Pedaz – der Rapper und Arbeiter aus dem Pott, der Punchlines und alles was zum Battle-Rap dazugehört, zu seiner Aufgabe gemacht hat. Angefangen hat alles mit Battle-Rap bei „Feuer über Deutschland“ . Heute, am 22. April, erscheint sein Album „Schwermetall“ – brachiale Sounds mit Baustellen-Atmosphäre. So hart der Ruhrpottler in Arbeiterhose, Dosenbier und Presslufthammer in seinen Videos auch daher kommen mag – im Gespräch mit ihm wird schnell klar: Harte Schale, weicher Kern – und das ist für ihn alles andere als peinlich. Wir unterhielten uns sehr offen über Gefühle auf Tracks, über RAF, der ihm während der Produktion sogar Brote schmierte und darüber, wie es sich mit einem Hirntumor lebt.
Dein neues Album „Schwermetall“ ist dein zweites Solo-Album. Ist es für dich gleichwertig mit deinem Solo-Debüt „100 % Original“, das 2013 erschien?
Nein, für mich ist „Schwermetall“ mein richtiges Debütalbum. Es ist mein erstes physisches Album mit Box und so weiter. „100 % Original“ war als EP geplant. Es war sozusagen ein Streetalbum, das nur digital war.
Also war es für dich von Anfang an klar, dass da noch ein richtiges Debütalbum hinterher kommen soll?
Auf jeden Fall. Ich habe mir auch extra Songs von früher für dieses Album aufgespart . Zum Beispiel „Kopfsache“ , ein Track der jetzt erst auf „Schwermetall“ erscheint – der ist schon sechs Jahre alt. Außerdem sind die Sounds ziemlich brachial auf dem Album: Metal-lastig mit E-Gitarre und Schlagzeug.
Wie kamst du auf die Idee, Metalsounds mit Rap zu mischen?
Ich habe schon immer E-Gitarren in Beats gefeiert – schon früher die ganzen Sachen von Joshimixu. Er hat solche Beats ab und zu extra für mich gemacht. Aber dann kam RAF und alles hat sich geändert. Er spielt sehr gut E-Gitarre und wir haben uns überlegt, worauf ich Bock habe. Ich meinte, dass ich Gitarrensounds feier‘ und er meinte „Lass das machen“ . Daraus ist das Ganze entstanden.
Spielt RAF die Gitarre auf „Auf die Fresse fertig los“ ?
Ja, er spielt alle E-Gitarrensounds auf dem Album.
Der Titel „Schwermetall“ findet sich ja nicht nur in den Beats wieder, sondern auch im Cover, im Inhalt der Box, usw. Ist das Konzept deines Albums, alles auf den Ruhrpott und deinen Baustellenjob zu beziehen?
Ja, auf jeden. Ich stehe nicht so auf Image-Rap, wenn ich ehrlich bin. Aber das bin eben ich. Ich bin Ruhrpott, ich bin Arbeiter. „Schwermetall“ bezieht sich auch auf den Heavy Metal-Sound. Auf Deutsch heißt Heavy Metal ja Schwermetall. Und das ist der Plan hinter dem Ganzen.
Stand zuerst der Titel oder die Soundidee?
Erst haben RAF und ich den Sound gemacht. Wir sind trinken gegangen und haben uns für den Abend vorgenommen, den Albumtitel zu finden. Irgendwann kam mir dann Schwermetall in den Sinn. Erst wollten wir als Titel „Heavy Metal“ , aber „Heavy Metal Payback“ war ja schon vergeben. „Schwermetall“ ist aber der perfekte Titel für dieses Album.
Würdest du „Schwermetall“ als ein Konzeptalbum bezeichnen?
Naja, es hat auf jeden Fall einen roten Faden, vor allem vom Soundbild her. Es war mir wichtig, dass man das Album durchhört und nicht auf einmal Plastikbeats zu hören bekommt, sondern dass ein angenehmes Soundgefühl beim Hören entsteht. Das war der Anspruch an mich selbst.
Welche Rolle hat RAF während der Produktion gespielt?
Er war auf jeden Fall der Lehrer, er war Mentor-mäßig. Er hat mich nach Berlin eingeladen, ich hab‘ bei ihm gewohnt, er hat mir Geld gegeben, er hat mir sogar Brote geschmiert. Ich bin ihm und Ronny Boldt sehr dankbar.
Wie kam die Zusammenarbeit eigentlich zustande?
Er hat mich davor schon zu tode gefeiert. Ich sollte ihm Songs schicken, die ich schon habe und dann meinte er: „Wir machen das!“
Du hast Mitte März das Intro von der Bonus EP veröffentlicht. Das Video war alles andere als konventionell – Ganz anders als das Video zu „Presslufthammer“. Wie kam es dazu?
Die Bonus-EP ist sozusagen die „Pott für immer II“– EP, als Nachfolger für die „Pott für immer“-EP . Sie gibt auch ordentlich auf die Fresse. Das Video war einfach eine spontane Idee. Der Videotyp wollte, dass ich mitrappe, aber ich meinte „Lass mich einfach mal nur da sitzen, ohne Schnitte, ohne Mimik und Gestik“ . Das Ergebnis haben wir gefeiert und das wurd’s dann.
