Yaneq

Vielen, die sich schon länger und nicht nur oberflächlich mit deutschem Rap beschäftigen, wird Yaneq ein Begriff sein. Sein aktuelles Album nennt sich ‚Widersprüche‘ und steht in den Plattenläden. Allerdings ist Yaneq nicht nur Rapper, sondern auch Autor, Party Veranstalter, Musiker und Schauspieler. Er bewegt etwas in seiner Heimat Berlin. Er hat mit vielen Künstlern aus verschiedenen musikalischen Sparten gearbeitet und über diese vielfältigen Erfahrungen und seine Projekte erzählt er im Interview.

rap.de: Fangen wir doch mal an mit dieser Goethe Institut-Geschichte an. Wie kam es denn dazu?

Yaneq: Das war ne witzige Geschichte. Also ich war im Mai dieses Jahres zwei Wochen in Kamerun, in Afrika, zum ersten Mal, und zwar auf eine Einladung des Goethe Instituts. In Yaoundé, der Hauptstadt von Kamerun, war eine deutsch-französische Kulturwoche vom Goethe Institut und vom Institut Francaise. So mit Rahmenprogramm, was es da halt immer so gibt. Normalerweise mit Chor und solchen Geschichten. Dazu haben sie halt auch mich eingeladen. Die sind durch einen witzigen Zufall auf mich gekommen. Vor anderthalb Jahren oder so waren drei Mädels in Berlin, die hier irgendwas studiert haben und hier ein Seminar oder eine Podiumsdiskussion organisiert haben. Und die haben dann so ein kleines Buch gemacht zum Begriff ‚Ghetto’. Gibt es ein Ghetto in Deutschland, was heißt Ghetto, pipapo. Dabei sind die irgendwie auch auf mich gestoßen und haben ein Interview dazu mit mir gemacht. War schön, dass ich das einfach so gemacht habe, ohne zu denken: „Ach Studenten, was gebe ich Studenten ein Interview, ohne was davon zu haben“. So habe ich halt nicht gedacht, sondern: „Na klar, wenn Eine von denen reden will“. Dann haben wir uns in einem Cafe getroffen, die haben mir zwei Campari-O ausgegeben, das war dann mein Lohn (lacht). Ein dreiviertel Jahr später macht eine von denen, die Anna, ein Praktikum im Goethe Institut da in Yaoundé, in Kamerun und es hieß: „Wir brauchen noch was für die jungen Leute, was ist denn heute so in?“ „Ja HipHop oder so.“ „Und was machen wir da?“ „Ja Yaneq.“ So war ich dann im Spiel und wurde gefragt, ob ich Lust hätte in drei Monaten mal runterzukommen und einen Workshop zu machen und mit Kameruner Rappern ein Konzert zu spielen. Da meinte ich: „Türlich hab ich Bock. Geil.“

rap.de: Wie war Kamerun für dich?

Yaneq: Ich wollte seit Jahren mal nach Afrika und habe einfach nicht das Geld gehabt da runterzufahren oder nicht die Zeit und jetzt hat es gepasst so eine geile bezahlte Reise zu machen. Ich wusste gar nichts über Kamerun. Ich musste mir immer eine Eselsbrücke bauen: „Wo fahre ich hin?“ Es gibt ja diese Hamburger Punk Band „Goldene Zitronen“, wo der Sänger Schorsch Kamerun heißt und ich immer auf Partys: „Äh wo fahre ich hin? Goldene Zitronen, Schorsch Kamerun, ach Kamerun.“ Und als ich dann losgeflogen bin und in Tegel eingecheckt hab, Stopover über Zürich, lese ich in meiner Zeitung und da steht so ein Typ auf. Blaue Jeans, VANs Turnschuhe, Mitte 40, blonde Haare, Cordjacket zu Jeans, voll Hamburg für mich, und ich gucke ihn an und er merkt wie ich ihn angucke, er guckt zurück und sagt: „Ja Hallo, ne?“ und ich sag „Tschuldigung, Herr Kamerun?“ und er: „Ja, ne?“ ich sage: „Das gibt’s ja wohl nicht, ich fliege gerade nach Kamerun und sie waren meine Eselsbrücke, ist ja geil“. Da war dann halt Schorsch Kamerun im Flugzeug, lustiger Zufall. Und dann bin ich zum ersten Mal in Afrika gelandet, was halt ein krasser Überfluss von Eindrücken war. Angefangen beim Essen, schon wie die Bananen da schmecken ist anders, bis hin zu meinem Afrikabild, das ich mir dann erstmal überhaupt machen konnte. Selbst wenn du hier in Mitteleuropa lebst und Zeitung liest und Tagesschau guckst, Weltspiegel am Wochenende und dich einigermaßen informierst, dann hast du ein Afrikabild was, wenn du da tatsächlich hinkommst, erst mal total in Frage gestellt wird. Ich habe mir viel mehr Elend vorgestellt. Es ist natürlich auch viel ärmer, aber ich war halt vorher schon in Dritte Welt-Ländern, in Indonesien und auf Kuba und so, insofern war ich jetzt nicht nur armutsgeschockt und so weiter. Aber was als erstes auffällt ist, dass die Leute alle ganz saubere Klamotten haben. Die eine Hälfte trägt Baggy HipHop-Style, HipHop ist da ganz groß, und die andere Hälfte trägt diese Gewänder, die man so kennt. Wenn da irgendwie ein Jubiläum ist, dann gibt es da riesen Stoffballen, die kaufen sich die Leute und die Männer machen sich Hemden und die Frauen machen sich fließende Gewänder, die bis auf den Boden gehen. Alles immer sehr sauber, sehr glatt gebügelt. Darauf kommt es denen an und ich saß da mit meinem Hemd. Hier war ein Knopf ab und da war ein Knopf ab, Europa Punkrock, mit meinen alten ausgelatschten Nike– Turnschuhen und die so: „Das sind ja ganz schöne Schuhe, die du da hast, nur ein bisschen alt, ne?“ (lacht) Also der Afrikaner will dann so den freshen Scheiß haben und uns ist das ja eher egal, also mir zumindest. Das war echt eine interessante Situation.

rap.de: Wie lief der Workshop ab? Was habt ihr gemacht?

