Homezone ist ein Text-Interview-Format unseres Autors Alexander Barbian. Er trifft und begleitet aufstrebende wie etablierte Künstler aus den Gefilden des deutschen Sprechgesangs durch deren Kieze, in deren Lieblingskneipen und zu deren Stammspäties. Für die siebte Ausgabe hat er den Hamburger TaiMo in seinem stets berappten „Horner Corner“ besucht …
Es ist Samstagvormittag und rund um den U-Bahnhof an der Horner Rennbahn herrscht regelrechte Katerstimmung. Zwischen den in langen monotonen Straßenfluchten aneinandergereihten matt-roten Backsteinhäusern hat sich, unmittelbar nach einem klassischen Hamburger Regenschauer für den Hochsommer untypischer Nebel breit gemacht. Es wirkt ungefähr so, als hätten sich siebenundneunzig Prozent der Menschen aus der direkten Nachbarschaft demonstrativ hinter den Gardinen ihrer in Karrees angeordneten Wohnhäuser verschanzt. Auch die geradeaus liegende, ambitioniert nach stadtauswärts gerichtete und von Graffito verschont gebliebene Washingtonallee ist derartig leer gefegt, dass man glatt meinen könnte, am Vorabend sei Silvester gewesen …
Auch TaiMo hat einen ziemlich fiesen Kater, hat es aber dennoch (fast) pünktlich zum Treffpunkt geschafft. Keiner repräsentiert den verschlafenen Randbezirk im Osten der Großstadt so sehr, wie der sechsundzwanzigjährige Spitter „mit dem T in der Fresse“. Erstmals aufgefallen durch seinen Backup-Support beim Hansestädter Urgestein AchtVier und das Free-Mixtape „Washingtonallee“ veröffentlichte er vor wenigen Monaten sein Debüt-Album „Horner Corner“ und sorgte direkt für frischen Nordwind in Deutschlands Rap-Community. Ich habe den in den Tag lebenden Hamburger aus dem Hause Steuerfrei Money in seiner Homezone besucht, um mir ein realistisches Bild vom Klima im „Horner Corner“ zu machen, in dem TaiMos Kost von den Tracks bis zu den Videos entsteht …
Deine Hood Hamburg-Horn nimmt einen großen Teil deiner Texte ein. Was macht diesen Ort aus und warum ist er besonders?
Diese Gegend hat einen ganz eigenen Charakter, das Feeling hier ist speziell. Jedes Hamburger Viertel hat ein eigenes Gesicht und so ist das ganz besonders mit Horn: Auch wenn es kein Ghetto ist, schreibt es viele Geschichten, die ich dann aufgreife und von denen ich mich inspirieren lasse.
Du hast innerhalb recht kurzer Zeit bisher ein Tape und ein Album veröffentlicht. Ich denke, du kannst zufrieden sein mit der Resonanz und dem bisherigen Verlauf deiner Rapkarriere, oder?
Auf jeden Fall, ich kann mich nicht beklagen. Die Reaktionen auf „Washingtonallee“ und „Horner Corner“ waren ganz gut und die Reichweite ist überraschend breit. Trotzdem kann ich im Nachhinein sagen, dass das erst der Anfang war und ich das noch viel besser kann: Ich kann versprechen, dass das zweite richtige Album, an dem wir zur Zeit arbeiten noch viel krasser und professioneller wird …
Gutes Stichwort! Kaum war dein Debüt-Album draußen, hast du direkt das nächste Projekt angekündigt … Wie läuft die Arbeit am zweiten Album?
Es macht großen Spaß und ich bin tatsächlich schon ungefähr zur Hälfte fertig. Fünfzehn Tracks sind schon im Kasten, darunter auch schon drei Features … Ich will nicht zu viel verraten, aber es werden wohl auch noch ein paar Feature-Tracks dazu kommen. Anfang September wird AchtVier sein neues Album releasen … Mein Ziel ist es, kurz später, also am besten noch in diesem Jahr, mit dem neuen Album an den Start zu gehen. Natürlich hat sich die Sache mit der Fertigstellung der musikalischen Projekte nicht erledigt: Es müssen dann ja zum Beispiel ein paar Videos her und so weiter. Deshalb ist es zum jetzigen Zeitpunkt schwer, ein konkretes Datum zu nennen. Eines kann ich aber verkünden: Diesmal soll alles viel organisierter laufen als bei „Horner Corner“.
Ich finde das echt krass: Du scheinst dir wirklich keine Pause gegönnt zu haben und bist sofort wieder kreativ geworden, nachdem „Horner Corner“ abgehakt war …
Ja, ich hatte nach dem Release sofort Bock, weiterzumachen. Ich muss allerdings dazu sagen, dass „Horner Corner“ eigentlich schon viel früher fertig war, als es auf dem Papier aussieht. Zumindest liegt die Entstehungsphase schon etwas länger zurück: Nach einem Festplatten-Unfall musste ich damals nur alle Beats neu bauen lassen und alle Takes von Vorne aufnehmen.
… Stimmt, das hattest du in einem anderen Interview erzählt! Eine andere Sache: 2RED aus Hamburg scheint der Produzent deines Vertrauens zu sein. Stellt er auch weiterhin die Beats für dich?
Ja, die kommen selbstverständlich weiterhin von ihm. Ich mag den eher schlichten Style seiner Produktionen. 2RED war davon abgesehen von Beginn an einer der wichtigsten Begleiter: Von ihm habe ich überhaupt erst die Möglichkeit bekommen, aufzunehmen. Meine Arbeit mit ihm läuft bis heute in einer anderen Reihenfolge, als bei anderen Rappern: Ganz am Anfang baut er die Beats. Ich picke dann die besten raus und fange erst dann an zu schreiben. Gerüst und Tempo stehen bei mir also wirklich ganz zu Beginn …
Die Texte, die dabei entstehen, beschäftigen sich dann zwar meistens mit deinem Leben in der Hood, unterscheiden sich aber trotzdem von typischem deutschem Straßenrap …
Ja, ich mache ganz einfach Musik über das, was ich hier jeden Tag sehe, was ich mitbekomme und was meine Kollegen erleben. Texte nach dem Motto: „Ich fick‘ dich und bin der Krasseste“ gehören da irgendwie nicht rein und sind wirklich auch gar nicht mein Ding … Ich versuche wirklich einfach ich zu sein. Ohne das irgendwie auszuschmücken. Ich muss nicht auf Gangster machen oder so tun, als wäre meine Gegend die Bronx.
Nachdem wir die Washingtonallee ein gutes Stück hinunter gelaufen sind, wechseln wir die Straßenseite, um auf ein kühles Getränk in TaiMos Stammkneipe vorbei zu schauen. Die urige Eck-Spelunke heißt, wie sollte es anders sein, „Horner Corner“ …