Die Wahlerfolge der Alternative für Deutschland (AfD) bei den Landtagswahlen am vergangenen Sonntag riefen zwar nicht viele, aber doch einige Reaktionen aus dem Deutschrap-Lager auf den Plan. Der prominenteste Vertreter, der sich zu einem Track hinreißen ließ, war Eko Fresh. In seinem Acapella „Albtraum für Deutschland“ rechnete er mit der rechtspopulistischen Partei ab.
Diese ließ es sich nun nicht nehmen, auf seinen Song zu antworten – der Berliner Landesverband der AfD postet einen längeren Beitrag auf Facebook, in dem sie dem Kölner widersprechen. Ich will an dieser Stelle nicht die Argumente gegeneinander aufwiegen. Klar war Ekos Track nicht besonders differenziert. Es war ja auch nicht das wohlüberlegte Statement eines Politikers beziehungsweise dessen Redenschreibers. Sondern ein emotionaler Rapsong, aus einem Bauch heraus, in dem ordentlich Wut kochte. Mich interessiert auch gar nicht, ob der Song von Eko eventuell ein wohlkalkulierter Teil seiner Promophase war. Das macht die vordergründige Wirkung, sich klar gegen die Rattenfänger der AfD zu positionieren, nämlich weder schlechter noch besser.
Viel interessanter ist, dass die AfD versucht, Eko als künftigen Wähler zu gewinnen. Gleich am Anfang schreibt sie: „Sie können uns nicht dissen, Sie sind nämlich unserer Meinung.“ Wie bitte? „Als Sprössling einer Arbeiterfamilie, die in den Nachkriegsjahren nach Deutschland kam, um ehrlicher Arbeit nachzugehen, entstammen Sie konservativen Familienstrukturen, die Sie schätzen – die wir kennen und größtenteils bewahren wollen. “ Hmmm. „Aus diesem Grund werden uns viele Deutsch-Türken, die ebenfalls unter der Politik Angela Merkels leiden, im Herbst in Berlin ihre Stimme geben.“ Donnerwetter!
Klingt erstmal abwegig. Ist es aber bei näherer Betrachtung leider gar nicht. Und da sind wir beim eigentlichen Problem: Die AfD und ihre rechtskonservativen Ansichten sind tatsächlich mit einem beträchtlichen Teil der real existierenden Deutschrap-Werte, darunter auch des Teils, der durch Migration geprägt ist, durchaus kompatibel. Ausgeschlossen? Nein: Vor der letzten Bundestagswahl bekannten ein Rapper (Bushido) und ein Manager (Hadi El-Dor) sich offen dazu, die AfD wählen zu wollen.
Klar, das war bevor die Partei die sogenannte Flüchtlingskrise benutzte, um antimuslimische Ressentiments zu schüren. Damals ging es noch hauptsächlich gegen den Euro sowie die Unterstützung für Griechenland. Mit ihrer offenen Ablehnung jeglicher Aufnahme von Flüchtlingen hat die Partei momentan kein ganz so gutes Standing mehr bei deutschen Rappern.
Das muss aber keineswegs so bleiben. Erstens, wird die AfD das Thema Flüchtlinge nicht ewig reiten können. Wie jeder Aufreger ist auch dieser irgendwann vorbei. Zweitens, lassen sich auch jetzt schon einige Rapfans von der diesbezüglichen Rhetorik der Partei keineswegs abschrecken. Selbst manche, deren Eltern oder Großeltern selbst eingewandert sind, fallen auf Parolen vom angeblichen „Asylchaos“ herein – das ist diversen Facebook-Kommentaren eindeutig zu entnehmen.
Dazu kommt, dass die AfD ein Weltbild vertritt, das mit dem reaktionären Weltbild vieler Deutschrap-Fans in weiten Teilen übereinstimmt. Sie ist die erste Partei, in der Verschwörungstheorien durchaus als Grundlage für Meinungsbildung gesehen werden, sie ist pro Putin, anti Merkel, antifeministisch, gegen gleiche Rechte für Homosexuelle, gegen eine angebliche „Frühsexualisierung“ in Schulen – bedient also durchaus genau die Doppelmoral, die auch unter Deutschrap-Fans wie Deutschrappern gar nicht so selten anzutreffen ist. Selbst ihr Sozialdarwinismus ist mit dem offensiven Materialismus vieler Deutschrapper bestens vereinbar.
Es bringt also vergleichsweise wenig, ein paar Hass-Tweets über die AfD und ihre Wähler abzusetzen und zu denken, das alles habe ja mit uns nix zu tun. Deutschrap ist keineswegs immun gegen die einfachen Antworten, die die Rechtspopulisten zu bieten haben. Und der Brief an Eko zeigt jetzt schon ganz deutlich, dass die Partei keineswegs auf eine „reinrassige“ biodeutsche Wählerschaft setzt, sondern durchaus auch für Postmigranten attraktiv sein möchte. Unter Spätaussiedlern aus Russland beispielsweise hat sie es bereits geschafft, absolut wählbar zu sein.
Wenn man also nicht will, dass die AfD auch unter Deutschrap-Hörern wie Künstlern Stimmen abgreift und ihr menschenverachtendes Gift verspritzt, muss man offensiv damit umgehen, dass es durchaus bereits einen sumpfigen Nährboden gibt, der nur auf dem anstrengenden Weg trockengelegt werden kann: Gegenargumente sowie eine kritische und differenzierte Auseinandersetzung. Denn noch einmal: Immun gegen Rechtspopulismus ist Deutschrap leider nicht, noch nicht einmal durch seine starke Prägung durch Menschen mit einer Migrationsgeschichte.