Interview mit Romano: „Romano ist ein Party-Zug, in den die Leute einsteigen können, aber jederzeit auch wieder aus“

Interview: Luis Ammon & Chantal Freyer

Wir schreiben das Jahr 2017 und Rap ist vielseitiger als je zuvor. Unbeeindruckt von aktuellen musikalischen Trends gibt es einen kleinen Fleck auf der Landkarte Berlins, der wie einst bei Asterix & Obelix Widerstand leistet: Romanos Köpenick.
Grund genug, uns mit dem Künstler zu unterhalten, sei es über die Szene, Westcoast Classics, Kunstverständnis oder schlicht und ergreifend das Gefühl von Heimat. 

Deine Musik lässt sich nicht so einfach einem einzigen Genre zuordnen, wie würdest du sie in eigenen Worten beschreiben? 

Ich würde sie als elektronisch mit Elementen unterschiedlichster Musikrichtungen gemischt zu einem dicken Sirup beschreiben. Und ich würde sagen, es ist auch der gesammelte Wahnsinn meines Lebens. Das fängt beim Techno an, das geht über Schlager, HipHop-Einflüsse, das geht aber auch über die Einflüsse aus dem Soul, dem R&B, auch aus dem Metal natürlich. Es ist einfach eine bunte Mische, ein bunter Strauß Blumen, es ist alles dabei.

Gerade Deutschrap ist ja ein riesen Pool voller Ecken und Schlupflöcher. Wo würdest du dich da einordnen?

Nirgends. Für mich ist es so: Ich sehe mich auch nicht irgendeiner Szene zugehörig. Ich bin ich. „Szene“ ist ’ne Art der Sicherheit und es ist auch okay, wenn man eine Szene hat, in der man sich wohlfühlt und mit der man sich identifizieren kann. Und ich mag die unterschiedlichsten Musikrichtungen und höre im Auto zum Beispiel Klassikradio, gleichzeitig haue ich mir gerne ’ne Metal-CD rein. Ein gutes Beispiel sind auch meine Schlagerauftritte 2007/2008 in Eisleben, gleichzeitig gab es German-Based-Auftritte in Berlin. Das war für mich ganz normal, kein Problem. Ich finde es auch völlig legitim, wenn jemand sagt, dass das für ihn nicht geht. Für mich geht das. Ich nehm’s mir einfach raus. Wie ein kleines Kind – Ich mach’s einfach.

Es kommt oft vor, dass dieser Mix aus den vielen verschiedenen Musikrichtungen auf Inakzeptanz trifft, wie gehst du damit um? 

Ich glaube, der Oberbegriff ist einfach, ich mache Musik. Und nicht jedem kann es gefallen. Ich mache die Musik nicht, um den Menschen zu gefallen – in erster Linie. Kunst und Musik dürfen auch irritieren. Ich finde das auch wichtig, sonst sitzen wir auch alle fest und kommen nicht weiter. Für mich gibt es einfach keine „Hater“, es gibt bloß Leute, die verstehen es nicht. Ich habe in einem Song, der heißt „Ja, ich will“ drin: „Ich liebe dich, auch wenn du anti-alles bist. Du sagst, du magst mich nicht und trotzdem lieb‘ ich dich.“ Romano ist ein Party-Zug, in den die Leute einsteigen können, aber jederzeit auch wieder aus. Es gibt keinen Zwang. Steigt ein, wenn ihr das gut findet, ihr könnt auch wieder aussteigen, oder die ganze Strecke mitmachen.

Stichwort „Fans und Hater“ – Gibt es Deutschrap-Künstler, die du feierst und dir gern anhörst? 

Wen ich immer gut fand, das ist Haftbefehl. Das ist einfach was Besonderes. Yung Hurn ist auch besonders. Das wären die beiden, die mir jetzt auf Anhieb einfallen. Haftbefehls „Depressionen im Ghetto“ ist super. Ich hab das Hafti auch mal gesagt – ich hab ihn mal auf einem Konzert in Süddeutschland getroffen – ich finde das super.

