Montez im Interview: „Das Album ist wie dein bester Freund”

Credit: Chiara Willenberg

Seitdem sich Montez im vergangenen Sommer mit dem Liebeslied „Auf & Ab” nicht nur an die Spitze der Charts, sondern auch in etliche Deutschrap-Playlists katapultierte, ist der Songwriter und Gold- und Platin-Rapper mittlerweile nicht mehr aus der deutschen Musik-Landschaft wegzudenken. Nun erscheint sein neues Album „Herzinfucked” – samt vierzehn Tracks voller Liebe. Mit der rosaroten Brille auf Wolke sieben schwebend oder gefangen im nie enden wollenden Herzschmerz einer toxischen Beziehung: Montez liefert dabei die gesamte Gefühls-Bandbreite seiner emotionalen Reise der letzten Jahre. Wir haben mit dem Wahl-Berliner über die positiven Seiten seines Liebeskummers, seine Wohngemeinschaft mit dem Produzenten Aside und TikTok als musikalisches Sprungbrett gesprochen.

„Herzinfucked” ist dein neues Album nach vier Jahren. Was hat sich seitdem für dich verändert?

Alles (lacht).

Inwiefern?

Es ist nichts mehr, wie es war. Ich wohne in einer anderen Stadt, meine Liebessituation und meine Musik haben sich geändert und ich habe mich verändert. Also einfach alles. Ich kann mich teilweise kaum noch in die Zeit davor hinein versetzen. Ich weiß nur, wie schwer es war – vielleicht verdränge ich das auch ein bisschen. Auf jeden Fall ist es heute tausendmal besser als noch vor ein paar Jahren.

Letztes Jahr bist du mit dem Lovesong „Auf & Ab” an die Spitze der Charts geklettert. Wie fühlt sich dieser langersehnte Durchbruch an?

Einerseits ist es wirklich krank überwältigend und viel zu groß, um es zu realisieren. Andererseits denkt ein kleiner Teil „Du hast dreizehn Jahre wie ein Irrer versucht das zu schaffen, irgendwann musste das passieren”. Aber so krass hätte ich es mir niemals erträumen lassen, das übersteigt jegliche Vorstellungskraft und ist nicht zu einhundert Prozent realisierbar. Der Song ist jetzt auch seit acht oder neun Monaten in den Top 25 bei Spotify und chartet jede Woche in die Top 30 der deutschen Single-Charts. Der ist einfach immer noch da (lacht). Da kann man gar keine Worte für haben.

Glaubst du, dass die sozialen Medien dabei eine große Rolle spielen? Der Sound ist ja mit über 70.000 Videos auf TikTok viral gegangen.

Ja klar, es hat dem Song viel Push und eine Plattform gegeben. In den Wochen danach haben mich direkt alle angerufen „Hey, wie hast du das mit TikTok gemacht?” und „Kannst du uns das beibringen?” und ich war so „Keine Ahnung”, weil ich nicht viel anders gemacht habe. Da gibt es auch keine Regel, dass dir jeder Song durch die Decke geht, wenn du eine TikTok-Kampagne machst und TikToker buchst. Gute Musik verbreitet sich nur, wenn es gute Musik ist und wenn ein Hit ein Hit ist. Deswegen glaube ich nicht, dass es nur daran lag – auch wenn es in dem Fall geholfen hat.

Neben der Hit-Single sind auch die anderen Tracks – von intimen Liebeserklärungen über toxische Beziehungen –  full of love. War es dir wichtig, die Liebe in all ihren Facetten zu zeigen?

Auf jeden Fall. Für mich geht es eigentlich immer nur um Liebe und ich glaube, dass es im Leben allgemein um nichts anderes geht. Deswegen sind achtzig Prozent aller Songs auf der Welt Liebeslieder, weil dieses Gefühl natürlich am meisten mit uns macht und es uns alle verbindet. Deshalb gab es da auch aus meiner eigenen Erfahrung mit der Liebe viel zu erzählen und darum ist dieses Album full of love. In schöner und trauriger Hinsicht.

Fiel es dir leicht dich von einer verletzlichen Seite zu zeigen?

Voll, das mache ich ja schon seit ich denken kann und das ist eigentlich das Hauptding von Montez. Meinen aller ersten Song habe ich geschrieben, weil ich traurig war – und meinen zweiten, dritten, vierten, fünften, sechsten, siebten, achten, neunten, zehnten, elften, zwölften und den dreihundertsten auch (lacht). Ich habe schon immer Musik gemacht, um meine Gefühle auszudrücken oder ein Ventil zu haben, um damit umzugehen. Ich bin eher jemand, der persönlich nicht so gut darüber reden kann und ständig versucht zu zeigen „Mir geht es gut”, selbst wenn es mir vielleicht nicht gut geht. Wodurch in den letzten zehn Jahren oft Leute zu mir gekommen sind und meinten „Ey Bro alles gut bei dir? Du erzählst da echt krasse Sachen” (lacht).