Yaneq: Ich kam halt an und wir sollten einen Workshop machen. Ich habe auch gesagt: „Ich komme jetzt nicht als Europäer hier hin um euch rappen beizubringen, ihr könnt bestimmt alle rappen und ich komme jetzt nicht in den Mutter-Kontinent des Rhythmus, um euch den Rhythmus zurückzubringen, das wäre vermessen. Wenn es aber irgend etwas gibt, was ich weiß, das ihr nicht wisst, dann könnt ihr gerne daran teil haben. Ansonsten lass uns doch zusammen hier workshopmäßig Lieder schreiben. Ich bin nicht euer Professor oder Lehrer, sondern lasst uns einfach zusammen was machen und gucken, wie wir gegenseitig was voneinander lernen können, uns austauschen.“ Und so haben wir das dann auch gemacht. Es fing dann mit einem Casting an, was eine komische Situation war, weil halt die Teilnehmerzahl auf zehn Leute begrenzt war und ich musste dann sagen „Du ja, du nein.“. Das war schon eine seltsame Situation.

rap.de: Also das musstest du entscheiden?

Yaneq: Ja klar, die Leute vom Goethe Institut sind ja nun nicht so die Rap-Experten

rap.de: Ich dachte, es wäre vorher schon festgelegt gewesen, wer daran teilnimmt.

Yaneq: Also es gab vorher so ne Afrikanische Kommunale, fünf Leute waren vorher festgelegt und fünf Leute wurden dann noch eingeladen. Die Leute, die vorher festgelegt waren, waren Leute, die da schon ein, zwei Alben draußen haben. Ich habe ein paar Interviews mit denen gemacht und CDs mitgebracht, richtig geiler Rap. Der braucht sich auch keinen Meter hinter dem französischen HipHop zu verstecken, auch vom Produktionslevel sind die wirklich jetzt auch selber der Meinung, dass sie ein neues Ufer erreicht haben, wo sich auch international vielleicht etwas tut. Ich halte das nicht für unwahrscheinlich. ‚Accent Grave’ war eine Gruppe, supergeiler HipHop, auch mit afrikanischen Einflüssen. Ansonsten klingt er echt französisch, so von der Produktion her, von der Sprache ja sowieso. Nach dem Casting wollten sie dann mich rappen hören. Und ich: „Na ja, ok.“, und hab dann eher einen von meinen nicht standartmäßigen Rap-Sachen gemacht, aber ich wusste nicht wie Afrikaner auf meinen Heavy-Elektro-Shit reagieren, von dem ich dachte, der funktioniert nur in Berlin oder in Großstädten halt. Also gebe ich denen eher so eine von meinen konventionelleren HipHop-Nummern, also habe ich ‚Ich lebe in den Tag’ für die gerappt und die sofort: „Ja cool“, Applaus gegeben und wussten ok, sie können auch Respekt vor mir haben. Dann haben wir so drei, vier Tage zusammengearbeitet und dann habe ich mir gedacht: „What the fuck, warum verstecke ich meinen Elektro-Shit hier eigentlich, jetzt teste ich den mal aus.“ Und dann habe ich ‚Is rischtisch, Kid!’ gespielt, das mit den Bässen, und ich schwöre, ich übertreibe nicht, 20 Afrikaner springen von ihren Stühlen auf und alle: „Yeah!!“, und ich glaube es waren die Bässe. Ich weiß natürlich nicht genau, was es war, aber sie konnten ja nicht verstehen was ich sagen, aber alle sind aufgesprungen voll mitgegangen, jeder wollte dann auf den Beat rappen und ich dachte nur: „Wie geil ist das denn?“ Solche Erlebnisse und Eindrücke bleiben in Erinnerung oder Freundschaften, die ich da geschlossen habe, obwohl man die im Nachhinein doch wieder nur spärlich pflegt und dann alle drei Monate oder so mal eine Email schreibt. Aber es war supersupergeil. Wir haben zwei Lieder zusammen geschrieben, wo die Hookline halt deutsch-französisch immer hin und her ging. (rappt beide vor). Wir hatten dann bei dem Konzert so ne Galerie, also es gab ein Oben und ein Unten wo die Leute standen also: (singt) "Von Oben Unten, haut en bas, vous faitez du bruit, jetzt macht mal Krach!". War super nice. Ich habe sogar vier Lines auf Französisch geschrieben, wo sie sich tot gelacht haben und immer gesagt haben: „C’est très facile, mais c’est bon!“ also: „Ist ganz einfach geschrieben, aber ist gut“ (lacht) und sich dann immer weggeschmissen vor Lachen. Also war auf jeden Fall ne supergute Erfahrung. Ich war in einem Künstlerzentrum untergebracht, Afri Crea hieß das. Das macht so ein Typ, der 30 Jahre lang in Frankreich gelebt hat, und in deren Galerie war eben unser Auftritt. Meine Künstlerwohnung, der Proberaum und so Cafes, in die die Leute immer so gegen 17, 18 Uhr hingekommen sind, um ihr Bierchen zu trinken. Also draußen ein paar Stühle, afrikanisch, einfach, man muss sich das alles ganz einfach denken, aber auf jeden Fall ein super Zentrum. Und durch den Typen, der das gemacht hat, hatte ich natürlich irgendwie den Schlüssel zur Stadt. Ich musste mir da nichts suchen, sondern es wurde immer gesagt: „Hier, den musste mal kennenlernen.“ und dadurch lernst du natürlich gleich die interessantesten Leute da im Ort kennen. Dir werden die interessantesten Clubs und Bars gezeigt und so weiter und wir waren in so einem Jazz Club, wo so Musiker dann spielen und denen kann man dann sagen: „Spiel mal ‚Over the river’ in gestrichenem A-Dur.“ Und jeder von denen kennt halt diese Standards und so weiter. Nach einer halben, dreiviertel Stunde meinten sie auch: „Willste mal freestylen oder was?“, und ich dann: „Je suis de Berlin, ich bin aus Berlin, ihr versteht jetzt kein Wort, aber vielleicht könnt ihr ja den Flow verstehen.“, es war auf jeden Fall witzig. In Afrika Musik zu machen war eh geil, weil nach jeder Strophe wurde da Strophen-Applaus gegeben und alle haben sich voll gefreut: „der lange Deutsche da.“

rap.de: Hast du denen deine Texte erklärt?

Yaneq: Mit den Jungs im Workshop habe ich schon über Texte gesprochen, klar, aber im Jazz Club natürlich nicht. Aber generell haben wir natürlich über Inhalte geredet.

rap.de: Ich habe bei dir sowieso das Gefühl, dass du deine Musik weniger der Musik wegen machst, sondern vielmehr der Aussage wegen, stimmt das?