Du beschreibst deine Musik als einen Strauß Blumen, der von vielen Seiten inspiriert wurde. Für uns von rap.de ist es natürlich interessant, ob es da auch aus dem HipHop-Bereich Künstler gibt, die deine Musik beeinflusst haben.

Anfang der 90er gab es da einige Künstler. Ich weiß noch, ich hab das erste Mal HipHop gehört auf dem Weg zu einer neuen Schule. Vor mir lief ein Typ mit so ’nem Hoodie, ’nem Armeerucksack, mit so ’ner Witboy Hose – war damals sehr populär. Der hat mir Public Enemy gezeigt. Und dann hab ich angefangen N.W.A. zu hören, dann später Ice Cube. Mir gefällt die Westküste auch besonders. Der Westküsten-HipHop ist smooth, trotzdem harte Texte, aber diese Synthies. Sommer, Palmen, Sonne scheint; das ist eine gute Atmosphäre. Es war auch nicht so hektisch – sondern laid-back. Deswegen bin ich auch ein großer Fan von Death Row Records. Darunter natürlich die großartigen Künstler Nate Dogg und Snopp Doggy Dog damals. Ich hab jetzt immer noch 800 bis 1000 CDs aus dieser Ecke, darunter Künstler wie Compton’s Most WantedMC Eiht, Dj Quik, C-Bo oder auch Mac Mall, Too Short, Rappin 4 Tay – Das war meine Welt.

 

Dann wollen wir zu deinem neuen Album kommen. Für deine erste Auskopplung „Copyshop“ warst du in Hongkong unterwegs und hast mit dem Übermut-Projekt zusammengearbeitet. Wie kam es zu dieser Kooperation?

Im Übermut-Projekt gibt es einen Mitarbeiter, der kennt Jakob, unseren Regisseur. Das Projekt hatte Budget und er meinte: „Wir wollen gerne was mit Romano machen, hättest du ne Idee?“ Wir sind ja ein Dreier-Team, aus Jakob, mir und Siriusmo, dem Produzenten. Seine Freundin kommt aus Hongkong und das war natürlich perfekt. Dann hatten wir diese ganze Situation abgecheckt. Dann musste es nochmal abgesegnet werden aber es hat geklappt. So wie man es in dem Video sieht, war es für mich auch. Sehr atemberaubend, beeindruckend, viele Menschen auf engem Raum und sehr hoch gebaut alles.

Wie kam es dann zu der Zusammenarbeit mit dem Rapper MastaMic?

Die Freundin von Moritz hat den Kontakt zu MastaMic hergestellt. Ich hab mir das mal angeguckt, was der so macht – der ist nicht nur Rapper, sondern auch Moderator von verschiedenen Sendungen. Ich hab gedacht: „Ey der ist doch total cool, der ist doch total locker drauf, der ist entspannt, der wirkt nicht aufgesetzt, der hat kein Pseudo-Gehabe – geiler Typ.“ Und wann hat man schon mal mit ’nem chinesischen Rapper zu tun? Ich hab ihn nach Berlin eingeladen, beim Popkultur-Festival ist er mit bei, und das wird ne feine Sache.

Zum Copyshop hast du einen persönlichen Bezug, da du dort lange Zeit gearbeitet hast. Und der gesamten Platte merkt man an, dass sehr viel Privates drin steckt. Fällt es dir schwer, darüber zu reden und der Öffentlichtkeit so viel preiszugeben?

Manchmal ist es so, dass man gerade durch das Preisgeben die Sachen verarbeitet. Es ist eine gemeinschaftliche Verarbeitung mit dem Publikum und mit den Fans und eben den Leuten, die gern die Musik hören. Und das erleichtert einem das auf jeden Fall, deswegen bin ich auch der Meinung, wenn man innerlich angespannte Probleme hat, dass man versuchen muss, die zeitnah zu klären und drüber zu reden. Ob das mit Freunden ist oder der Familie. Ich sag dann: Weg mit den Geheimnissen. Lasst mal Licht rein. Steht zu euren Stärken und Schwächen. So bin ich eben und nehmt mich so wie ich bin. Und das war mir wichtig bei dem Album.

