Zeitreise: Wir schreiben 1997. Deutschrap gewinnt langsam an Format und während sich in allen Teilen des Landes Camps und Cliquen bilden, entsteht in Stuttgart aus dem Schoß des Künstlerkollektivs Kolchose der Freundeskreis. Und dieser wird zum Movement der selbst im erweiterten Einzugsgebiet der Mutterstadt Stuttgart zur absoluten Identifikation führt. Für viele – nicht nur Schwaben – eine monumentale Zeit. Und diese sollte jetzt anlässlich des Zwanzigsten gebührend zelebriert werden.
Zugegeben, der Rahmen hierfür war etwas seltsam gewählt. Hätten sich eingefleischte Fans von damals sicher eine kleine Tour durch die Republik gewünscht, musste man sich in der Realität aber mit zwei Terminen im Juni – und zweien im September abfinden. Das erste Konzert fand im Rahmen des mehrwöchigen Tollwood-Festivals in München statt, das zweite dann bei einer Konzertsommer-Veranstaltung von Mercedes Benz in Stuttgart. Da hier selbstverständlich von einem großen Publikumsandrang auszugehen war, wurde die Jubiläumstour bei ihrem Stop in der Mutterstadt um einen Termin ergänzt. Aber alles straight Mercedes-Benz gebrandet.
-EDIT- Wie sich herausgestellt hat, wurden die erwähnten vier Shows um einige Termine ergänzt. Somit kann man zwar von einer Tour sprechen, jedoch beileibe von keiner Eigenständigen anlässlich des Jubiläums. Hier und da sind Zusatztermine dazu gekommen und man spielt hauptsächlich auf diversen Festivals.
Zu Beginn hatte also alles eine komischen Werbeveranstaltungscharakter. Während einem sonst auf Konzerten immer Leute mit ihren Flyern auf die Nerven gehen, waren es hier halt übermotivierte Blondinen die einem im Polohemd mit dem Mercedesstern auf der Brust irgendwelche Schlüsselbänder schenken wollen – oder einen zu einem Gewinnspiel animieren. Mit Musik hatte das bis dahin wirklich wenig zu tun. Mit Rap schon gar nicht.
So stand ich also hinter dem Mercedes-Benz Museum in Stuttgart und versuchte dem Ganzen wenigstens noch etwas den Flair eines Hiphop-Konzertes abzugewinnen. Dies gelang mir jedoch erst als DJ Friction ca. eine halbe Stunde vor Beginn der Show Oldschool-Beats der Golden Era auflegte. Diesen folgte zugleich dann (fast) die ganze FK Squad. Max Herre, Don Philippe, Joy Denalane, Afrob, Sekou u.v.m. Leider wurde z. B. Gentleman schmerzlich vermisst. Dafür tröstete die Anwesenheit Megalohs darüber etwas hinweg. Zumal dieser seine Livetauglichkeit mehr als Eindrucksvoll unter Beweis stellte. Der Mann hat sie eben, die „Hitze„.
Von „Esperanto“ über „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ bis „A.N.N.A“ wurden alle Hits der ersten beiden Alben gespielt. Die in hoher Anzahl vertretenen Paare bewegten ihre in sich verschlungenen Körper im Rythmus zu „Mit dir“ und ein Hauch von Woodstock wehte über dem Festivalgelände. Dies hielt jedoch nur so lange an, bis Joy Denalane ganze vier Solotracks hintereinander spielte – und die Aufmerksamkeit des Publikums somit wieder zum erliegen brachte. Das bemerkten auch die anfangs erwähnten Mädels mit den Werbegeschenken relativ schnell und begannen dann wieder (während dem Konzert!!!) ihre Schlüsselbänder an den Mann zu bringen. Richtig nervig. Jedoch ließ einen das wenigstens die völlig überteuerten Bierpreise vergessen.
Nach ca. zweieinhalb Stunden, welche u.a. auch noch von Megaloh und Afrob-Tracks gefüllt wurden, fand dann das Konzert ein relativ schnelles Ende. Die Zeitvorgaben des Veranstalters ließen wahrscheinlich keine großen Zugabewünsche seitens des Publikums zu. Was zugegeben schade, aber dann am Ende auch nicht tragisch war. Nahte damit nämlich auch der Moment, welcher einem garantierte,sich jetzt endlich nicht mehr von übermotivierten (und wahrscheinlich unterbezahlten) Personal, irgendwelche Promo-Scheiße anhören zu müssen.
Als Fazit lässt sich sagen, dass es durchaus den ein oder anderen Moment während des Konzertes gegeben hat, bei dem sich alles irgendwie anfühlte wie ein „wieder nach Hause kommen“. Und ja, ich bin froh dabei gewesen zu sein. Nur empfinde ich die Tatsache, dieses Jubiläumskonzert im Rahmen einer Promoveranstaltung von Mercedes-Benz erlebt zu haben, extrem ernüchternd. Da wird aus „Musik ist Weltsprache“ dann doch wieder nur „schnelle Geldmache“.