Absurd. Ätzend. Aber trotzdem eine gute Show: K.I.Z. live in FFM

Ich höre schon super lange K.I.Z. Auf ihre Live-Shows habe ich mich allerdings bisher noch nie getraut. Dumm, dass diese Tour die erste ist, die ich besuche. Vielleicht wären frühere Konzerte der Band besser für mich gewesen, denn was ich auf jeden Fall seit diesem Samstag sagen kann: Ich hasse viele ihrer Fans!

Drei kleine Episoden:

Ausstieg an der Station vor dem Konzert. Mit mir steigen viele andere Fans aus. Eine Männertruppe fällt besonders auf: Sie gröhlen zehn Minuten lang – also von der Bahnstation bis zur Halle: „Hurensooohn, Hurensooohn, Hurensooohn“. Ein anderes Wort scheinen sie nicht zu kennen, der Alkoholpegel dementsprechend.

Auf dem Konzert schaut sich ein Pärchen verliebt in die Augen und trällert dabei. „Das hier ist Urlaub, Urlaub, Urlaub fürs Gehirn“

„Frankfurt, wollt ihr mir einen blasen?“ ruft Maxim von einer Kanzel. Das Publikum schreit. Neben mir auch eine Frau. Ihr Freund stupst sie verärgert an und schreit ihr ins Ohr: „Was soll das?“. Sie – verunsichert lächelnd – zuckt mit den Achseln und wendet sich wieder dem Geschehen auf der Bühne zu. 

Das Konzert

Am 21. Januar findet in der Frankfurter Jahrhunderthalle das zweite Mal das K.I.Z. Konzert der „Hurra die Welt geht unter“-Tour statt (dieses mal unter dem Titel: „Hurra die Welt geht immer noch unter Tour 2017“). Die 4.800 Menschen fassende, ausverkaufte Halle ist, als ich um 19:30 einlaufe, gerammelt voll und die Stimmung längst ausgelassen. Ungewöhnlich aufgeregt erscheint sie mir, bis mir mitgeteilt wird, dass ich den Support (Audio88 und Yassin) knapp verpasst habe. Alle in der Halle scharren schon mit den Hufen, um die Berliner Kannibalen endlich live zu erleben. Um halb acht! Um halb acht das Vorprogramm zu verpassen macht mich als eingefleischte Rap-Konzert-Besucherin stutzig und wütend. Für mich gehört es einfach dazu, Ewigkeiten auf Künstler und Künstlerinnen zu warten, bis sie sich endlich auf die Bühne bequemen, und so auch selbst zu spät kommen zu können – um das erste Getränk noch günstig am Kiosk in mich hinein zu kippen.

Lange kann ich mich nicht aufregen, da K.I.Z. um kurz vor acht mit ihrer Show beginnen. Mit „Duhastaufdeinenkokaturndeinegeistigbehinderteschwestergeficktmucke“ eröffnen die Kannibalen ihre dann über zwei Stunden dauernde Bühnenshow, die keine Wünsche offen lässt. Gewitzt, ironisch und gekonnt ziehen die vier Berliner Rapper ihre Show durch. Mein persönliches Lieblingslied „Einritt“ ist direkt der vierte Song und gemeinsam mit „Geld“ auch einer der ersten Songs, bei dem die Meute richtig ausrastet.

Musikalisch gibt es das gesamte Konzert über wenig zu meckern. Vielleicht könnten K.I.Z. ein bisschen variabler flowen. Aber vorwerfen kann ich ihnen das eigentlich nicht, weil es live eben nicht darum geht, besonders virtuose Rapskills zu präsentieren, sondern das gute Gesamtbild im Vordergrund steht. Der Sound ist makellos abgemischt, füllt den Raum und lässt auch DJ Crafts Künste gut zur Geltung kommen. Einzige Mankos sind das klassische, von Festivals bekannte Programm, das die Band routiniert durchspult, sowie ihre 4.799 übrigen Fans, die als Masse auf K.I.Z. reagieren als wären sie auf dem Oktoberfest – endlich ist alles erlaubt.

„Ich will Wasserwerfer auf der Bühne, falls einer mit Obst schmeißt.“

Einen Wasserwerfer gibt es zwar nicht auf der Bühne, dafür aber einen riesigen Panzer, auf dem DJ Crafts Pult steht. Links und rechts vom Panzer stehen jeweils zwei riesige Statuten, die die vier Mitglieder der Band uniformiert abbilden. Im Hintergrund der Bühne ist auf einer Leinwand eine zerbombte Stadt zu sehen. Nach einer Umbauphase, in der „Das Kannibalenlied“ abgespielt wird, halten Nico, Tarek und Maxim gegenüber der Bühne auf einer Kanzel im Oberrang eine Rede über sich selbst und die Strapazen, die sie für ihre Fans auf sich nehmen. Von dort wird dann auch „Abteilungsleiter der Liebe“ performt. Zurück auf der Bühne kriecht dann ein blutüberströmter Maxim zwischen zwei gespreizten Beinen aus einer gigantischen Vagina und rappt den Track „Käfigbett“:

