Wer kennt sie nicht: Alben-Titel, welche den geneigten Hörer im langweiligen Zusammenspiel mit einem mehr oder minder nichtssagenden Cover gähnend und ratlosen Blickes zurücklassen. Morlockk Dilemma und Sylabil Spill liefern den exakten Gegenentwurf zu diesem lästigen optischen Ratespiel ab. „Roh.kalt“, die in gemeinsamer Arbeit mit dem Kölner Produzenten Hubert Daviz eingespielte und über ENTBS aufs Volk losgelassene akustische Nackenschelle der beiden entsicherten Verbal-Uzis lässt bereits beim ersten Blick auf die Platte keinerlei Fragen offen. Zwei augenscheinlich übel gelaunte Rapper, im Comic-Stil gezeichnet. Es scheint, als stürmten sie direkt aus dem in flashigen Farben ersaufenden Moloch der Großstadt mit futuristischer Mikrofon-Knarre im Anschlag direkt in die Wohnstube des gemeinen Whackrappers, um eine Eissäule zu spucken, welche so oft und schwungvoll über die New-York Mütze geklatscht wird, bis die Luft von gefrorenem Staub geschwängert zu glitzern beginnt. Brachial. Brutal. Berserkerhaft: Roh. Kalt. Kalt, bestes und leider Gottes extrem passendes Stichwort. Bei gefühlten 20 Grad unter Null treffe ich die beiden an einem zwar sonnigen, allerdings lebensfeindlich kalten Samstag Mittag vor einem beschaulichen Dönergrill in Berlin-Kreuzberg.
rap.de: Erstmal vielen Dank für das „roh.kalt“-Rezensionsexemplar auf Vinyl.
Morlockk Dilemma: Das war der Pütz. Ich hatte dem Pütz gesagt er soll euch was schicken…
rap.de: Und du hattest explizit gesagt „Schick das denen mal auf Vinyl“?
Morlockk Dilemma: Nein, das Album gibt es tatsächlich nur auf Vinyl und eben digital…und bevor wir da einfach einen Link schicken und das Album dann irgendwie im Netz auftaucht. Da isses dann doch einfacher, eine Platte zu schicken.
rap.de: Einfacher bestimmt, klar! Nach Auspacken der Platte hatte ich allerdings doch gedacht: „Okay, ist jetzt ne gehörige Portion Glück dabei, das die Platte zufällig bei mir landet!“ Hat ja nicht unbedingt jeder einen Plattenspieler rumstehn…Was war denn die Motivation, „roh.kalt“ nicht auf CD zu releasen?
Morlockk Dilemma: Platte ist schöner.
rap.de: Das steht außer Frage, ja. Kann aber kaum das einzige Argument sein, oder? Ist es eurer Zielgruppe geschuldet? Nostalgische Motivation?
Morlockk Dilemma: Naja, also Spill und ich, wir sind ja beide Plattenliebhaber. Und das Cover ist wirklich sehr sehr schön geworden (an dieser Stelle Grüße an den Maze!), da wäre es einfach schade gewesen, das Album nur auf CD zu veröffentlichen. Dieses Großformatige macht dann doch deutlich mehr her. Das „Warum nicht AUCH auf CD“, ist dann eher eine Labelfrage. Da haben wir uns als Künstler eher weniger mit beschäftigt.
Sylabil Spill: Wir releasen in erster Linie auf Platte, weil eine Platte ja auch gewissermaßen eine Zeitcollage ist. Eine CD verliert an Wert, bzw lässt sich auch einfach zu leicht verlieren. Das ist erstmal der Nicht-Business-Aspekt. Wirtschaftlich gesehen hat man bei CDs halt immer diese lästigen Rückläufe. Das ist für Indielabels dann schon echt unangenehm, weil es einem auch ein wenig die Planungssicherheit nimmt. Du kannst einfach nicht in vollem Umfang releasen. Bei Platten ist dieses Phänomen außer Kraft gesetzt. Du bringst sie raus, die Vertriebe nehmen sie dir ab, fertig.
Morlockk Dilemma: Auf der anderen Seite ist es ja auch ein wenig so, dass man die Käufer auch ein Stück weit „erziehen“ will. Ich bin ja nun auch keiner, der mit 15 angefangen hat sich eine Plattensammlung anzulegen.
rap.de: Du hast geerbt, ne? Hattest du mir ja damals auf der Juice-Party erzählt, als wir uns eine gute halbe Stunde über Ost-Rock und Amiga-Platten unterhalten haben….
Morlockk Dilemma: Ja. Ich habe von meinem Vater eine ordentliche Sammlung mit Jazz und früher Elektronischer Musik und allerlei Ost-Kram geerbt. Ich hatte natürlich schon die Ein oder Andere HipHop Platte. Es gab dann allerdings auch mal eine Zeit, in der ich etwa 5 Jahre lang keine einzige Platte gekauft habe. Das kommt jetzt quasi erst wieder zurück. Ich bin sozusagen gar nicht unbedingt der verkopfte Fetischist, ich möchte den Leuten einfach nur zu verstehen geben: „Glaubt mir! Es IST cooler Platten zu kaufen!“ Das hat auch wirklich null mit irgendeiner Hipsterscheiße zu tun.
rap.de: Ja, gut. Dass ihr nicht der Hipness wegen Platten herausbringt, versteht sich denke ich von selber…
Morlockk Dilemma: Ja, bei uns sollte das klar sein. Sollen einfach alle so machen, wie sie wollen! Uns ist das egal. Es gibt auf jeden Fall wieder eine wachsende Schicht von Plattenkäufern. Vor 5 Jahren wäre es eventuell noch ein Risiko gewesen, aus Liebe zur Schallplatte auf Vinyl zu releasen. Da hätte man praktisch durch die CD Verkäufe die Plattenpressungen finanzieren müssen. Heutzutage ist das anders. Wir bringen ja bei Spoken View auch Platten und CDs raus. Teilweise ist es tatsächlich so, dass sich die Platten deutlich besser und einfacher verkaufen lassen als die CDs. Das läuft einfach deutlich runder mittlerweile…und ganz ehrlich: selbst wenn sich irgendwelche Hipster unsere Sachen auf Vinyl kaufen wollen, dann sollen sie es eben tun! Am Ende des Tages ist uns auch egal wer der Konsument ist, solange er die Musik schätzt und versteht.
rap.de: Ihr begrüßt also auch den gemeinen Hipster mit Handkuss in eurem Kundenstamm?
Morlockk Dilemma: Naja, „Hipster“ ist ja eh ein schwammiger Begriff. Wo fängt da die Definition genau an? Eventuell habe ich auch ein Bild von einem Hipster, das dem Hipster an sich gar nicht gerecht wird. Unterm Strich kann ich sagen: ich habe nichts gegen diese Leute…
rap.de: Sind ja auch meistens ganz nette Menschen… nur eben mit etwas fehlgeleitetem Geschmack.
Morlockk Dilemma: Ja, eben. Wenn jemand ein guter Mensch ist, kann er von mir aus auch Jeans tragen, die wie ein Taucheranzug anliegen. Mir ist das an sich egal. Jemand mit Timberland Boots und Baggyjeans kann ja auch ein krasser Wichser sein, von daher…