Da du diesen Artikel liest, gehe ich davon aus, dass du Rap-Fan bist. Da sich „GTA V“ über 60 Millionen Mal verkauft hat, gehe ich davon aus, dass du es auch gespielt hast. Und in Anbetracht dieser beiden Faktoren wird der spielinterne Radiosender deiner Wahl mit Sicherheit Radio Los Santos oder West Coast Classics gewesen sein. Von NWA, 2Pac und Snoop Dogg bis hin zu A$AP Rocky, Gucci Mane und Kendrick Lamar bietet der emulierte Rundfunk dieser Spielereihe alles, was das HipHop-Herz begehrt. Doch Videospiele und HipHop sind generell enger verwoben, als man es auf den ersten Blick vermuten mag. Nicht nur in der GTA-Serie, die auch mehr als nur ein paar Songs im Radio zu bieten hat. Bevor wir es in einem anderen Artikel um den Einfluss von Videospielen gehen soll, geht es um HipHop in Videospielen:
Der Klassiger „GTA San Andreas“ von 2004 spielt im fiktiven Bundesstaat San Andreas an der US-Westküste und schmeißt den Protagonisten CJ in eine offene Spielwelt, die an HipHop-Affinität kaum zu überbieten ist. So gibt es haufenweise Charaktere, die realen Rappern nachempfunden sind bzw. Cameos darstellen. Drogendealer Ryder etwa, der Eazy-E zum verwechseln ähnlich sieht – und von CMW-Frontmann MC Eiht synchronisiert wurde. Oder The Game Lookalike B Dup, dem der Ex-G-Unit Rapper zufälligerweise auch seine Stimme leiht.
Aber Rapper in mal mehr mal weniger verhohlenen Cameos gibt es unzählige. Doch selbst als spielbare Charaktere kann man Lil Jon in „Tony Hawk’s American Wasteland“, Tyler, The Creator in „Tony Hawk’s Pro Skater 5“ oder Snoop Dogg in „True Crime: Streets of LA“ freischalten. Warum auch nicht? Bei beiden Medien handelt es sich um ein popkulturelles Gut, die Überschneidungen in der Ziel- und Konsumentengruppe sind hoch. Ein gut platziertes Easter-Egg entlockt dem geneigten Rap-Fan natürlich ein Grinsen, aber HipHop-nahe Franchises wie die „NBA“-Reihe warten Jahr für Jahr mit entsprechendem Soundtrack und spielbaren Rappern auf, für Games wie „DJ Hero“ sind implementierte Songs und Protagonisten ohnehin obligatorisch. Und ein „Call of Duty: Ghosts“-Trailer macht doch gleich viel mehr Spaß mit dem exklusiven Eminem-Song „Survival“. Der vollständige „Watch Dogs 2“-Soundtrack stammt aus der Feder von Hudson Mohawke und erscheint dementsprechend auch gleich noch als Album.
Es verhält sich ähnlich wie in meinem Artikel „Marvel Comics und Rap: Die fantastischen Zwei“ erläutert. Bis auf einen Unterschied – oder besser gesagt – ein Upgrade: Rapper haben auch eigene Videospiele. Weder unlinzensierte Spiele mit HipHop-Hintergrund, wie es „PaRappa the Rapper“ von 1996 als wohl erstes seiner Art ist, noch ein überspitztes Genre-Universum, wie es das Hack’n’Slay „Brütal Legend“ für Heavy-Metal-Fans bot. Auch nicht kleinere Apps wie „Meek Mill presents Bike Life“ oder das Browsergame „Action Bronson vs. Ghostface Killah“. Die Rede ist von vollwertigen Blockbuster-Titeln.
Als Vorreiter gilt „Wu-Tang: Shaolin Style“, ein 3D Beat-em-up, das 1999 für die Playstation erschien. Statt eindimensionaler Franchise-Verwurstung wartete der Kritikerliebling mit einem ausgewogene Multiplayer, einer spannenden Storyline und einer kreativen, passenden Verwendung der Lizenz auf. Schließlich hatte der Wu-Tang Clan schon immer eine Affinität für fernöstliche Kampfkünste und deren Ästhetik, die Klan-Kopf RZA auch in seinen „The Man with the Iron Fists“-Filmen umsetzte. Die Gruppenmitglieder als selbstvertonte Protagonisten und der auch als CD abspielbare Soundtrack waren neben dem limitierten Gamepad in Form des ikonischen Ws natürlich der eigentlich Coup – trotz Framedrops und stellenweise hakeliger Steuerung stimmte alles an der liebevoll gepolishten Enginge.
