Gestern wurde in Berlin wieder der Musikpreis Echo verliehen – und wer schlau war beschäftigte sich mit was anderem. Zum Beispiel dem Europa League-Spiel Dortmund gegen Liverpool. Da war nämlich vorher noch nicht klar, wer gewinnt (Endergebnis 1:1).
Beim Echo hingegen ist es jedes Jahr dasselbe Spiel. Die überwältigende Mehrheit der Preise wird ausschließlich auf der Basis von Verkaufszahlen vergeben, steht also bereits längst fest. Nun hat nicht jeder Zugang zu den GfK-Zahlen, klar. Trotzdem: Eine Show, bei der alle so tun müssen, als seien sie total aufgeregt und gespannt, in Wirklichkeit aber jeder einzelne schon vorher weiß, ob er einen Echo gewinnt – wer braucht denn so einen Scheiß?
Zumal Deutschrap natürlich wieder wie Dreck behandelt wurde. Wie Kollegah in seiner Dankesrede und dem obligatorischen Winner-Interview anschließend treffend bemerkte, ist es sicher kein Zufall und erst recht keine Ehre, dass man den Preis Künstler/Künstlerin/Gruppe Hip Hop/Urban (national) erst gegen Mitternacht verlieh. Dass man ihn zusätzlich von einer uninspirierten, gelangweilten Person verleihen ließ, die sich ganz offen zu ihrer Ignoranz gegenüber deutschem Rap bekannte, setzte dem Ganzen die Krone auf.
Nee, sie wollen uns nicht beim Echo. Aber selbst, wenn man Deutschrap besser behandeln würde – die Veranstaltung hat sowieso keinen Sinn, außer, dass sich jede Menge C-Promis in schicke Schale werfen und einen Abend lang ein bisschen wichtig fühlen dürfen.
Sido brachte die Nicht-Spannung des Abends in seiner Laudation launig auf den Punkt, unterlief das ansonsten von fast allen eingehaltene Schweigegelübde und spoilerte frech: „Die sind so doof hier beim Echo. Ich bin hinter der Bühne an den Preisen vorbeigelaufen und hab geguckt, wer gewinnt. Ich jedenfalls nicht.“
Das konnte er allerdings auch schon vorher wissen, falls er sich dafür überhaupt interessiert: Sein Label kann ihm jederzeit die Verkaufszahlen aller „Nominierten“ nennen – und damit auch die Gewinner. Bushido hatte bereits im Januar 2015 erklärt, er werde nie mehr an der Veranstaltung teilnehmen und auch keinen Echo mehr annehmen. Konsequent.
Welchen Sinn es machen soll, die ohnehin schon kommerziell erfolgreichsten Musiker genau dafür (und nicht etwa für musikalische Leistungen) auszuzeichnen, weiß keiner. Der Echo ist eigentlich gar kein „Musikpreis“, er ist ein Geldpreis oder ein Verkaufszahlen-Award. Hier werden nicht Musiker ausgezeichnet, sondern Promo-Teams, Marketing-Agenturen und Image-Strategen. Dann sollen die doch auch bitte auf der Bühne stehen und den Preis entgegen nehmen.
Sympathisch war, neben besagter Laudatio von Sido und dem kritischen Kommentar von Kollegah, eigentlich nur der Auftritt der 187 Strassenbande.
Die beste Zusammenfassung des Abends lieferte einer, der gar nicht eingeladen war oder keinen Bock hatte – schließlich hatte er auch etwas viel wichtigeres zu tun:
Gerade Staubsaugen im Loft. An solchen Tagen einfach mal wichtigere Sachen erledigen!
— CARLO ESCOBAR (@FLER) April 7, 2016