Herr Sorge also. Klar, Samy-Fans waren erstmal gelinde gesagt verwundert, als die ersten Pressefotos auftauchten. Vergleiche mit dem verrückten Hutmacher aus „Alice im Wunderland“ oder Willy Wonka aus „Charlie und die Schokoladenfabrik“ machten die Runde. Doch was steckt denn nun hinter dem Projekt, hinter dem Album „Verschwörungstheorien mit schönen Melodien“? rap.de traf Samy, nein, Herr Sorge zum Interview. Ein Gespräch über Images, Freiheit, Selbstdefinierung, Grenzüberschreitung und Kunst. Und sollte wider erwarten am heutigen 21. Dezember doch die Welt untergegangen sein – nicht so tragisch. Dafür sterben wir dann alle ein bisschen besser informiert. Ist doch auch was.
rap.de: Du hast jetzt auch dieses Outfit an, dass du dir für dieses Herr Sorge-Projekt ausgesucht hast. Ganz kurz: Sprech ich jetzt mit Samy Deluxe oder Herr Sorge? Also kann ich dir auch Samy-Fragen stellen?
Herr Sorge: Du kannst mir jede Art von Frage stellen.
rap.de: Das Kostüm, dass du dir für das Herr-Sorge-Projekt ausgesucht hast, hat ja für einige Reaktionen in der Rap-Szene gesorgt, darunter auch viel Spott und Häme. Hast du das erwartet?
Herr Sorge: Also ich meine, man kann sich mit gesundem Menschenverstand und 20 Jahren Karriere in der Öffentlichkeit schon ungefähr vorstellen, wie gerade Dogmaten innerhalb eines bestimmten Bereiches auf Sachen wie Schminke reagieren oder schwarze Fingernägel oder Autotune. Deshalb habe ich das quasi bewusst gemacht. Ich habs nicht gemacht, um zu provozieren, aber ich habe diese Stilmittel als wichtig empfunden, um meine künstlerische Vision durchzuziehen und war dann auch damit okay, dass einige Leute, die es nicht verstehen wollen, Sachen kategorisch gerne abstempeln und ihre Zeit sowieso gern damit verbringen, Sachen zu bewerten von anderen Leuten und darüber in irgendwelchen Foren zu diskutieren oder was für Plattformen auch immer. Die sind nicht wichtiger als mein Wunsch, einem künstlerischen Ausdruck Gehör zu verschaffen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da im Internet ziemlich viel verschiedener Kram steht, aber ich habe mir nichts angeguckt. Ich suche nicht danach, sondern umgebe mich mit den Leuten, die meine künstlerische Entwicklung verstehen und alle anderen Künstler, die ich treff – in letzter Zeit habe ich sehr viele Künstler getroffen – sind eher der wichtige Ausschlaggeber. Das sind andere Künstler, die ich auch interessant und gut finde. Was halten die davon – das ist eher das Feedback, von dem ich umgeben bin. In meiner Welt lieben alle Herr Sorge und seine Outfits. Und ich glaube, die anderen Leute sollten für mich auch nicht so extrem zählen.
rap.de: Was hat es denn mit der Verkleidung auf sich?
Herr Sorge: Es ist genau die optische Umsetzung von dem, wie ich die Musik sehe. Wenn man Musik macht und ein phantasievoller Mensch ist, dann hat man ja irgendwie auch Bilder im Kopf zu der Musik und das ist einfach so die Art, wie ich und das Team, mit dem ich es ausgearbeitet hab, das gefühlt haben. Und dementsprechend ist es für Herr Sorge keine Verkleidung. Herr Sorge ist eben auch nicht Samy Deluxe und das ist das, was die Leute eben auch checken müssen. Samy Deluxe ist jetzt nicht weg, weil es Herr Sorge gibt, ich hab bestimmt in der Zeit, wo irgendwelche HipHop-Dogmaten darüber diskutieren, dass ich jetzt Schminke trage, wahrscheinlich schwul bin und jetzt nur noch sing, hab ich wahrscheinlich mehr Rapsongs gemacht – also als Samy Deluxe – als alle Rapper zusammen gemacht haben. Weil ich eben so bin, ich mach eben mehr als die alle und ich bin besser als die alle, in was auch immer ich mach. Das ist einfach so eine Realität, mit der man irgendwann selbst umgehen muss, ob man sich jetzt zum Sklaven von irgendwelchen Erwartungen von Leuten macht, mit denen man am Ende eh nicht wirklich was zu tun haben will, weißt du?