Weniger gut steht daneben der 3rd Person Shooter „50 Cent: Bulletproof“ von 2005 da, in dem Fiddy und seine Gorilla Unit sich durch die New Yorker Unterwelt ballern. Ein linearer Spielverlauf, maues Waffengefühl und das statische, uninspirierte Gameplay bescherten der Schießbude einen Metascore von 47 – trotz exklusivem Soundtrack, der 13 neue Songs von 50 Cent mit sich brachte. Da konnten auch nette Ideen, etwa eine gewöhnliche Pistole mit der Slang-Bezeichnung „Gat“ zu versehen, nicht viel retten. Der PSP-Ableger aus der isometrischen Perspektive bleibt an dieser Stelle besser unerwähnt. Der 2009er Nachfolger „50 Cent: Blood on the Sand“ verschlug 50 dann in den Nahen Osten und staubte dank wuchtigerem Gunplay und Coop-Modus etwas bessere Bewertungen ab. Während der Erstling trotz durchwachsener Rezeption über 1,2 Mio Exemplare absetzen konnte, verkaufte „Blood on the Sand“ keine 100.000 Einheiten. So ließ der erfahrene Geschäftsmann auf den Flop keinen dritten Teil folgen.
Das wohl wichtigste Beispiel ist aber die dreiteilige „Def Jam“-Serie, die anfangs an WWE angelehnte 3D-Brawls bot, sich dann mehr Richtung Straßenkämpfe an diversen Locations entwickelte. Die Kämpferriege bestand allerdings aus Rappern des titelgebenden Labels Def Jam Records und anderen wohl eingekauften Lizenzen – von DMX über Sean Paul, Ice T und Flavor Flav bis hin zu Method- und Redman umfasste der Kader alles, was das Herz begehrt. Dann wurde gepflegt draufgedroschen. Während die ersten beiden Teile mit Metascores von über 80 weitgehend positiv aufgenommen wurden, sackte der dritte Teil „Def Jam: Icon“ beträchtlich ab. Die unterhaltsamen Moves, die bewusst over the top gehalten waren, wichen einem schlag- und tritt-basierterem Gameplay, das trotz des DJ-Systems, bei dem jeder Spieler einen Song pickte und einen Stärkeboost erhielt, während dieser lief, an Spieltiefe vermissen ließ. Soundtrack und Roster waren natürlich noch immer erstklassig und transportierten einen lückenlosen HipHop-Charakter.
Aber wie sieht es eigentlich hier in Deutschland aus? Natürlich weniger dicht besetzt. Das liegt in erster Linie daran, dass es wenige deutschsprachige Entwicklerstudios gibt, die mit großen Budgets hantieren bzw. überhaupt qualitativ hochwertige Veröffentlichungen vorweisen können. Und wenn Max Design, Piranha Bytes, Crytek oder Deck 13 ein Projekt veröffentlichen, dann ist dieses natürlich an den internationalen Markt adressiert und wird zumeist über einen großen Major-Publisher veröffentlicht. Dennoch haben auch hierzulande Rapper ihre Finger – oder besser ihre Stimmbänder – im Spiel.
Statt Charactermodels gibt es Stimmen. Etwa den exklusiven Song „Grind On“, den Kool Savas und Melbeatz 2004 dem Soundtrack von „Tony Hawk’s Underground 2“ beisteuerten. Damit reihten sie sich zwischen Künstlern wie den Ultramagnetic MC’s, den Red Hot Chili Peppers und The Ramones ein. Im Jahr darauf erschien „Fifa Street“. Der Kommentator der deutschen Fassung war „Der Mann im Haus“: Harris! Alleine wegen dessen markanter Stimme und der gewitzten Kommentar ist der erste Teil um Klassen besser als sein Nachfolger. Neben Harris lieh auch Kollegah einem Spiel seine Stimme: In „Battlefield Hardline“ übernahm Kollegah einige Sprechrollen und promotete den eher mittelmäßigen Serienableger auch abseits ordentlich.
Der Vollständigkeit halber sollten zwei Dinge nicht unerwähnt bleiben: Das katastrophal überambitionierte Mobilegame „Beef over Germany“, das Kämpfe zwischen deutschen Rappern im Streetfighter-Stil bieten sollte, aber völlig unfertig erschien und wegen mangelndem Feinschliffs und unzähliger uneingehaltener Versprechen auf ganzer Linie enttäuschte. Und Tony Ds legendärer Werbespot für den Gebraucht An- und Verkäufer ReGame. Künstler wie Rockstah oder Emkay haben sogar komplett Richtung Gaming umgesattelt und verdingen sich mit Podcasts oder als Streamer. Jaja, HipHop in Videospielen – die Rapper und die Games. Irgendwie kleben sie schon zusammen. Ich meine: Welcher Rapper zockt eigentlich nicht Fifa?