Sind die Erzählungen auf dem Album wirklich wahr oder handelt es sich eher um fiktive Erzählungen?

Es gibt ’ne Tiefe und die ist absolut wahr. Bei meiner Mutti zum Beispiel, da dachte ich, sie muss einen Song bekommen. Aber nicht so den klassischen Song, sondern so auf ’ne Art, wo dann auch die Fehler, die ein Mensch haben kann, liebenswert verarbeitet werden. Mutti ist ein Wirbelwind, Mutti ist ein bisschen verrückt. Wenn Mutti und ich uns treffen, werd ich so schnell müde, weil Mutti so schnell redet, noch schneller als ich. Das ist einfach so’n bisschen meine Mutter und ich habe probiert das oft auch mit ’nem Augenzwinkern aber auch mit ’ner liebenswerten Art zu zeigen, so isse. Sie ist einfach ’ne wilde, verrückte aber ’ne total tolle Frau. Und das war mir wichtig. Das andere ist zum Beispiel „Ufo Joe“: Den Ufo Joe gibt’s wirklich, ist ein Freund von mir und ich musste mir das wie bei „Mutti“ auch absegnen lassen, ob das ok ist, dass ich das so veröffentliche. Ufo Joe ist ein Mensch, der beschäftigt sich mit ganz vielen Dingen. Er filtert Wasser, kontrolliert das Wetter. Wo manche sagen, was ist das für’n Freak. Aber tief im Innern hat er ’ne Erkenntnis und die finde ich großartig. Ich wollte ihm einen Song widmen.

In einem weiteren Song “König der Hunde” behandelst du die Nachwendezeit. Du erwähnst in dem Kontext auch die neu entdeckten Hobbys Karate und Breakdance. Hast du dich selbst mal an Breakdance versucht?

Es gab Breakdance-Workshops auch bei uns und da hab‘ ich natürlich auch mal mitgemacht, aber ich hab gemerkt, ich war nicht so der Fan davon, wenn sie am Boden die ganze Zeit so twisten. Das war mir irgendwann so’n bisschen verrückt. Ich weiß noch, wie ich damals das war im Ferienlager, noch ganz früher zu DDR-Zeiten, habe ich ungarische Austauschschüler gesehen, da hat einer schon den Moonwalk gemacht. Das sah ja so verrückt aus. Breakdance war da auf jeden Fall. Den Film Beatstreet hab ich gesehen als Kind. Fand ich mega. Total beeindruckend. Ich fange jetzt bald dann aber wieder mit Ballett an. Habe jetzt zwei, drei Monate Pause machen müssen, aber bald geht es wieder los. Immer montags. Und das finde ich toll.

Du hast bereits erwähnt, dass es für dich keine Hater gibt. Dennoch gibt es gerade im Internet ja immer wieder Hasskommentare, schaust du dir solche dann überhaupt noch an? 

Ja also man kommt ja nicht drum herum. Und natürlich gibt es auch Kommentare, die können verletzend sein. Aber das ist nicht mein Problem. Das Problem liegt bei dem Menschen, der das macht. Wenn man es so sieht, dreht sich alles plötzlich um. Es gibt keinen Stress mehr. Er hat ein Problem damit, nicht ich. Erst wenn ich daraus ein Problem mache, gibt’s ein Problem. Wenn man es nämlich so machen würde, dass man sagt, Ich hab damit permanent irgendwelche Probleme, dann würde es auf die Kunst übergehen und dann könnte man nicht mehr machen, was man macht, weil man immer denkt, man will gefallen. Und ich sage, macht was ihr wollt und dann kommst du aus diesem Humbug raus. Und ich glaube Szenen haben an sich das Problem, dass sie oft untereinander so ein bisschen feststecken und da ich ja keiner Szene zugehöre, stecke ich auch nicht fest. Das ist mein Standpunkt und jeder kann seinen haben, das ist völlig legitim.

Auf der neuen Platte wird deine Heimatstadt Berlin mal von einer negativen Seite beleuchtet, nämlich in „Tourizocke“, wie kam es zu der Idee und glaubst du, dass das ein großes Thema in Berlin ist?