Yaneq: Nee, stimmt so nicht. Meine Texte sind mir wichtig, klar. Wobei ich auch nicht immer mit jedem Text die ganze Welt erklären will oder so, sondern ich habe ja auch ‚HipHop Elektroparty’ und so weiter. Aber auch die will ich gut schreiben. Texte sind mir schon wichtig. Texte sollen eigen sein und die sollen mein sein, aber es drückt sich auch viel in der Musik aus.

rap.de: Deine ganze Musik ist sehr eigen, das stimmt.

Yaneq. Für mich kommt Kunst nicht von Können. Können ist schön und gut, das kann einem immer helfen ein Bild gut zu machen, einen Track gut zu machen, aber im Zweifelsfalle ist mir der Dilletant, der nur dididididididi spielen kann, aber mit diesem dididididididididi etwas ausdrücken und erklären will lieber, als der Könner, der einfach nichts zu sagen hat. Insofern geht es bei meiner Musik natürlich auch darum eine Haltung klar zu machen und meine Haltung ist halt ein bisschen die Eier raushängen lassen, ein bisschen die Leute anfassen, ein bisschen „Hey wat los?“, und so weiter. Es ist auf jeden Fall nicht handzahm. Ich höre ja wirklich alle Musikstile und klar, meine Vorliebe ist HipHop, aber in allen Stilen hast du echt gute Musik und in allen Stilen hast du echt schlechte Musik. Es gibt den beschissensten HipHop auf der Welt und es gibt den besten HipHop auf der Welt, es gibt den beschissensten Jazz, der wird in irgendeinem Hotel am Frühstücksbuffet gespielt, von irgendeiner blöden Dixieland Band, von irgendwelchen Langweilern, die nicht wissen worum es in der Musik geht. Dann gibt es aber auch den unglaublichsten Jazz von Freejazzern, die sich die Seele aus dem Leib spielen und das hat man bei Punk und bei Country und bei Reggae auch. Die Grenze liegt immer an der Soullinie. Das ist die Linie, an der alles noch glatt poliert wird, jeder Makel und jede Ecke noch rauspoliert wird. Wenn aber der Punk verzerrt bleibt, beim Blues und beim Jazz die schiefen Töne reinkommen, die krassen Tempiwechsel und so weiter, wo bei Produktionen von RZA und Wu-Tang der Beat rumpelt und pumpelt oder Anthony B. drüber brüllt und die Stimme bricht, da ist die Seele in der Musik, das ist da, wo der Künstler die Eier raushängen lässt. Das ist eigentlich das Einzige, was wirklich interessant ist. Irgendetwas handwerklich gut zu machen, da natürlich hängt auch eine Menge Arbeit mit drin, aber um Arbeit geht es bei der Kunst erst in zweiter Linie. In erster Linie geht es darum, etwas zu spielen und damit etwas zu erklären über die Welt. Ich finde bei Musik und Kunst geht es einfach um Haltung und deswegen haben wir uns von Anfang an hingesetzt und gesagt: „Ok, ich komme jetzt aus der HipHop-Szene, aber trotzdem nehmen wir uns beim Produzieren jede Freiheit raus. Wir werden jetzt nicht versuchen irgendwelchen Pseudo-Realness-Regeln zu folgen, die von irgendwelchen Kids, die sich ein Nachthemd anziehen und sich eine Mütze einer Sportart auf den Kopf setzen, von der sie nicht mal die Grundregeln beherrschen und dann „Realness, Realness!“ brüllen und meinen alles muss produziert werden wie DJ Premier das Mitte der Neunziger gemacht hat.“ Nichts gegen DJ Premier, der hat mit die besten Lieder im HipHop ever geschrieben, ich liebe den, aber der hat seine Zeit und seinen Ort und ich bin halt Yaneq und ich mache einen ganz anderen Sound. Ich habe auch eine ganz andere Vergangenheit, obwohl Premo auch sehr viel Punk Rock gehört hat, wie er mir mal im Interview erzählt hat, das nur am Rand. Insofern sage ich, ich bin zu Drum’n’Bass-Partys gegangen und habe dazu getanzt, ich liebe Reggae seit ich das in der Grundschule von meinen großen Schwestern mitbekommen habe, mich hat Punkrock sozialisiert, genauso wie mich HipHop geprägt hat. Alle diese Einflüsse abzuschneiden, nur um irgendwelchen Dogma-Regeln einer Subkultur zu folgen, die auch noch falsch verstanden werden, denn HipHop hat ja angefangen mit Rock-Platten und Funk-Platten, ist falsch. Bambaataa und Grandmasterflash hatten ja nur Rock und Funk Platten, mit denen sie diesen neuen Beat gemacht haben und Afrika Bambaataa hat genauso gut den Techno erfunden mit seinem Elektro-Zeug und so. Muss man nicht wissen, kann man aber wissen. Wenn man HipHop nur auf einen bestimmten Sound zurückstutzt, dann schneidet man HipHop seine Flügel und alles was ihn ausmacht ab und genau das wollten wir nicht. Ich habe mir mit meinem Partner alle Freiheiten genommen und wir haben uns gesagt, wir lassen da alles einfliessen, was in uns ist, ohne uns irgendwelche Regeln aufzusetzen und so weiter. Ohne zu sagen: „Nee, das passt nicht.“, wir machen erst mal und gucken was damit passiert. Wir haben dann entschieden, dass es am besten kommt, wenn man das nicht in verschiedene Projekte sortiert, also das hauen wir für HipHop raus und das hauen wir auf einem Elektro Label raus. Nein, wenn ich auf die krankesten Beats drüber rappe, erst dann wird es wirklich interessant, weil erst dann wird es eigenständig und das war für mich ein Anspruch: Widersprüche produzieren. Es hat ja zweieinhalb Jahre gedauert das Album so zu produzieren, dass es eigenständig ist. Ich möchte nicht einer unter Vielen sein, der seine Sache ganz gut macht oder so und sich damit an irgendwelche Regeln hält. Ich will halt auch nicht die Regeln brechen, um irgendwelche Leute anzukotzen, aber wenn ich damit Leute ankotze, dann nehme ich das in Kauf.

rap.de: Die Frage, die ich mir gestellt habe war, ob du es vielleicht auch genau deswegen so machst, um nicht nur einer unter Vielen zu sein.

