit, die sie früher für mich war.