Das Internet ist voller Schätze. Nicht selten stößt man auf einen wenig beachteten Rohdiamanten. Das Format „Fundkiste“ gibt eben jenen Juwelen die Möglichkeit, einem größeren Publikum vorgestellt zu werden. In unregelmäßigen Abständen werden handverlesene Künstler, Tapes oder Songs vorgestellt. Ob aktuell oder alt – Hauptsache dope.
Heute: James Jencon
James Jencon dürfte echten Hardcorefans zum ersten Mal aufgefallen sein, als Casper seine Top 10 Liste der Releases des Monats Juli 2015 via Instagram teilte. Dort belegte er mit seinem „240p„-Tape nämlich einen mehr als respektablen sechsten Rang, noch vor K.I.Z oder Vince Staples.
Über den Artist selbst ist wenig bis nichts bekannt. Wohnort, Alter, Biografie – nichts. Und das ist gut so, denn es passt ins Gesamtbild. Die Figur James Jencon vermittelt das Bild eines grimmigen Typen, der in seinem Keller sitzt, einen Beat anmacht, aus dem Handgelenk ein paar Punchlines draufknallt und das Ganze direkt ins WWW schießt. Seit Ende 2014 wurden bereits vier Tapes auf die eigene Soundcloud geladen. Zu Beginn noch ohne richtiges Mikro, aber seit jeher auf dopen BoomBap-Beats.
Die Musik ist reinster Battle-Rap. Die Figur James Jencon kümmert sich nicht um Connections, Rapper-Freunde oder Gästelistenplätze. Viel mehr wird gegen alles und jeden geschossen, Punchlines kommen wie aus der Uzi geballert und auf Themenvielfalt wird nicht wirklich viel gegeben. Runtergebrochen auf die Essenz geht es darum, dass du, andere Rapper und eigentlich jeder behindert und scheiße ist. Auch mit neuem Rap kann dieser Typ nichts anfangen: „Du hörst JBG2, ich hör CCN1“ , heißt es dazu.
Und: „Du kannst kein Blut sehen, denn ich stech dir die Augen aus/ Deine Freunde hauen ab, meine Freunde hauen drauf/“ („Dungeon„)
Apropos Carlo Coxx Nutten: Wer gut zuhört, endteckt die ein oder andere Referenz an die Veteranen des deutschen Battle-Raps, während in allerbester Westberlin Maskulin-Manier Rapper auf kreative, aber derbe Art und Weise beleidigt werden. „Ich hör Sonny Black, KKS, Taktloss und Fler/ Wer ein Studio brauch ist in meinen Augen nichts wert“/ (Sprenggürtel und Augenringe). Nicht umsonst hört das aktuelle Tape auf den Namen „Hoes, Floes, Gewalt (1998)“, der parallel zur Musik die Unverfrorenheit längst vergangener Royal Bunker-Zeiten wieder ein Stück weit aufleben lässt. Bezüge und Anlehnungen an teilweise fast 20 Jahre alte Musik also, für die Westberlin der mystische Bezugsort war, doch selbst über sich rappen: „Ich komm aus keiner Stadt sondern dem Internet, du Fotze!“ . Willkommen im Untergrundrap anno 2016.
„Trainier deinen Bizeps, stemm bloß deine Hanteln/ Doch rappst du wie ne Schwuchtel, wirst du auch so behandelt“/ („23:15„)
Wer auf neuartige Sounds, Autotune oder trappige Hi-Hats steht, wird mit diesem Künstler keinerlei Spaß haben. Möchte man jedoch einfach mal wieder guten Battle-Rap hören, der einen 15 Jahre zurückwirft ohne dabei zwanghaft auf Retro zu machen, ist man hier genau richtig.