Yaneq: Vielleicht mache ich es so, um nicht einer unter Vielen zu sein, das wäre dann psychologisch erklärt. Ich lasse dann einfach mal den Satz stehen. Ich möchte etwas machen das eigenständig ist, das für sich steht, das für sich erkennbar ist, bei dem man hinhört und sagt: „Hey, das scheint ein Yaneq-Bass zu sein.“, und nicht: „Yaneq macht das ganz gut, aber klingt wie Punkt Punkt Punkt und ferner liefen aus Amerika“, so wie viele Rapper sich einfach ihren Lieblingsrapper aus Amerika übersetzen. Ich wollte mein eigenes Ding machen, auch auf die Gefahr hin, Leute zu provozieren. Ich habe das nicht gemacht, um die Leute zu provozieren, die ein bisschen narrow mindeter sind und ein bisschen beschränkter, aber ich wusste, dass es Leute provozieren wird. Im Grunde genommen bin ich jetzt, wo die ganzen Reviews rauskommen und mir die Juice und die HipHopPresse alle ganz positive Reviews schreiben, ganz beruhigt. Ich war schon auf Kampf eingestellt: „Na dann kommt doch her ihr kleinen Spießer!“ Aber anscheinend sind die Leute doch nicht so spießig,wie ich befürchtet hatte und es verstehen relativ viele Leute.

rap.de: Noch mal zu der Text-Sache. Für mich war das so, dass man deine Platte wirklich hören muss und auch noch mal hören muss, um die Aussage wirklich zu kriegen. Wenn man sich zum Beispiel deinen Tune ‚Kampf der Geschlechter’ anhört und das dann wiederum mit gängigen HipHop-Klischees vergleicht, wird dieses Frau/Mann Ding im HipHop ja normalerweise sehr simpel abgehandelt. Deswegen bin ich auf die Idee gekommen, dass es dir vielleicht ein Anliegen ist, mehr Message zu vermitteln, nach Außen zu treten und du am Ende vielleicht sogar ein bisschen angekotzt bist, von der deutschen HipHop Szene wie sie im Moment existiert.

Yaneq: Hm. Das nehme ich natürlich gerne als Kompliment, dass man da ein paar Mal hinhören muss, um den Text zu kriegen und so weiter. Bei ‚Kampf der Geschlechter’ passiert ja in der Hook etwas anderes als in den Strophen, weil die Hookline ist ja „Ich will nur dich Baaaaby“ (singt) und ist Vordergründig  so ein R’n’B-Ding. Ich habe mich da auch von der Gesangsmelodie von R’n’B inspirieren lassen, um es möglichst einfach zu machen. Die Strophe geht ja tatatata, mit abstrakteren, versetzteren Flows, wo das Reimschema unterbrochen wird und so weiter, wo halt auch so ein Wust von Info kommt.

rap.de: Das hat immer so diesen Effekt: „Was hat er jetzt gesagt?“ und dann zurückspulen und noch mal anhören.

Yaneq: Na das ist doch super, wenn Sachen hängen bleiben. Das finde ich geil, vielen Dank. Wenn es den Effekt hat, dann freut mich das sehr. Es ist das Geilste, was man so mit einem Text erreichen kann, das man ein Stück nur wegen des Textes ein paar Mal anhören muss und kann und sollte. Aber ich schreibe natürlich nicht so, weil ich von deutschem Rap genervt bin oder da Sachen Scheiße finde. Natürlich bin ich von einigen Sachen genervt, bzw. ich kann gar nicht sagen, dass ich da genervt bin, weil ich höre dann einfach nicht hin. Ich höre nur Musik, die mich interessiert und andere Musik muss ich gar nicht groß negativ kommentieren, außer vielleicht Tokio Hotel und keine Ahnung. Ich bin 33 Jahre alt und habe gar nicht mehr so viel Wut in mir wie ich mit 17 hatte. Ich muss keine Sachen mehr kommentieren, die ich Scheiße finde, weil ich mir diese Sachen nicht anhöre. Ich beziehe mich lieber positiv auf Sachen. Ich wollte einfach mein Ding machen und deswegen ist das vielleicht auch anders als der Rest der ‚Rapublik’. Ich bin ja auch ein anderer Typ, jeder ist ein anderer Typ und ich orientiere mich auch an keinem anderen. Ich schreibe Raps und Lyrics nicht aus handwerklichen Gründen, weil man jetzt mit so und so vielen Silben reimt und die und die Flows hat, da bekomme ich Trends und Tendenzen vielleicht mit, aber ich schreibe nicht um da mitzumachen, sondern um mich auszudrücken, einfach was zu erzählen. Das tue ich und es kommt ja auch ganz unterschiedlich raus. Es gibt halt dieses ‚Kampf der Geschlechter’ mit eher abstrakten Flows. Dann gibt es ‚HipHop Elektroparty’. Das ist ganz einfach und simpel. Dann gibt es ‚Ich lebe in den Tag’. Das ist eher klassischer Rap, es sind halt unterschiedliche Sachen dabei, weil ich halt unterschiedliche Beats und unterschiedliche Stimmungen habe. Ich gehe aber schon stark nach dem Beat, weil ich auf den Beat drauf schreibe.

rap.de: Was mich bei dir wirklich interessieren würde, was wäre die Empfehlung einer Platte an jüngere HipHop-Konsumenten?

Yaneq: Was kann ich Leuten empfehlen? Ich habe immer gerne Musik gehört. Einer meiner All Time Favourites ist ‚36 Chambers’ vom Wu-Tang Clan, das erste Album. Auf den späteren Alben hatte RZA ja dann richtig produzieren gelernt und irgendwie haben sie dann nicht mehr richtig die Eier gehabt. ‚Wu Tang Forever’ hat das dann noch mal umgedreht und so weiter, aber die erste war echt der Knüller. Ich liebe ‚Doctor Octagon’ von Kool Keith, weil Kool Keith halt auch so ein Typ ist, der macht was er will und sich von niemanden was erzählen lässt und so weiter. Der ist halt sowohl in New York, als auch jetzt an der Westküste ein Freak, der ist überall ein Freak und macht einfach sein Ding. Das finde ich bewundernswert. Afrika Bambaataa ist natürlich auch großartig. ‚Planet Rock’ und ähnliche Lieder sind einfach Klassiker, weil diese Platte halt nicht nur ein Grundstein für die HipHop Kultur, sondern auch für diese Elektro-Kultur war, von der ich ja auch beeinflusst bin und die ich ja auch cool finde. Das sind ja dann schon Mal drei (Pause). Und die erste Platte von ‚Trio’, der alten Neue Deutsche Welle Band. Genial. Man muss schon ein bisschen Rock verstehen oder ein Herz für Rock haben, aber das ist die beste Art auf die man Musik machen kann, ganz ganz simpel, und mit unglaublich genialen Texten…. Die erste Trio Platte werde ich mein Leben lang lieben.

rap.de: Hast du die?

