Rec-Z ist vielen noch aus Blütezeiten der Rapbattle-Turniere ein Begriff. Dass es ihm definitiv nicht gerecht wird, ihn fast zehn Jahre später noch darauf zu reduzieren, zeigt er deutlich mit seinem zweiten Album „Marke Eigenbau“. rap.de spricht mit Rec-Z über Herzblut, durchdachte Wortwahl, neue Entwicklungen in der Rap-Szene und Metaebenen.
Vor ein paar Tagen ist dein mittlerweile zweites Album „Marke Eigenbau“ erschienen. Du stehst also definitiv nicht am Anfang deiner Rapkarriere. Hast du – gerade im Hinblick auf den Albumtitel – was Neues dazugelernt?
Prinzipiell hab ich die Fähigkeiten, die ich anfangs entwickelt habe, perfektioniert. Seit 2005 nehme ich selbst auf, mische und mastere. Das ist mein Steckenpferd und gehört für mich beim Musikmachen dazu. Mir macht es Spaß, Kunst zu formen. Bei „Marke Eigenbau“ hab ich das meiste selbst in die Hand genommen: Das Artwork hab ich mitgestaltet, die Aufnahmen habe ich selbst gemacht und gemeinsam mit Perino die Beats produziert. Auch wenn es erst das zweite Album ist, ist es in diesem Sinne schon ein Meisterstück, weil ich sehr viel Zeit und Arbeit reingesteckt habe. Deshalb auch der Titel.
Der Titel scheint dir sehr am Herzen zu liegen. Bedeutet das für dich, dass du die Dinge im Alleingang anpackst oder kann auch etwas im vertrauten Team Geschaffenes noch „Marke Eigenbau“ sein?
Auch wenn ich auf dem Cover pose wie eine Ein-Mann-Armee, will ich damit den Alleingang gar nicht propagieren. (lacht) Natürlich habe ich mein Team mit dem Produzenten, den Videomachern und Grafikern. Aber das sind Freunde, keine Businesspartner. Wenn man beispielsweise auf eBay nach „Marke Eigenbau“ sucht, stößt man hauptsächlich auf selbstgemachte Möbel oder Ähnliches – Für mich steht „Marke Eigenbau“ für Handarbeit.
Noch recht weit am Anfang deiner Karriere gab es aber Situationen, die du so ziemlich im Alleingang bestreiten musstest – Siehst du deine Battlerap-Vergangenheit eher als etwas, das dich immer noch verfolgt oder konntest du daran wachsen?
Das ist ein zweischneidiges Schwert. Viele reduzieren mich darauf. Wir können’s ja nochmal an die große Glocke hängen: 2008 habe ich beim VBT teilgenommen und bin Zweiter geworden. Aus dieser Zeit habe ich selbstverständlich viel lernen können, weil so ein Turnier einen schon ziemlich fordert, was die Geschwindigkeit und Präzision beim Schreiben und Videodrehen betrifft. Auch raptechnisch und was den Einsatz meiner Stimme betrifft konnte ich viel lernen. Andererseits würde es mich natürlich freuen, wenn mehr Leute sehen würden, dass ich schon immer auch „normale“ Musik gemacht habe und dass ich kein Kind des VBT bin.
Bei deinem neuen Album fällt oft auf, dass die Situationen, die du in deinen Tracks beschreibst, sehr spezifisch sind. In „Dietrich“ zum Beispiel, erzählst du von einem in sich verlorenen, erfolglosen Hacker. Wie kommst du auf gerade solche Themen?
Die Geschichte geht auf einen Nachbarn meiner Freundin zurück, wobei ich im Track natürlich übertrieben und auch abstrahiert habe. Jedenfalls war besagter Nachbar eben Hacker, der vor allem nachts laut fluchend und randalierend sein Unwesen getrieben hat. Nach Aktionen wie dem Demolieren des Türspions meiner Freundin, was schon krass genug war, hat er im Keller eine Gasbombe gebaut und ein Feuer gelegt. In dieser Nacht gingen die Feuermelder an, alle mussten raus – Die Polizei konnte die Bombe kurz vor ihrer Explosion noch aus dem Haus entfernen. Im Grunde ist also diese Geschichte die Inspirationsquelle für „Dietrich“, auch wenn ich das im Track wesentlich ironischer und witziger darstelle.
„Stimme“ hinterlässt beim Hörer vor allem durch deine Aufrichtigkeit einen bleibenden Eindruck. Du kritisiert etwa das Verschwenden von Zeit in Clubs oder dass einige Menschen dazu tendieren, eher Worte auf ihrer Haut für sich sprechen zu lassen als Taten. Wie wählst du deine Worte, um nicht als Moralapostel dazustehen, sondern um Leute tatsächlich zum Nachdenken zu bewegen?
Das ist mir auf jeden Fall sehr wichtig. Ich finde, ein Text bekommt den Moralapostel-Touch, wenn in ihm allgemeingültige Weisheiten à la „Schützt die Umwelt“ formuliert werden. Ich versuche, eine persönliche Note reinzubringen und meine Kritik fokussierter auf einen bestimmten Punkt zu beziehen. Wenn ich rappe „[Sie] tragen große Taten lieber als Zitate auf der Haut“, meine ich nicht, dass ich Tattoos schlimm finde, sondern dass ich oft schon den Eindruck bekommen habe, dass es bei so einer Art Slogan als Tattoo für viele wichtiger ist, ihn auf der Haut zu tragen als das, was dahintersteckt, auch wirklich umzusetzen.