Das Ding ist, es ist ein Großstadtphänomen. Ich wollte das machen, das sollte wie ein Werbetrailer für die Stadt sein, bloß umgedreht. Ich wollte diese Gedanken und Ängst, beklaut zu werden, mal verarbeiten. Mit allen Dingen die passieren können, vom Hütchenspieler über Karten, die ausgelegt werden. bis zu Schauspielern, die sich als Pagen verkleiden. Ich wollte das mal so richtig ausmalen. Das ist einfach die dunkle Seite der Großstadt. Gehört halt dazu und ich wollte mal ’nen Song drüber machen.

Wir sitzen jetzt gerade auf dem wunderschönen Dach von Universal Music – Wie kam es eigentlich damals zu deinem Majordeal?

Das hat angefangen mit einem Video, das heißt Itchy / Cornerboy“, da laufe ich durch Köpenick und das war ’ne Single für Siriusmo, einem elektronischen Produzenten. Und die Zusammenarbeit war mit einem Regisseur der heißt Jakob Grohnert. Und zu dritt haben wir dieses Video gemacht und das hat uns so viel Spaß gemacht, dass wir uns danach für ein gemeinsames Projekt entschieden haben. Und daraufhin haben wir uns immer dienstags getroffen auf’n Bier oder ’n Sekt und ham dann Musik gemacht. Und dann gings immer weiter und dann kam plötzlich Metalkutte“ und weitere Songs, das ging dann alles Schlag auf Schlag. Und dann haben wir einfach mal bei Plattenfirmen angefragt. Und Virgin war da eben eine Plattenfirma, die hatte sich gerade neu gegründet. Die hatten damals so großartige Acts wie Daft PunkLenny Krewitz und so. Und ich dachte direkt, Virgin wär doch irgendwie geil. Und die fanden Romano spannend. Und dann haben wir uns entschieden, gemeinschaftlich zusammen zu arbeiten.

Jetzt noch eine Frage, die wurdest du wahrscheinlich schon in fast jedem Interview gefragt. Könntest du dir eines Tages vorstellen, deine Zöpfe abzuschneiden?

Also da ich die Zukunft nie einschätzen kann, wie wir es gerade schon hatten, kann ich das auch so nicht beantworten. Ich war einer der letzten in meiner Klasse, der die Zöpfe lang wachsen lassen hat, 1994. Und bin einer der letzten, die sie noch lang hat (lacht) Und mir wirds nicht langweilig, weil ich kann Zöpfe machen, ich kann mir ’n Dutt oder so Schnecken machen, tausend Sachen sind möglich. Deswegen: Wer lange Haare hat, ich finds toll wenn man ein bisschen was damit macht.

Und wie sieht es aus mit Köpenick, kannst du dir vorstellen, jemals wegzuziehen?

Kann ich mir so nicht vorstellen, aber who knows? Aber zum jetzigen Zeitpunkt kann ich es mir einfach nicht vorstellen, denn ich hab alles da. Skifahren in den Bergen, Surfen am FKK. Wenn man so einen Ort hat, wo man so zur Ruhe kommt, sagen wir mal Köpenick ist für mich wie so’n großes Wohnzimmer, wo man sich mit Bademantel und Schlappen mit jedem unterhalten kann. Dieses Gefühl ist schön.

Romanos neues Album „Copyshop“ ist ab dem 8. September überall erhältlich. 

Copyshop (Limited Digipak)
  • Audio-CD – Hörbuch
  • Vertigo Berlin (Universal Music) (Herausgeber)

Romano – Köpenick [Video]

Straight Outta „Köpenick„: Wer will mit Romano in den Südosten Berlins? Dieses Mal gibt es von dem Köpenicker keinen „Klaps auf den Po„, sondern eine Ode an den Bezirk im Südosten. Dort gibt‘ schließlich die heißesten Bitches, die wahre Liebe und das stärkste Solarium. Gehen dem Zopfträger langsam die Ideen aus? „Köpenick“ ist doch erst die vierte […]

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