Ghostwriting – nach Meinung vieler Rapfans immer noch eine Todsünde. Warum eigentlich? Es gibt wichtigere Kriterien für die Qualität eines Rappers, meint rap.de-Chefredakteur Oliver Marquart in seinem Kommentar.
In den Augen vieler Rapfans ist es nach wie vor ein Verbrechen, das in etwa mit Hochverrat gleichzusetzen ist: Ghostwriting. So alt wie Rap selbst, aber bis heute umstritten. Würde man eine Umfrage unter Deutschrap-Hörern machen, was denn das aller Schlimmste sei – Ghostwriting würde vermutlich mit riesigem Abstand gewinnen.
Nun hat diese Abneigung gegen eine im Popbereich völlig normale Sache natürlich ihre guten Gründe. Rap hat seit Bestehen immer von – heute leider ausgelutscht klingenden – Begriffen wie Realness, Authentizität, Echtheit gelebt. Anders als in der Popmusik ging es immer darum, roh, echt, unverfälscht zu sein.
Ohne die Realness-Debatte an dieser Stelle zu führen – obwohl sie ihre Berechtigung hat – muss man klar sehen: Diesem hohen Anspruch wurde Rap selten wirklich gerecht. Jedenfalls, wenn man Authentizität eng auslegt.
Und das gilt auch für den Anspruch, dass jeder Rapper, Entschuldigung, MC, seine Texte gefälligst selbst zu schreiben habe, und zwar allein im stillen Kämmerlein, ohne Hilfe von anderen, ohne Einflüsse von außen. Ein Anspruch, der nicht nur nicht erfüllbar ist, sondern auch Quatsch.
Denn Kunst, und dazu zählt Rap halt, entsteht niemals im Kopf eines einzelnen Genies, abgekapselt vom Rest der Menschheit. Das ist eine Vorstellung, die etwa im 19. Jahrhundert modern war: Der Künstler als einsamer genialer Geist, der abgesondert von seinen Freunden im Elfenbeinturm quasi göttliche Werke erschafft, nur aus sich selbst heraus.
Und diese Vorstellung ist Bullshit. Kunst, zumal eine so vitale, dynamische wie Rap, entsteht im Gegenteil im Kollektiv. Gerade Rap ist im Grunde ein endloser Diskurs, ein Dialog, an dem alle, die jemals gerappt haben, rappen oder noch rappen werden, teilnehmen. Dinge, die bereits gesagt wurden, werden aufgegriffen, weiterentwickelt, mit einer neuen Bedeutung aufgeladen.
Dabei interessiert vor allem eins: Fügt der Sprechende, also der Rapper, diesem Dialog etwas Neues, im besten Falle interessantes hinzu? Eröffnet er neue Perspektiven, neue Sichtweisen? Und auch sehr wichtig: Passt die Sprache, die er verwendet, zum Inhalt und zu seiner Person?
Weit weniger wichtig – und vor allem nie endgültig überprüfbar – ist hingegen die Frage nach der Autorenschaft des jeweiligen Textes. Deshalb sind die ganzen Diskussionen darum, welcher deutsche Rapper wie viel von seinen Texten selber schreibt, auch so müßig und überflüssig.
Denn es macht gar keinen entscheidenden Unterschied. Juckt. Wichtig ist nur: Passen die Texte zum Rapper? Schafft er es, sie so rüberzubringen, dass man ihm abnimmt, was er da sagt? Alles andere sind Nebensächlichkeiten. Natürlich ist es eine Leistung, gute Texte schreiben zu können. Um ein guter Rapper zu sein, reicht diese aber längst nicht aus. Der beste Text ist nichts wert, wenn du ihn nicht performen kannst.
Deswegen: Ghostwriting ist nicht das Problem. Das Problem ist vielmehr schlechtes Ghostwriting – also wenn der Texteschreiber klüger oder gewitzter war als der vortragende Rapper, der die Punchline verstolpert oder den Witz, den er gerade rappt, selbst nicht kapiert. Solange das aber nicht passiert – warum sollte es jemand jucken?
Anmerkung der Redaktion: Mit der Verwendung von obigem Bild wollen wir nicht insinuieren, dass Eko Ewas Texte schreibt.