In „Prototypen“ übst du Kritik an unauthentischen Rappern, die Musik nur wegen des Geldes und nicht mit Liebe machen. Die Thematiken, die du hingegen in deine Musik bringst, sind sehr greifbar und bodenständig. Hast du schon mal über deine eigene Definition von „real“ nachgedacht und welche Rolle spielt Realness in deiner Kunst?
Wenn meine Musik besprochen wird, wird dieser Begriff oft mit mir assoziiert. Genau kann ich nicht fassen, was Realness bedeuten soll. In meinen Augen bist du real, sobald du das machst, was dir Spaß macht. Meistens sagt man, ein realer Rapper rappt über Dinge, die er schon erlebt oder gesehen hat, aus seinem Leben greift. Für mich ist der Begriff aber weiter gefasst.
Dein Sound unterscheidet dich vom Mainstream. Sind Trap und Afrobeats einfach nicht dein Ding oder willst du nicht mit diesem Trend in Verbindung gebracht werden?
Das mach ich gar nicht bewusst. Es ist auch nicht so, dass das nicht mein Ding wäre. Es gibt auch vieles an Trap, das ich gern mag. Wenn ich einen Künstler aber schon lang verfolge und merke, jetzt geht er stark in eine dieser Richtungen, hinterfrage ich schon, ob er nur auf einen Zug aufspringen will, der jetzt eigentlich schon fast abgefahren ist. Ich persönlich mag lieber Oldschooligeres und gehaltvolle Musik. Ich habe den Eindruck, dass tendenziell etwas an Gehalt verloren gegangen ist. Das ist aber nur die Tendenz, ich bin kein Trap-Hater! (lacht)
Nicht nur in Sachen Sound, sondern auch was deine Wortwahl betrifft, hebst du dich ab. Man findet in deiner Musik kaum Anglizismen oder Schimpfworte. Steckt da ein Prinzip dahinter?
Eigentlich nicht, aber vielleicht ist da dieser unterbewusste Gedanke „Ich möchte Musik machen, die ich auch meinen Eltern zeigen kann“. Es ist nicht so als seien sie der Maßstab, aber dieser Aspekt schwingt sicher mit. Ich höre selbst auch Musik, die in der Hinsicht im Gegensatz zu mir steht. Meine Musik ist sehr nah an mir als Person dran und hinter bloßen Beleidigungen könnte ich einfach nicht stehen.
Konntest du schon einen Eindruck davon kriegen, welche Menschen sich deine Musik so anhören?
Da ich schon wirklich lang Musik mache und bei Auftritten immer wieder auf viele Leute getroffen bin, kenne ich ein paar von ihnen. Tatsächlich haben sich daraus schon kleine Freundschaften entwickelt, auch wenn man sich gar nicht so oft sieht. Facebook jedenfalls sagt, die meisten meiner Zuhörer sind etwa zwischen 24 und 29 Jahre alt. Bei meinen Auftritten sind aber auch Ü30er am Start. Da ich bei meiner Musik den lyrischen Aspekt nach vorn stelle, kann ich mir vorstellen, dass Leute, die eher auf den Flow hören oder „Auf die Fresse“-Musik haben wollen, mittlerweile abgesprungen sind.
Auf deinem Youtube Kanal gibt es die „Marke Eigenbau Einblicke“-Serie zu sehen, die den Schaffensprozess des neuen Albums dokumentiert. Inwiefern ist es dir wichtig, deine Zuhörer auch an Details teilhaben zu lassen?
Ich selbst es feier‘ es, wenn Künstler sowas machen. Deshalb ist mir das auch bei meiner eigenen Kunst wichtig. Beispielsweise bei Maeckes hab ich mir das sehr gern angeschaut. Weil man bei solchen Einblicken meistens noch mehr über den Künstler erfährt, finde ich die teilweise sogar cooler als Videoauskopplungen. Im Prinzip ist eine Serie für Leute, die tiefer und hinter die Kulissen blicken wollen.
Die Platte war schon ein Jahr vor Release fertig. Hast du in der Zwischenzeit schon an neuer Musik gearbeitet oder hast du dich erstmal entspannt?
Ich hab viel entspannt. Natürlich war’s für mich auch sehr schwierig, die Zeit bis zum Release auszuhalten. Ich glaube aber, dass es im Endeffekt gut war, dem ganzen so viel Zeit zu lassen, denn dadurch konnte sich mein Team bilden, das im Hinblick auf das Release wahnsinnig gut zusammengearbeitet hat. Vielleicht wär ohne diese Pause die kommende Tour gar nicht zustande gekommen. Trotzdem hab ich in der Zwischenzeit auch viel für andere Künstler gemacht; zum Beispiel hab ich die neuen Alben von Kico und Pimf gemastert.
Steht denn demnächst noch was an?
Naja, ich hab zu dem Album schon fünf Videos rausgehauen, was ziemlich aufwendig war, vor allem weil ich viel in Eigenregie gemacht habe. Deshalb ist erstmal kein neues Video geplant, es sei denn viele wünschen sich das. Ich denke, bald nach der Tour setze ich mich an neue Musik ran.