Yaneq: Ja klar.

rap.de: Was ich vorher gar nicht von dir wusste ist, dass du ein Buch geschrieben hast.

Yaneq: Anderthalb sogar schon.

rap.de: Was heißt denn anderthalb? Das Zweite wird gerade geschrieben oder was?

Yaneq: Nee, ich habe einen Fotoband mit einem Fotografen herausgegeben. Mika Väisänen heißt der als Fotograf. Der hat acht Jahre lang in Deutschland und auch in den USA, aber vor allem für deutsche Magazine, Plattenlabels und so weiter HipHop fotografiert. Mit dem habe ich ein Buch gemacht, in dem überall seine Fotos drin sind und wir haben das Konzept zusammen geschrieben, ich habe das Vorwort geschrieben die ganzen Texte dazu gemacht, insofern halt noch ein halbes Buch. Ansonsten habe ich ein Buch geschrieben über amerikanischen Rap. Allerdings jetzt kein Geschichtsbuch, also Fakten „dann kam die Band, dann kam die Band, dann kam die Band“, sondern ich habe Soziologie und Politik studiert und habe dann in politischer Theorie meine Diplomarbeit eingereicht. Über HipHop. Das war insofern ganz gut, als dass ich eigentlich eher so der Typ bin, der sein Studium abbricht. Ich habe halt angefangen zu studieren, weil ich mich immer sehr für Politik interessiert habe und so ein paar Fragen offen hatte als junger Mensch, der ich ja nicht mehr bin. Und dann bin ich halt echt mehr der Typ der sein Studium abbricht. Aber dann kam mir dieses tolle HipHop-Thema in den Kopf und deswegen habe ich es dann durchgezogen.

rap.de: Worum geht es in dem Buch?

Yaneq: In dem Buch geht es um HipHop und Identitäten, um Identitätstheorien, also was ist Kollektivitätsidentität in einem rassistischen System wie den USA, wo halt die Minderheitengruppe, was die Schwarzen da sind, die kollektive Identität der Mehrheitsgruppe, den Weißen, zugeschrieben kriegt. Also: der Neger ist faul, macht aber ganz gut Musik, ist gut im Sport, hat einen dicken Schwanz und ist loyal, aber neigt auch zur Gewalt und Ghetto oder was auch immer die Klischees sind. Da war meine These: das HipHop für die jüngeren Afro-Amis halt das Medium ist, über das sie sich die Definitionsmacht über das was kollektive Identität ist, selbst aneignen. Ein Beispiel ist, dass sie den Begriff Nigger umdrehen, ein Schimpfwort das gegen sie gewendet war, mit dem sie einen Diskurs etablieren, mit dem sie dieses Wort so sehr umdrehen können, dass es halt auf einmal eine Ehrenbezeugung ist. So wie KRS-One sagt: „Now we got white Kids callin’ themselves Niggers!” Solche Sachen habe ich da untersucht und das dann halt noch mal nachdem ich das Diplom gemacht habe umgeschrieben, noch mal so ein bisschen den Uni-Slang rausgeholt. Es ist natürlich immer noch ein wissenschaftliches Buch, aber es ist nicht mehr so umständlich.

rap.de: Das heißt aus deiner Sicht ist ein Rap von 50 Cent genauso wichtig, wie einer von Dead Prez? Diese Diskussion ist gerade bei uns in den Kommentaren viel zu lesen: Der eine hat nichts zu sagen und macht nur auf Gangster, andere kommen mit der großen Message, die wiederum nicht verstanden wird…und so weiter.

Yaneq: Das ist vielschichtig. Also zum Einen ist es natürlich so das Public Enemy oder Dead Prez in ihren Texten viel mehr über Politisches oder Soziales reden als das 50 Cent tut. Wenn man sich auf der anderen Seite die Zeit anguckt in der Public Enemy populär war, war das ne Zeit in der alle möglichen Bands sehr, sehr ähnlich waren, da gab es diese ganze Concious-Welle, da gab es Jungle Brothers, alle Leute hatten diese Afrika-Amulette. Das war eine Zeit in der politischer Rap ganz groß war. Dieses ganze Gangster-Zeug kam erst hinterher. Ich glaube aber, auch wenn ich von politischer Musik beeinflusst bin, das man am Ende aus einem Text von 50 Cent oder Ice-T oder Tupac genauso viel über die Zeit und das gesellschaftliche System und so weiter rauslesen kann, wie aus einem Public Enemy-Text. Natürlich machen Dead Prez oder Public Enemy oder Paris oder solche Leute, oder ich auch zum Teil, in ihren Texten das direkt und explizit, aber wenn du nur über Money, Hoes, Bitches und so redest, über deine breiten Felgen und darüber, was du dir gerade wieder für Schmuck gekauft hast, dann bist du halt affirmativ zu dem System. Dann sagst du halt: „Ich lebe in einem materialistischen System und ich finde das geil. Und ich möchte in diesem materialistischen System, in dem alle gegen alle kämpfen, da möchte ich am Ende des Kampfes der Sieger sein, weil ich nur Sieger respektieren kann.“ Natürlich würde ich persönlich mich viel eher hinter eine Aussage von Dead Prez als von 50 Cent stellen, aber ich glaube man kann aus beiden Texten gleich viel herauslesen. Es ist sicherlich zu einfach geguckt wenn man sagt: „Yo. Die äußern sich politisch, deswegen ist in deren Text mehr drin.“ Man kann aus jedem Text, auch aus einem HeinoText oder dem letzten ZDF-Schlager-Text genauso viel rausholen wie…..keine Ahnung. Wer macht politische Musik in Deutschland? (Pause) Yaneq! (lacht) Es ist nur eine künstlerische Entscheidung was dein Material ist. Gerade die ganze Musik, die das alles wegleugnet, da erzählt ja allein dieses Wegleugnen eine ganze Menge darüber, was Sache ist, man müsste das nur analysieren.

rap.de: Nichtsdestotrotz, würdest du dir mehr Tiefgang in der deutschen Rapszene wünschen?

Yaneq: Auch wieder so eine schwierige Frage. Also ich sage mal so: Wenn ich tanzen gehe und angetrunken bin und mit ein paar Leuten mit dem Popo wackeln will, dann höre ich mir auch Public Enemy oder Paris an, weil man zu wütender politischer Musik geil rumtollen kann. Hm. Die Frage würde erst Mal voraussetzen, dass die deutsche Rapszene total flach ist.

rap.de: Was sagst du? Ist sie das?