„Ich verließ ihre Lende, direkt in des Doktors gierige Hände
Vermummte Menschen um mich herum
Papa lächelt
Ich bin seine Rentenversicherung“

Dass es um eine Geburt geht, und dabei die grundsätzliche Liebe zwischen Kindern und Eltern in Frage gestellt wird, scheint beim Großteil des Publikums eher nebensächlich, denn die Reaktion ist tosendes Gejohle. Ich bezweifle stark, dass 4.800 Menschen diesen Track als einen wichtigen Beitrag zur erziehungswissenschaftlichen Debatte einstufen. Vermutlich wird hier eher die plumpe Tatsache, dass Maxim aus einer Muschi kommt, als vermeintlicher Tabubruch begröhlt. Trotzdem eine coole Idee der Visualisierung des Tracks.

Im weiteren Verlauf der Show schweben die drei Rapper dann in der Luft und DJ Craft, der das komplette Konzert von seinen Kollegen nur liebevoll „DJ Sex“ genannt wird, ist im letzten Teil der Show als neonleuchtendes, überproportionales Auge zu sehen. K.I.Z. performen von allen veröffentlichten Alben Tracks von „Nagellackentfernerfotze“ und „Hurensohn“ über „Spast“ und „Urlaub fürs Gehirn“ bis zu den neuen Hits „Boom Boom Boom“ und „Hurra die Welt geht unter“. Dabei zeigen Tarek und Nico, dass sie nicht nur rappen, sondern auch ihre Hooks tontreffsicher singen können.

„Ich mache Festival auf deinem Grab“

K.I.Z. haben unter anderem die Einslive-Krone und den Juice-Award für ihre Live-Show bekommen. Das kann ich verstehen: Neben einer gut durchdachten und umgesetzten Live-Show sind sie in der Lage mit ihrem Publikum zu kommunizieren, scherzen miteinander und schaffen es jederzeit locker, Publikumsnähe zu erzeugen. Aber spätestens bei der Aufforderung, die Hände von links nach rechts zu schwingen merke ich, das ist nicht mein Ding. Pogen und Arme schwingen. Das Publikum soll in die Hocke gehen und dann gemeinsam aufspringen. Es kommen ständig Ansagen wie die, dass, wenn Frankfurt jetzt ausrastet, es die geilste Stadt der Welt sei. So etwas kann ich auf Festivals ertragen mit genug Alkohol intus und dem Wunsch, sich zu egal welcher Musik nach vorne zu kämpfen. Aber nicht auf einem Rap-Konzert.

K.I.Z. machen also klassische Konzerte für Mainstream Fans. Klar K.I.Z. wollten noch nie einfach nur Rap sein und deshalb witzeln sie auch über Rapper-Attitüden. “Tarek, hau doch mal einen Sechzehner raus“ (Tarek lacht). Meines Erachtens schaffen es Deichkind aber tatsächlich wesentlich besser, Festival und HipHop zu einer sympathischen Massenparty zu kombinieren.

„Fans, die sich ihr Gesicht zu meinem operieren lassen“

Unangenehm auch: Bei der Kanzelrede, die auf den Oberrängen stattfindet, dreht sich eine Frau nicht zu K.I.Z. um, sondern winkt ins Publikum, da sie wahrscheinlich eine bekannte Person entdeckt hat. Gedankt wird ihr freundliches Winken mit einem: „Ey Du, zeig Deine Fotze“. Ätzend. Audio88 und Yassin bekommen, als sie für ihre Parts auf „Was würde Manny Marc tun“ die Bühne entern, weder als sie kommen noch gehen Applaus. Da wird sogar Nico kurz böse und bittet um Beifall für die beiden, nicht ohne auch ein paar Schimpfworte gen Publikum zu pfeffern. Wegen Rap sind vermutlich die Wenigsten hier. Ist das noch akzeptabel, so steigt kalte Wut in mir auf, als ich mir den Platz vor der Bühne mit Menschen teilen muss, die Shirts von bescheuerten Bands wie Frei.wild und Krawallbrüdern tragen. Das sind eigentlich Musiker mit Positionen, die K.I.Z. zu jeder Zeit zurückweisen.

Beruhigend für mich als Frankfurterin: Die Seitenhiebe, die die Band ständig gegen Frankfurt setzt, als sie behauptet Offenbach (der Todfeind aus Tradition) sei besser gewesen, werden kaum kommentiert, sondern stoisch hingenommen – ist also wohl eher das Umland, das sich an diesem Abend so stumpf berieseln lässt.