Heute ist der Tag gegen Rassismus. Und ich kann das Aufstöhnen schon hören. Och nö! Immer dieser Rassismus! Ich bin doch gar kein Rassist! Kann ich gar nicht sein, schließlich höre ich Rap.
So habe ich früher auch gedacht. Rassismus? Hab ich nichts mit zu tun. Rassismus, das gibt es nur in ostdeutschen Dörfern. Vielleicht noch in Bayern. Und Deutschrap? Niemals. Rap ist afroamerikanische Kultur – und damit immun.
Immunität? Fehlanzeige
Beides war ein Irrtum. Ich bin in dieser Gesellschaft aufgewachsen und damit von klein auf durch rassistische Denkweisen und Weltsichten geprägt. Das fällt natürlich erstmal nicht auf – weil es allen anderen genauso geht.
Das spiegelt sich auch im Deutschrap wider. Wie die anderen Ideologien, die unsere Gesellschaft – Sexismus, Antisemitismus, Kapitalismus – steckt auch Rassismus tief drin. Im Gegensatz zu den USA oder Frankreich sogar noch mehr, weil Deutschrap viel stärker durch Weiße geprägt ist als in den beiden genannten Ländern. Und Weiße, da spreche ich aus Erfahrung, kriegen Rassismus meistens nicht mit. Vor allem den eigenen.
Immer dasselbe Schema
Das führt dazu, dass die immer wiederkehrenden Diskussionen über Rassismus im Deutschrap immer nach demselben Schema ablaufen: Betroffene kritisieren rassistische Äußerung oder Verhalten eines Künstlers. Künstler reagiert entweder trotzig oder mit Entschuldigung. Die Kommentarspalten auf Facebook sind voll mit Relativierungen, Hass, der Leugnung von Rassismus, Hirngespinsten wie „reverse racism“ usw..
Genau wie in der restlichen Gesellschaft. Auch unter rassismuskritischen Artikeln von Massenmedien findet sich dieses Phänomen: Eine Verweigerungshaltung, die aus dem Gefühl heraus entsteht, angegriffen worden zu sein. Nicht der Rassismus, den wir Weißen nicht direkt erfahren und deshalb gerne leugnen oder kleinreden, ist das Problem. Sondern dass Betroffene darüber reden – und die vermeintliche Idylle stören.
Deutschrap ist keine sichere Insel
Genau diese Vorstellung einer Idylle ist das Problem. Deutschrap ist keine sichere Insel in einem Meer von menschenverachtenden Ansichten. Betroffene erleben das jeden Tag – und sprechen darüber. Es hören ihnen nur immer noch viel zu wenige zu. Ist natürlich auch bequemer, das einfach als hysterisch abzutun und alles schön zu lassen, wie es immer war.
Bequemlichkeit verhindert jede Veränderung. Und auch ein Tag gegen Rassismus wird nichts ändern. Die einen, vor allem Institutionen, Vereine o.ä., posten brav ihr Statement gegen Rassismus – Rassisten sind natürlich immer nur die anderen. Die anderen winken gelangweilt oder genervt ab.
Was wir brauchen, ist eine ehrliche Auseinandersetzung mit dem verinnerlichten Rassismus in uns. Mit dem Finger auf andere zu zeigen bringt nichts und ist zudem nur eine Ablenkung vom Kern des Problems. Betroffenen zuhören, ihre Berichte ernst nehmen, eigene rassistische Grundannahmen erkennen – dafür ist jeden Tag Zeit. Nicht zuletzt auch im Deutschrap, dieser vermeintlich so lässigen und weltoffenen Kultur, die doch oft so verkrampft und verklemmt daherkommt wie ein Ü60-CDU-Wähler.