Yaneq
: Ich setze mich im Moment gar nicht so stark mit der deutschen Rapszene auseinander, als das ich das wirklich wüsste. Ich glaube es werden extrem viele Klischees verbraten. Es gibt Leute, die sind originell, zu den Leuten zähle ich unter anderem auch Sido, auf den man ständig angesprochen wird von Leuten außerhalb der Rapszene. Und ich hab überhaupt nichts gegen Sido, Sido is ein intelligenter Kerl, der ironische Texte schreibt.

rap.de: Ist er tatsächlich.

Yaneq: Ja, er ist wirklich ein netter Kerl, der ironische Texte schreibt. Da gibt es überhaupt nichts zu sagen. Und ich finde ironische Texte haben auch immer Tiefgang. Ich finde Sido erzählt eine ganze Menge über Deutschland, wie es heute aussieht. Dann gibt es was diese ganzen Mitläufer immer machen, die die vorgestern Savas imitiert haben und davor Samy imitiert haben und heute Sido imitieren oder was weiß ich, wer gerade das Imitiervorbild ist…was die Mitläufer machen interessiert mich nicht. Ich würde mir mehr Originalität für die deutsche Rapszene wünschen. Ich habe zum Beispiel zum Einen beobachtet, was ich gerade mit Realness erzählt habe: Sich anziehen wie irgendwas in Amerika, was in Amerika vielleicht real ist und alle einen Sound machen wollen wie in Amerika und alle durch einen Slang eins zu eins übersetzen wie in Amerika und das dann imitieren und von Realness sprechen. Das ist doch dann nicht real für die hiesigen Verhältnisse. Ich würde es begrüßen, wenn die Leute einfach ehrlicher mit ihrer eigenen Herkunft umgehen, also jetzt natürlich nicht nen deutschen National-HipHop machen, sondern deutschen HipHop in dem Sinne, dass sie nicht versuchen irgendetwas nachzumachen. Das hat was mit dem Sound zu tun, das hat was mit den Texten zu tun und das hat was mit dem Gehabe zu tun, mit der Attitüde. Also wenn man mich fragt was ich mir wünschen würde, ich würde mir das wünschen. Ich habe zum Beispiel mal in einer Hamburger HipHop-Zeitung die Reviews gelesen(ohne Namen zu nennen), die sich immer beschwert hat, dass es keinen „deutschen“ Sound gibt, so wie es einen französischen oder amerikanischen Sound gibt. Wenn ich mir die Reviews in dem Heft angucke, dann sind sie die, die immer alles was möglichst erfolgreich und professionell, also im Sinne von handwerklich gut gemacht, bzw. amerikakopiert, die, denen sie viele Punkte geben. Während die, die etwas Eigenes machen, die sich da etwas Eigenes zusammenwurschteln, über die wird sich dann lustig gemacht. Insofern kann ich nur sagen: „Kein Wunder.“ Dann dürft ihr euch auch nicht beschweren, dass es keinen deutschen Sound gibt. Also ich würde mir einfach mehr Originalität wünschen und ich denke, dann würde deutscher Rap auch sehr viel ernster genommen werden.

rap.de: Lass uns doch mal zu deinem Ausstellungsprojekt kommen und zu der Tatsache, dass du vielleicht auf den ersten Blick gar nicht so straight HipHop bist, aber am Ende des Tages durch die Verwirklichung solcher Projekte viel mehr HipHop, im Bezug auf die Elemente, bist als viele wahrnehmen. Erzähl.

Yaneq: Also ich mache jetzt hier gerade in Kreuzberg ein halbjähriges Projekt. Das nennt sich  ‚Party Arty Gallerie’. Das ist hervorgegangen aus einer Partyreihe, die ich seit drei Jahren im Lovelight mache. Das ist ein Berliner Club, ein schöner, versteckter Hinterhofclub und die Party heißt ‚Party Arty’ und wir haben jetzt 18 Partys gemacht. Der Untertitel ist ‚A night with vibes from different tribes’ wo wir immer ein Livekonzert, drei bis vier DJs, eine Kunstausstellung und ein Spoken Word hatten. Künstler aus allen Stilrichtungen, DJs, die HipHop auflegen, die Funk auflegen und Soul auflegen, die Reggae auflegen, die Elektro auflegen, die zum Teil Elektro mit Punkeinflüssen auflegen, da geht einfach alles durcheinander und du weißt nie was dich erwartet. Wir haben uns da über die Zeit ein Publikum aufgebaut, was relativ openminded ist und inzwischen sind die Partys immer voll, weil die Leute wissen, es wird immer geil. Aber sie wissen nie, was passieren wird. So. Auf diesen Partys haben die Künstler halt immer eine Ausstellung aufgebaut, in die sie die gleiche Energie reingesteckt haben wie in eine richtige Ausstellung für mehrere Wochen. Sie haben aber nur für eine Nacht ausgestellt und der Hauptschwerpunkt der Partys lag immer auf der Musik. Jetzt haben wir uns nach drei Jahren gesagt: „Lass uns das doch mal umdrehen.“ Jetzt geben wir den ganzen Künstlern, die bei uns schon einmal ausgestellt haben, ein halbes Jahr lang die Möglichkeit länger auszustellen. Immer drei Wochen lang, dann ein, zwei Wochen Umbaupause und jeden dritten Freitag im Monat war dann Vernissage, Viereinhalb Monate sind jetzt rum, anderthalb kommen noch, dann ist das abgeschlossen. Und auch hier hatten wir halt ‚From different tribes’ also Leute, die aus der Streetart kamen und Streetart sind, angefangen bei Poet, der ja seit 20 Jahren Kreuzberg zubombt und viele Leute angelernt hat, überall in Berlin und vor allem halt in Kreuzberg zu sehen ist. Dann Nomad, der ein Überkünstler ist und viel in Prenzlauerberg gemalt hat und aber auch in der ganzen Stadt ist. Die haben beide ihre eigene Sprache in Formen und Bildern und so weiter erfunden, machen absolut geniale Sachen. Bis hin zu Leuten, die Kunst studiert haben und ganz andere Bilder malen, die klassisch Öl auf Leinwand malen oder abstrakte Bilder, Leute die Holzschnitte machen und so weiter. Das Motto ist immer „Kunst ist keine Demokratie, Kunst ist eine Diktatur und ich, Yaneq, bin hier Diktator.“ Mein Geschmack entscheidet, wer ausstellen darf. Wer also von mir officially pimped ist, darf dann Party Arty-Künstler sein und darf dann an diesen ganzen anderen geilen Projekten mitwirken.


rap.de
: Erzähl doch mal mehr über diese ‚Projekte‘.

