Heute vor 15 Jahren ist „Carlo Cokxxx Nutten“ von Bushido und Fler aka Sonny Black und Frank White erschienen. Im Nachhinein ein Album, dessen Einfluss auf Deutschrap immens war. Damals haben das allerdings noch nicht so viele geahnt – eine Erinnerung an einen düsteren Herbstabend 2002.
Ich erinnere mich noch daran, als wäre es gestern. Vor 15 Jahren, im Herbst 2002 lud das damals aufstrebende, aber noch lange nicht so dominante Label Aggro Berlin nach Berlin-Tempelhof ins Silverwings. Ein Club, in dem seinerzeit öfter Rap-Veranstaltungen stattfanden. An diesem speziellen Abend stand eine Releaseparty an. Zwei Berliner hatten ein gemeinsames Album über Aggro gedroppt. Bushido und Fler.
Man kannte diese Namen in Berlin natürlich. In Rapkreisen auf jeden Fall. Nur: So riesig waren die damals noch nicht. Und so kam es, dass die Releaseparty von „Carlo Cokxxx Nutten“, dessen Einfluss auf die Szene man heute im Rückblick kaum überschätzen kann, eine – man mag es heute kaum glauben – mehr schlecht als recht besuchte Veranstaltung war.
Carlo Colucci? Kannte damals kaum einer.
Vor der Bühne tummelten sich vielleicht 50 Gäste, vielleicht waren es auch 75. Offenbar handelte es sich größtenteils um Kumpels von Bushido und Fler. Jedenfalls rockten sie denselben Style: Boxerschnitt, Jeans mit Rübenschnitt, unten in die Socken gestopft, dazu Pullover mit auffälligen Streifenmustern, die man sonst eher bei türkischen Opas sah. Carlo Colucci? Kannte damals kaum jemand.
Und dann kickten sie ihre Parts, von der eher geringen Anzahl von Zuschauern äußerlich unbeeindruckt. „Wer will Krieg? Du nicht, denn du bist lieb“ – Der harte Battle-Rap, den Kool Savas oder Sido und Die Sekte sich gerade anschickten, deutschlandweit bekannt zu machen, wurde hier nochmal einen Zacken weitergedreht, vor allem in Sachen Härte und Street Credibility. Texte, Beats, Image, Klamottenstil – alles aus einem Guss. Deutschrap kuckte auf einmal sehr böse und trug dabei eine Lederjacke. Studenten- und Spaßrap war endgültig vorbei.
Wer hätte das gedacht?
Ich würde heute im Rückblick gerne behaupten, ich hätte natürlich gemerkt, dass ich gerade einer musikalischen Revolution beiwohnte, aber ehrlich gesagt habe ich das überhaupt nicht. Mir war nicht klar, dass das, was die beiden da von der Bühne rappten Deutschrap so maßgeblich und nachhaltig beeinflussen und prägen würde wie nichts anderes die kommenden Jahre.
Und offenbar war ich nicht der Einzige, der die Revolution zunächst verschlief. Sonst hätte das Silverwings ja aus allen Nähten platzen müssen. Wenigstens war ich dabei, aber vermutlich aus den falschen Gründen: Ich hatte eigentlich gehofft, dass auch die beiden anderen Aggro-Signings, also Sido und B-Tight, am Start sein würden, aber soweit ich mich erinnern kann, waren sie das nicht, jedenfalls nicht auf der Bühne. Vielleicht wollten sie Bushido und Fler ja auch nicht die Show stehlen.
Wie auch immer – an diesem Abend vor 15 Jahren wurde Geschichte geschrieben, eine Revolution gestartet, die Deutschrap komplett umkrempeln sollte – und kaum jemand bekam es mit.