SXTNs „Made 4 Love“ eröffnet Rap eine neue Sichtweise auf Prostitution

Das neue SXTN-Video „Made 4 Love“ eröffnet neue Perspektiven auf das Thema Prostitution – zumindest aus Rapsicht. Darüber sind sich unsere Autoren Viola und Max einig. In anderen Punkten jedoch nicht unbedingt – und darüber diskutieren sie in diesem Kommentar.

Viola: „Made 4 Love“ ist wegweisend, wenn es um die Auseinandersetzung mit Prostitution geht. SXTN beleuchten endlich die Perspektive der „Nutte“, die in der Rap-Szene viel zu oft zu kurz kommt. Juju beschreibt einerseits den Reiz des Berufs, als schöne, begehrenswerte Frau jemanden zu verführen und andererseits die Freude darüber, wenn der Freier ihr „endlich auf die Titten und jetzt nicht mehr in die Augen sieht“. Ähnlich wie bereits Schwesta Ewa verfällt sie weder in eine reine Opfer-Rolle noch beschönigt sie den Beruf. Ich halte diese Perspektive, die dabei auch noch musikalisch sowie visuell sehr stark umgesetzt wurde, für einen großen Schritt in Richtung Emanzipation für Rap.

Max: Das Video kann allerdings ein wichtiger Anstoß sein, das Thema Prostitution, das bislang fast nur von der männlichen Pimp-Seite aufgegriffen wurde, differenziert im Rap-Kontext aufzuarbeiten. Vor allem, dass in „Made 4 Love“ auf einen meat shot (das zeigen von Sex in aller Deutlichkeit) verzichtet wurde und die Kamera nicht dem sonst üblichen männlichen Blickwinkel entspricht, macht es für mich so stark. Die Körper der Protagonisten werden nicht einfach abfotografiert, wie es in sehr vielen Rap-Videos der Fall ist. Leider sind andere SXTN-Auskopplungen, wie z.B. „Deine Mutter“ aber genau das. Für mich verschenken SXTN dadurch einen Teil ihres Potenzials.

Viola: Ich finde es im Gegenteil sehr spannend, dass SXTN nicht auf ganzer Linie dem Klischee der Feministin entsprechen. Außerdem begründen sie ihre Wahl für die Freizügigkeit in ihren Videos mit einem guten Argument: sie finden Frauenkörper einfach schön.

Max: Ich habe auch nichts gegen Nacktheit. Nur nimmt Juju für sich in Anspruch, in ihren Videos sexy zu sein, ohne dabei als sexuell aufreizendes Beiwerk dargestellt zu werden, was ja auch völlig verständlich und richtig ist. Für die anderen Frauen in ihren Videos zählt das aber nicht. SXTN holen sich ja auch ganz bewusst (halb)nackte Frauen ins Video. An sich ist das nicht schlimm, bricht für mich aber mit ihrem Anspruch. Trotzdem bleibt „Made 4 Love“ ein starkes Statment, dass das Pimp-Image ihrer Rapkollegen entromantisiert.

Viola: Genau. Seit Jahren gelten Prostituierte in der Rap-Szene als Statussymbole, um zu zeigen, dass Rapper Stärke, Geld und Macht haben. Eine Prostituierte ist das Accessoire, das unter dem Pimp aka Zuhälter steht – den Rapper bekanntlich gerne imitieren. Den Schutz, den Sexarbeiterinnen von ihren Zuhältern bekommen, führt zu einer Beziehung der Abhängigkeit. Die Fantasie der Rapper: schöne Frauen, die gehorsam im Angestelltenverhältnis verharren. Partys und Sex sind dann oft die Formen mit denen über das eigentliche Geschäft mit dem Fortpflanzungsakt hinweggetäuscht wird. Rapper beschreiben lieber den Spaß, den die Frauen angeblich haben wenn sie ihnen einen blasen. Unerzählt bleibt, dass sie für den Blowjob bezahlen müssen und die Frauen sonst keine Interesse an ihnen hätten. Wenn Rapper also von ihren Party-Exzessen mit Prostituierten rappen, fehlt jeder Blick für die Frau. Juju schafft es: Sie zeigt auf, wie es einer Sexarbeiterin gehen kann, ohne sie als Opfer darzustellen oder die Umstände zu beschönigen.

Max: Ich hoffe, dass SXTN diesen eingeschlagenen Weg fortführen und Rap neue, wichtige Perspektiven aufzeigen, die Diskussionen anstoßen. Natürlich muss man dabei aufpassen, sie nicht als Verfechter aller Frauen darzustellen oder ihnen ein zu großen Rucksack aufzubürden. Denn in erster Linie sind sie Künstler, die sich vor keinen Wagen spannen lassen sollten.

Viola: Das ist ja kein Wagen, sondern der Kampf um die Befreiung ihres eigenen Geschlechts. Ich finde gut, dass das nicht mit dem Zeigefinger passiert und das alles überschattende Thema ist. Das führt zu der Anerkennung ihrer Musik innerhalb der Rap-Szene. Hoffentlich öffnet das endlich mal die Lauscher der Macho-Rapper.