Das mit der Gallerie war super. Wir haben da jetzt Monat für Monat eine neue Ausstellung gemacht, immer als Battle inszeniert. Immer Zwei gegeneinander. Nomad gegen Poet, der Streetart Battle, Ziska, die halt auch Comics malt, gegen Chérie von Warren Suicide, den Battle der malenden Musikerinnen. Dann Freunde von mir aus Dresden, die heißen Höxter vs. Großstadt, Ein-Mann-gegen-zwei-Frauen-Battle oder Mann gegen Frau, der Urbattle. Dann der Teambattle von Neosion, das sind die Jungs, die 99rooms.com gemacht haben, gegen Schiller 34, hinter denen sich Dejavue Crew, der Eine oder Andere wird sie noch kennen, verstecken. Jetzt der Battle Punkrock gegen HipHop, Christoph Krönke vs. Colourbox Eliot. War supergeil, wir haben damit extrem viel Aufmerksamkeit bekommen, auch was Presse angeht. Ich war vorher immer bemüht die Party Artys nicht an die große Glocke zu hängen. Ich habe immer nur 800 Flyer gemacht, immer nur schwarzweiß auf Pappe kopiert, alles low aussehen lassen, immer nur coolen Typen und schönen Frauen gegeben, nirgendwo ausliegen lassen, immer nur persönlich irgendwelchen Leuten gegeben. So das es halt nicht zu schnell wachsen musste, dass es einen charmanten Hype hatte. Jetzt haben wir diese Galerie gemacht und nächstes Jahr wird es Endprojekte damit geben. Da werden wir das Festival am See machen, wo alle Bands die auf den Party Artys gespielt haben, alle DJs, drei Tage am See feiern, das heißt dann ‚Party Arty Safari’. In dieser Gallery haben wir die ganze Zeit Partys umsonst gemacht, immer nur über eine Verteilerstruktur gearbeitet, nicht mit Flyern, nur mit Mund zu Mund Propaganda und es ist so geil Partys umsonst zu machen. Bei der Ausstellung Ziska gegen Chérie, beim Bilderaufhängen meinte Nackt, der Mitmusiker von Chérie, zum Beispiel: „Sag mal, wollen wir nicht ein Festival hier unten machen. Nur mit befreundeten Bands und DJs?“ Hab ich gesagt: „Ja ist ne gute Idee. Wann denn?“ Sagt er: „In zehn Tagen, da sind wir für vier Tage in Berlin, da könnten wir das machen.“ Und alle, die wir angerufen haben meinten „Wie? Kein Eintritt? Keine Gage? In zehn Tagen? Da sind wir doch dabei…“ und wir mussten keinen überreden, egal ob großer Name, kleiner Name. Wir haben dann von Mark Hype und Jim Dunloop über The Tape vs RQM, also mehr so HipHoppige Sachen über Elektro, da waren TokTok, bis über Gods of Blitz, die im Punkrock angesagt sind. Wir hatten da über 50 Künstler, Bands und so weiter. Ich kann jetzt nicht alle aufzählen. Die haben da gespielt, die Leute haben miteinander gejammed und ich habe den Drummer von Warren Suicide bei Mark Hype und Jim Dunloop an das Schlagzeug gestellt. Leute sind quer aufeinander eingestiegen ohne das das abgesprochen war. Die unglaublichsten Sachen sind da passiert. Uns ist der Laden aus allen Nähten geplatzt. Du hast als Veranstalter halt keinen Stress, wenn du keinen Eintritt nimmst, da Motto war ‚Ohne Geld die Welt verändern’ und dazu haben wir definitiv einen wichtigen Grundstein gelegt.

rap.de: Findest du, du bist jemand, der in gewisser Art und Weise einen Lehrauftrag hat?

Yaneq: Nö.

rap.de: Nö.

Yaneq: Nö. Ich habe einen Rockauftrag. Ich muss die Welt rocken. Nee, Lehrauftrag wäre zu pädagogisch. Ich hoffe auch, ich stehe nicht mit erhobenem Zeigefinger da.

rap.de: Lehrauftrag muss ja nicht negativ behaftet sein. Ich meinte eher, dass du ja nun auch schon eine ganze Weile dabei bist und deswegen viel gesehen, viel gehört hast, viele Entwicklungen beobachtet hast und jetzt vielleicht durch verschiedenste Aktivitäten die Sache an sich weiter nach Außen tragen willst.

Yaneq: Nach Außen tragen, klar, da bin ich immer dabei, aber Lehrauftrag…ich habe einen Flaschen-und-Rumflaschen-leeren-Lehrauftrag. Nee. Was ich weiß, ist natürlich frei. Wenn da jemand etwas von abhaben will, natürlich gerne. Ich habe meine Ideen ja auch nur aus Eindrücken und Einflüssen, wo auch immer diese ganzen komischen Ideen halt herkommen. Aber ich bin ja nicht das super Individuum, dass sich irgendwelche Sachen ausdenkt. Alles, was man Inspiration nennt, wurde ja nun als Samen irgendwie in dein Hirn reingelegt bis es dann ‚Pup’ macht und dann ist da ne Pflanze und das ist dann deine Idee. Und du denkst: „Boah, meine geile Idee, ich bin das super Individuum! Die hat kein anderer gehabt!“ Tatsächlich haben aber diese gleiche Idee viele andere Leute auch auf der Welt. Da braucht man sich gar nichts einbilden. Aber ich will einen Rockauftrag haben, ich will die Menschen rocken. Ich will, dass die Leute zu meinen Konzerten kommen, mit mir schwitzen, richtig dreckig abrocken und hinterher mit mir richtig feiern, das will ich. Ich will, dass die Leute zu unseren Lesungen kommen, sich unsere Texte anhören und lachen oder denken: „Ja man, endlich sagt das Einer!“, oder „Das finde ich auch. So isses!“ Ich will, dass die Leute ihren Arsch hochkriegen, was sie ja auch tun. Die wunderschöne Welt ist ja gleichzeitig auch eine total beschissene Welt, das ist ein ewiger Zustand und da müssen halt alle Leute ohne Unterlass dran arbeiten, dass diese Welt eine wunderschöne Welt bleibt und das Beschissene zurückgedrängt wird. Auch wenn das nie komplett gelingen wird und es immer eine Yin und Yang-Welt bleiben wird, wird unser Yin Auftrag sein, den Yang zurück zu drängen und das geht nur mittels Rock.

rap.de: Glaubst du, dass das Stigma, was Berlin im Deutschrap aufgedrückt bekommen hat in den letzten Jahren, sich irgendwann wieder auflösen wird? Hast du Angst mit dem Bild, was viele von der Berliner HipHop Szene im Kopf haben, in einen Topf geschmissen zu werden?