Auf dem Album bekommt man wie gewohnt viele Punchlines und Wie-Vergleiche von dir zu hören. Angefangen hast du ja mit Battle-Rap bei Feuer über Deutschland. Hast du mal wieder Bock auf Battlerap in einem ähnlichen Format?
Ich hab‘ schon Bock. Ich wurde sogar schon mal angefragt von Rap am Mittwoch für die Battlemania Championsleague. Die wollten, dass ich noch mal gegen Mike Fiction antrete. Naja, wenn die genug bezahlen, dann mach ich das, aber momentan habe ich einfach nicht so Bock drauf. Erst mal das Album.
Also nochmal zurück zu „Schwermetall“ : Auf „Wat muss, das muss“ übst du Kritik an der Rapszene. Was stört dich?
Ich kann mit vielen in der Szene einfach nichts anfangen – höchstens mit zehn Stück oder so. Zum Beispiel mit RAF und seinem ganzen Umfeld, Sido finde ich interessant, Alligatoah, 187 – find‘ ich cool. Karate Andi ist über lustig. Snaga, Megaloh und sowas feier‘ ich auch. Auf der Straßenrapschiene hören sich aber alles gleich an. Es gibt einen Haftbefehl, der etwas Neues gebracht hat, und das ist auf jeden Fall etwas, das man feiern kann. Nur dann gibt es tausend kleine Haftbefehls. Genau wie bei Bushido: Es gab einen, dann kamen 100 kleine Bushidos und so weiter. Wieso machen die denn alle das gleiche und versuchen nicht, ihr eigenes Ding zu machen?
Auf dem Allstartrack „Wie ein Mann Prachtkerl Remix“ findet sich die halbe Rapszene wieder. Wie kamst du zu den ganzen Kontakten?
MoTrip war damals schon auf „100 % Original“ drauf. Silla hab‘ ich hier in Berlin kennengelernt. Ich dachte mir „Komm Langer, so schaffst du eine riesen Reichweite für dein Album und die Leute werden auf dich aufmerksam.“ Ich wollte nicht in jedem Track ein Feature haben, also habe ich einfach einen Song mit ganz vielen Features gemacht. Sido folgt mir auf Twitter und wollte irgendwann Songs von meinem Album hören. Die hat er gefeiert und dann habe ich die Gunst der Stunde genutzt und nachgefragt. Er fand es cool und war sofort dabei.
Was ist dein persönlicher Favorit auf dem Album?
Die meist bedeutenden sind die drei deepen Tracks. Emotional betrachtete sind das die Favoriten. Ansonsten ist mein Lieblingssong vom Album „Ich bin Pedaz und du nicht“.
Warum?
Weil er einfach lustig ist.
Einer deiner autobiographischen Songs heißt „Die Tränen deiner Mutter“. Um was geht es da genau?
Es geht um die Probleme, die ich damals mit meinem Vater und Bruder hatte. Meine Mama arbeitet nachts als Krankenschwester. Mein großer Bruder ist drei Jahre älter, er musste mich damals immer mitnehmen, weil meine Mutter tagsüber schlafen musste. Unser Vater war gewalttätig und ist irgendwann abgehauen. Eigentlich hab ich gar keine schlechten Erinnerungen an ihn, dafür war ich viel zu jung. Nur als unser Vater abgehauen ist, war das vor allem für meinen Bruder eine schwere Situation, weil er genau zu dem Zeitpunkt einen Vater gebraucht hätte.
Hat dein Bruder dann für dich die Vaterrolle übernommen?
Nein eigentlich gar nicht, es kam ja dann auch unser Stiefvater. Ich kam mit ihm von Anfang an sehr gut klar. Mein Bruder aber gar nicht. Da war richtiger Krieg zwischen den beiden. Mein Bruder kam dann auf die schiefe Bahn und hat Scheiße gebaut. Die Polizei war auch oft da – es war richtig hart. Irgendwann hat meine Mutter ihn rausgeschmissen und er kam in ein Jugendwohnheim. Und da war er mit Favorite in einem Zimmer. Dadurch habe ich Fav kennengelernt.
Also hat dich dein Bruder zum Rap gebracht?
Ja, eigentlich schon. Er selbst ist auch Rapfan. Er hat mich damals schon dazu gebracht, auch sowas zu hören. Er hat immer viel Wu-Tang gehört. Oft saß ich in seinem Zimmer auf dem Boden und hab einfach kein Wort von der Mucke verstanden. Wenn ich dann irgendwas gefragt habe, war er immer sauer und hat mich direkt geschlagen, so nach dem Motto „Sei ruhig“. Aber so hat er mich zum Glück auch zum Rap gebracht. Schon krass – jetzt wo du’s sagst. Das ist die Erkenntnis des Tages.
Was war der Gedanke dahinter, so einen ehrlichen Track auf dein Album zu packen?
