Sentino aka Sentence blickt auf eine wechselhafte Karriere zurück. Von ihrem Anfang bis heute ein ewiges hin und her, ein ständiges auf und ab. Er hat in mehreren Camps und bei mehreren Labels versucht, Fuß zu fassen. Lange ging das aber nie gut, aus den verschiedensten Gründen. Nun also ein erneuter Anlauf: Gerade hat Fler bekanntgegeben, Sentino bei Maskulin gesignt zu haben. Auch das ist nicht der erste Anlauf, schon 2012 gab es Spekulationen um ein bevorstehendes Maskulin-Signing, die sich letztendlich aber doch zerschlugen.
Ob es dieses Mal endlich passt, bleibt abzuwarten. Schauen wir statt nach vorne lieber erstmal zurück. Genauer gesagt 16 Jahre, ins Jahr 2000. Da war Sentence, wie er sich seinerzeit noch nannte, 16 Jahre alt und fing gerade an zu rappen. Im legendären Freestyle-Café Royal Bunker lernte er Joe Rilla kennen, der ihn mit auf die Analphabeten-Tour nahm.
Einen Deal bekam er auch bald. Und das sogar bei einem Label, das wenigstens dem Namen nach renommiert ist. Def Jam Germany klingt aber besser als es letztlich wirtschaftet. Das Label, das vor allem durch die weitgehende Ahnungslosigkeit seines Chefs Andreas „Bär“ Lasker gekennzeichnet ist, dessen Signing-Politik schwer nachvollziehbar erscheint, ging folgerichtig 2002 pleite. Sentino stand weiter ohne eigenes Release da.
Doch Glück im Unglück: Auch einem gewissen Kool Savas fiel das Talent des jungen Berliners auf. Als er aber seine Optik Crew formierte, entschied er sich, sich voll auf seinen damaligen Partner Eko Fresh zu konzentrieren. Senti hatte das Nachsehen. Dafür bekam er aber einen Deal mit BMG Subword, bei denen auch Optik als Sublabel angeschlossen ist. Sein Manager ist zu dieser Zeit ein gewisser Julian Smith – der sich wenig später mit unterschlagenen Vorschüssen absetzt.
Sentence war frustriert. Verständlich, wenn man sich das Pech vor Augen führt, das ihn bisher so treu begleitet hat. Immer kurz vor dem ersten eigenen Album, dem endgültigen Durchbruch, aber eben nur kurz davor. Er versuchte sein Glück eine Zeitlang in Chemnitz, das damals vom heute weitgehend in Vergessenheit geratenen Phlatline-Label beherrscht wird.
Wir schreiben inzwischen das Jahr 2003. Aggro Berlin hatte die Vormacht im Deutschrap quasi per Handstreich an sich gerissen. Senti bewegte sich im Umfeld von Fler und Bushido. Erste Gerüchte, er würde für die beiden Texte schreiben, kommen auf. Bis heute sind diese weder bewiesen noch widerlegt. Er selber schweigt dazu gentlemanlike. Zum Verhängnis wurde es ihm schließlich, dass er beim sich anbahnenden Beef zwischen Bu und Fler zwischen die Fronten geriet, obwohl er neutral blieb.
2005 erschienen dann endlich seine ersten Releases. Das Reutlinger Start-Up-Label 5 vor 12 veröffentlichte die beiden Mixtapes „Sentinos Way“ und „Sentinos Way 2“ . Mit seinen ignoranten Punchlines und der sauberen Technik traf er durchaus den Nerv der Zeit.
Im Herbst 2006 schließlich erschien dort auch sein Debütalbum. „Ich bin deutscher Hip Hop“ , das neben den besagten Punchlines auch jede Menge #realtalk enthielt. Ein starkes Album, da waren sich die Kritiker weitgehend einig. Nur die Fans zogen nicht mit, kommerziell ging das Album komplett unter, was auch am Label gelegen haben mag, das keinen besonders guten Job macht. 5 vor 12 hörte danach ebenfalls auf, zu existieren – und gab Senti anscheinend noch nicht mal seine Kohle.
Der vorerst letzte Versuch: Sentino stand 2007 in Kontakt mit Manuellsen und dessen Label Shrazy Records. Neues Label, endlich neues Glück? Leider nicht für S. – die gemeinsam produzierten Songs blieben unveröffentlicht. Der Grund: Uneinigkeit wegen der Entlohnung.
Danach tauchte er eine Weile ab. Reicht auch mal. Wie oft soll er es denn bitte noch probieren, um am Ende wieder mit leeren Händen da zu stehen? Stattdessen zog er sich für geraume Zeit zurück in seine Heimatstadt Warschau, um sich von der Szene zu distanzieren und zu sich selbst zu finden. Man darf nicht vergessen: Der gute Mann war seit seinem 16. Lebensjahr mehr oder weniger Teil der Rapindustrie. Zeit, über die vielen Irrungen und Wirrungen nachzudenken, blieb ihm praktisch nie.
Fünf Jahre dauerte seine Auszeit, bevor er sich 2012 mit dem Album „Stiller Westen“ zurückmeldete. Sein Talent hatte er nach wie vor nicht verloren, die Songs waren allerdings nicht wirklich ausproduziert und ergaben so auch kein stimmiges Album. Senti tauchte wieder ab, im Zusammenhang mit Maskulin-Gerüchten dann wieder auf, dann erneut ab – und hat jetzt endlich dort einen Deal, für den er laut eigenen Angaben 25.000 Euro Vorschuss kassiert haben will. „Es gibt Deals und es gibt Deals.“
Sollte die kolportierte Summe stimmen, besteht berechtigter Anlass zur Hoffnung, dass Fler seinen neuen Schützling voll und ganz ernst nimmt – und ihm die Möglichkeiten bietet, seine Fähigkeiten endlich mal über einen längeren Zeitraum voll auszuspielen. Es wäre ihm, Sentino, zu wünschen. Und uns als Hörern letztlich auch.