Yaneq: Zum Teil passiert das unweigerlich, klar. Es gibt zum Beispiel eine witzige Geschichte mit Freaky Floe, mit dem ich vor zwei Jahren das Album ‚Nachts Draussen’ gemacht habe. Mit dem ich zusammen nach Bremen gefahren bin, um da ein Konzert zu spielen. Wir sind dann aus dem Auto ausgestiegen und es kam einer auf uns zu: „Ey, ihr seid die Rapper aus Berlin oder was?“ und wir „Ja“ und er „Ich mach auch Berliner Rap.“ Und wir: „Wie du machst auch Berliner Rap, bist du auch aus Berlin oder was?“ „Nee, ich bin hier aus Bremen.“ „Wie machst du dann Berliner Rap?“ „Ja, na mehr so aggro und so, weißt du?“ und wir: „Ach so. Na ja, wir sind nicht so aggro, weißt du.“ Aber insofern kriegt man das sowieso aufgedrückt. Ich glaube nicht, dass jemand, der sich meine Musik oder Texte anhört, dem Missverständnis unterliegen kann, dass ich irgendwie etwas mit diesem Stigma zu tun habe. Im Gegenteil. Wenn man die Reviews liest, heißt es immer: „Endlich macht mal einer was anders! Endlich traut sich mal einer die Formate zu verlassen“ und so weiter. Das ist halt kein ‚trauen‘. Ich war ja nie in einem Format drin. Ich merke halt bloß leider, dass man an gewisse Leute nicht rankommt. Zum Beispiel Leute aus der Elektro-Szene, bei denen ich denke, eigentlich müssten die ja meinen Sound auch geil finden und an die kommt man aber nicht ran, weil die immer denken: „Ihh HipHop!". Oldschool-Rap hören die sich dann gerne an.

rap.de: Aber es gab ja schon Sido zusammen mit Tomcraft.

Yaneq: Ach so. Aber Tomcraft ist schon eher so ein kommerzieller Techno-DJ, oder? Also ich kenne den nicht, ich will jetzt nichts Falsches sagen. Ja, Sido macht das auch, Sido erzählt ja schon die ganze Zeit, dass er Drogen nimmt und lieber raven geht als auf eine HipHop-Party (lacht). Finde ich auch sehr sympathisch und lustig. Er provoziert halt auch diese Kleingeister. Das finde ich lustig an ihm. Er macht halt etwas ganz Anderes als ich, aber ich finde ihn lustig. Nee, da merkt man immer, dass da die Leute immer so Berührungsängste haben und das finde ich halt schade. Es zeigt halt, dass auch in dieser Szene Leute mit Scheuklappen rumlaufen. Es ist also definitiv nicht nur ein Problem der HipHop-Szene, diese Leute mit Scheuklappen. Ich habe mich irgendwann in den Neunzigern von der Punkrock-Szene verabschiedet und nur noch HipHop gehört, jahrelang, weil da auch Leute Scheuklappen hatten in der Punkrock-Szene. Ich dachte. „Wat? Ihr wollt Punk sein? Ihr wollt die Super Rebells sein und habt mehr Regeln als eure spießigen Eltern?“ Und alle: „Wie du hörst ja HipHop oder was, du trägst ja ’ne Goldkette oder was?“ und ich: „Ja Alter, ick hör HipHop und Punk, ick hör Dead Kennedy und Public Enemy, Alter, und wenn du auf meine Goldkette nicht klarkommst, dann bist du nicht Punk. Dann bist du ein Spießer.“ Und diesen Leuten begegnet man in jeder Szene. Das ist schade, aber das sind dann halt Leute, die in Klischees denken und sagen „Ihh Berliner HipHop“ und mal abgesehen davon, hab ich in den letzten Jahren geile Projekte mit geilen Elektromusikern zusammen gemacht, die dieses Problem überhaupt nicht hatten, die es als Bereicherung empfinden, wenn ich da was auf Deutsch drüber mache. Gibt es alles. Nein, ich hab keine Angst, dass mir das Stigma ‚Berliner Rap‘ aufgedrückt wird. Was noch zu deiner Frage zu sagen ist, das alles ein Anfang und ein Ende hat, nur die Wurst hat zwei. Dieses Format mit dem Hamburg mal HipHop gemacht hat, funktioniert auch nicht mehr, die waren mal groß. Jan Delay funktioniert ja auch nur noch, weil er andere Sachen macht und Deichkind, weil sie andere Sachen machen und so weiter. Wenn du dir anguckst, was Berliner HipHop ausmacht, wie der jetzt wahrgenommen wird, das hat ja mit Royalbunker und Kool Savas angefangen, vielleicht sogar mit diesem einen Track auf dem Plattenpapzt-Album. „King of Rap“ war ein gutes Lied und auf einmal hat ganz Rapdeutschland das mitgekriegt. Dann wussten die AGGROLeute, dass wenn du da Erfolg haben willst, dann müssen wir jetzt doppelt so hart sein wie Savas. Also haben die diesen Step gemacht und die Leute haben gedacht: „Uuuhhh!“ Und jetzt gibt es andere Labels, die sind jetzt noch mal doppelt so hart wie AGGRO, aber das kann man nur bis zu einem gewissen Grad potenzieren, wie hart willst du noch sein? Es gibt in Dessau jetzt irgendwie so Leute, die machen Nazi-Rap und schicken Leute ins Gas, weil der Nazi ist das Härteste. Du kannst nicht härter sein als ein Nazi, der ist das ultimative Übel. Also zuerst kommt Satan und dann kommen die Nazis. Noch übler geht es nicht und wenn das schon gemacht ist, wo willst du dann noch hingehen? Ende des Astes. Das heißt künstlerisch ist dieses Format auf eine Art dann auch durch. Du kannst ja nicht noch härter sein. Das wird ja langweilig. Rap erfindet sich doch alle drei, vier, fünf Jahre neu. Keine Ahnung wann diese Zeit für Berlin rum ist, ich bin kein Prophet. Ist mir auch egal, ich mache meinen eigenen Shit, vielleicht ist ja sogar mein Shit der nächste, wer weiß? (lacht)

rap.de: Schönes Schlusswort.