Eigentlich läuft gerade alles super für Shindy. Sein zweites Album „FBGM“ wurde sowohl von Fans als auch von Kritikern geradezu euphorisch aufgenommen. Und die Verkaufszahlen scheinen sich bereits im sechsstelligen Bereich zu bewegen. Alles eitel Sonnenschein? Fast. Der alte Spruch, wo Licht ist, ist auch Schatten, kommt mal wieder zu seinem Recht.
So gibt es eine hartnäckige Minderheit, die über die sozialen Medien die Theorie zu verbreiten versucht, Shindys Album sei zu großen Teilen geklaut. Sein Ex-Kumpel Kay One gab die Marschrichtung in einer Videobotschaft vor, einige schlossen sich der These an, und inzwischen gibt es sogar ein Video, das im Stile eines dieser einschlägigen „Aufklärungs“-Videos die vermeintlichen oder tatsächlichen Inspirationen für „FBGM“ aufzählen möchte.
Und ähnlich wie bei besagten „Aufklärungs“-Videos, die sonst gerne „beweisen“, dass Merkel eine Außerirdische, Obama ein Jude oder Bin-Laden ein Sachse ist, wird hier nach dem Prinzip der freien Assoziation vorgegangen. Sprich, wenn etwas sich ähnlich anhört, muss es geklaut sein. Man findet, was man sucht. Sicher, einige Samples wurden schon mal benutzt, und natürlich hat Shindy die Harmonielehre nicht neu erfunden. Bei einigen Songs aber, die als angebliche Quelle dargestellt werden, offenbart sich die Art von Oberflächlichkeit, die man sonst nur bei Leuten antrifft, die sich für Rap nicht besonders interessieren. Meine Oma würde einen Bushido-Song und einen Savas-Song auch als extrem ähnlich empfinden.
Die Diskussion selbst ist so alt wie Rap selbst. Streitereien darüber, ob man ein bereits benutztes Sample noch mal verwenden darf, und wenn ja, wie sehr sich die Neubearbeitung dann von der vorherigen unterscheiden muss, gibt es nicht nur in Deutschland. Aber: Anspielungen und Zitate sind nicht sofort mit Biten gleichzusetzen. Deutscher Rap ist grundsätzlich immer von US-Rap beeinflusst – schlicht und einfach, weil Rap dort entstanden ist und die entscheidenden Neuprägungen noch immer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten geschehen. Es gibt keinen deutschen Rapper, der seinen Style ohne jeglichen Einfluss aus den USA entwickelt hat. Ja, noch mehr: Es gibt überhaupt keinen Rapper, der nicht in irgendeiner Form Bezug auf Entwicklungen und Styles nimmt, die vor ihm da waren.
Deswegen ist die Diskussion darüber, ob Shindys neues Album „FBGM“ geklaut ist, auch hinfällig. Natürlich sind in seiner Musik Einflüsse anderer Künstler. Das ändert rein gar nichts an ihrer Qualität. Zumal er, verglichen mit anderen seiner Kollegen, genug Stil hat, seine Inspiration eigenständig und schlüssig umzusetzen, so dass etwas neues daraus entsteht. Schon aufgrund meines persönlichen Geschmacks ist mir jemand, der mit dem lyrischen Witz und die Souveränität eines Drake, der sich in dezenten Anspielungen und cleveren Querverweisen ausdrückt, locker mithalten kann, tausendmal lieber als jemand, der so holprig über Beats stolpert, dass man seine persönlichen Inspirationsquellen null erkennen kann – einfach, weil er um ein vielfaches schlechter ist als diese.
Shindy ist kein Biter. Er hat nur verstanden, was der vielzitierte State of the Art im Rap gerade ist – weltweit. Und er hat das, besonders für deutsche Verhältnisse, sehr glaubwürdig und stilvoll umgesetzt, ohne die Grenze zum Ideenklau zu überschreiten. Und deswegen ist meine Review zu „FBGM“ auch so ausgefallen, wie sie ausgefallen ist: Begeistert.