Ich habe mit dem Song einen Schlussstrich gezogen. Der Song an sich ist auch schon fünf Jahre alt. Ich habe mit dem Track die ganze Vergangenheit verarbeitet. Der Track hat zweimal 24 Zeilen, das ist schon ziemlich ungewöhnlich so lange Dinger zu machen. Es war damals eben eine schlimme Zeit. Heute bin ich ihm nicht mehr böse. Ich kann das heute alles verstehen. Ich hab ihm den Song natürlich auch gezeigt und er meinte, dass ich das doch nicht auf ein Album packen kann, aber im Grunde ist jetzt alles gut. Es war einfach keine leichte Zeit, aber das Ganze hat mir auch einen guten Song beschert. Immerhin.
Ein weiterer autobiographischer Track ist „Kopfsache“. Da rappst du sehr persönlich über deinen Hirntumor. Wie hat sich das für dich angefühlt?
Viele meinten, dass ich das nicht bringen kann, so einen Track auf mein Album zu packen, weil es zu privat wäre, genau wie „Tränen deiner Mutter“. Aber mich stört das nicht, weil ich das bin. Das ganze ist eine doofe Sache, aber es gehört dazu und es ist ein super Song geworden. Gerade bei dem Song hatte ich noch mehr den Anspruch, einen technisch anspruchsvollen, deepen Song zu machen. Viele deepe Songs leiden nämlich darunter, dass sie deep sind. Die Themen sind krass und holen es wieder raus, aber die Technik ist oft nix bei solchen Tracks. Ich wollte die Technik in diesem Track besonders hochhalten.
Hat sich dein Leben durch den Tumor verändert?
Der Tumor ist gutartig und befindet sich lustigerweise im Sprachzentrum im Gehirn. Ihn rauszuoperieren ist zu gefährlich – 95 % Prozent Wahrscheinlichkeit, dass ich dann das Reden neu erlernen muss. Ich habe den Tumor jetzt schon mein halbes Leben und er wächst nicht. Er verursacht epileptische Krampfanfälle. Ich bin medikamentös eingestellt, muss jeden Tag acht Tabletten nehmen, aber generell kann ich damit gut umgehen und leben. Man kann mit allem irgendwie leben. Natürlich nehme ich das Ganze nicht auf die leichte Schulter, aber ich gehe daran auch nicht zugrunde. Wenn er jetzt wachsen würde, dann wüsste ich echt nicht was ich machen sollte. Natürlich beeinflusst er mich auch in manchen Situationen. Zum Beispiel beim Autofahren. Nach einem Anfall darf ich ein Jahr nicht Autofahren und solche Sachen eben. Aber er hat auch Gutes: In manchen Sachen bin ich vernünftiger geworden, zum Beispiel weiß ich jetzt beim Trinken, wann Schluss ist. Früher wusste ich das nicht, aber das ist bestimmt auch altersbedingt.
Ist es für dich also wichtig, auch mal Gefühle auf Tracks zu packen?
Klar. Außen hart, innen weich.
Wo entstehen eigentlich deine Texte?
Also das meiste vom Album hab ich mit dem Handy auf der Arbeit geschrieben. Die EP habe ich auf Korfu am Pool geschrieben. Eigentlich schreibe ich überall. Deepe Songs kann man aber nicht auf der Arbeit schreiben, da muss man schon auf der Couch sein, mit dem Beat volle Pulle auf den Kopfhörer. Das geht nicht auf der Kirmes oder der Baustelle.
Würdest du deinen Job aufgeben, wenn du vom Rap leben könntest?
Ja, natürlich. Das ist der Traum von jedem Musiker, von seiner Musik leben zu können. Die Frage ist dann nur, über was ich rappen soll, wenn ich nicht mehr über die Baustelle rappen kann. Dann nenne ich mein nächstes Album „Burnout“ .
In deinem Album gibt es des Öfteren verweise darauf, dass es bei dir momentan gut läuft, wie z.B. auf „Läuft beim Langen“ – kannst du das unterschreiben?
Dieses „Läuft beim Langen“ habe ich eigentlich nur genommen, um so etwas wie einen Thementrack mit Punchlines zu machen. Ich habe oft Vergleiche mit „läuft“ und „Lauf“. Aber insgesamt würde ich sagen, dass es jetzt so langsam wirklich läuft.
Hast du dementsprechend auch hohe Erwartungen an dein neues Album?
Ich sag’s ganz ehrlich: Ich kann kaum schlafen. Ich habe an mich selbst eine ziemlich hohe Erwartungshaltung. Ich will natürlich viel verkaufen. Ich würde lügen wenn ich sage, dass das nicht so wäre, aber ich weiß, dass ich in der Szene als Newcomer angesehen werde, obwohl ich schon sehr lange Musik mache. Auf gut Deutsch gesagt fickt das Ganze meinen Kopf gerade ziemlich.
Dann hoffen wir, dass „Schwermetall“ mehr als läuft. Danke für das offene Gespräch!