Du startest dein Album direkt mit einem inneren Konflikt und sagst „Kann mich nicht entscheiden zwischen gehen oder bleiben”. Bist du dabei eher ein Herz- oder Kopfmensch?

Ich glaube, dass kommt auf die Entscheidung an. Aber das frage ich mich selbst immer. Wenn bin ich vielleicht ein Bauchmensch, weil ich mich Gott sei Dank fast immer auf mein Bauchgefühl verlassen kann. Auch wenn das Herz natürlich oft da ist, ist es der Kopf eher nicht – das ist bei uns Künstlern halt einfach so.

Hat dir das Album auch geholfen deine eigenen Ups und Downs zu verarbeiten?

Ja voll, dafür mache ich hauptsächlich Musik. In erster Linie verarbeite ich es selbst und in zweiter Linie helfe ich anderen dabei zu verarbeiten. Seit ich Musik mache, bekomme ich am meisten die Nachricht „Ey krass, wie kannst du jedes Mal wieder einen Song schreiben, der genau meine Situation trifft”. Ich kriege so viel Liebe und konnte in den letzten zwölf Jahren so vielen Menschen helfen; durch den ganzen Erfolg und die Reichweite jetzt natürlich noch mehr. Meiner Meinung nach ist Musik dafür am Ende einfach da.

Besonders bei Songs wie „Mond” schwebst du zwischen Pop-Ballade und Rap-Track. Wie würdest du deinen Sound beschreiben?

Genau so, zwischen Pop-Ballade und Rap-Track (lacht). Seit ich angefangen habe Musik zu machen, hatte ich immer diesen Zwiespalt: will ich Rapper oder Sänger sein? Eigentlich will ich Eminem sein, aber auch Ed Sheeran. Das habe ich nie so ganz hinbekommen. Auf der „Kokon” EP hat man zum ersten Mal gemerkt, dass ich das ein wenig knacke – auch mit der neuen Zusammenarbeit mit Aside, den ich zu der Zeit kennengelernt habe. Jetzt hat es auf dem Album perfekt geklappt. Meine Musik macht auch aus, dass ich keine Angst vor großen Melodien habe. Die können sehr gerne poppig und mainstreamig sein, aber das Writing ist noch mega HipHop und Rap.

Du hast neben Aside noch mit mehreren Produzenten zusammengearbeitet. Kamen dadurch nochmal andere Einflüsse?

Der ganze Sound hat sich eh mit Aside geändert. Er ist auch gefühlt fünfzig Prozent von Montez. Wir wohnen ja sogar zusammen und machen natürlich zwangsläufig zu Hause Musik. Selbst wenn ich mal auf dem Sofa Fifa spiele, setzt er sich aus Langeweile an das Piano. Vorgestern ist wieder so etwas entstanden: um ein Uhr nachts hat er aus Spaß auf der Gitarre herum geklimpert, weil wir „Geisterstadt” für irgendeinen Auftritt üben wollten. Wir haben wirklich nur rumgealbert, aber dann hat er ein paar Akkorde gespielt, bei denen ich direkt eine Melodie hatte, die wir sofort aufgenommen haben. Klar habe ich mit vielen Leuten wie den Beatgees oder Jumpa zusammengearbeitet. Man kann sich hier und da auch immer Mal jemand Neues holen, wenn man ein paar neue Eindrücke braucht. Mit Yanek Stärk habe ich „Geisterstadt” gemacht. Da sticht der Sound ein bisschen heraus, weil ich den so sonst noch nicht hatte. Aber diesen Song liebe ich extrem, das ist einer meiner absoluten Lieblingssongs des Albums.

Entstehen alle Songs bei dir eher spontan oder setzt du dich mit einem konkreten Ziel an die Arbeit?

Das kommt immer darauf an. Als Songwriter sind die meisten Sessions natürlich geplant, aber bei dem Beispiel mit Aside ist das einfach spontan aus Langeweile und Quatsch entstanden. Manchmal träume ich auch irgendetwas, so ist der Song „Streiten” entstanden. Ich habe den quasi geträumt, bin aufgewacht, sofort zum Piano gerannt und habe dann Aside geweckt: „Bro du musst aufstehen!” – „Hä, was?” – „Ey ich hab hier grade voll die Vision” (lacht). Sowas kann dann passieren.

Credit: Chiara Willenberg

Du schreibst ja auch für andere Künstler:innen. Hat sich mit deiner wachsenden Reichweite dein Standing als Songwriter hinter den Kulissen verändert?

Ich denke, mein Standing hat sich schon vorher durch das ganze Songwriting vergrößert. Ich mache das jetzt seit knapp drei Jahren und war auch vor „Auf & Ab” wirklich sehr erfolgreich als Songwriter. Da muss ich mich nicht verstecken (lacht).

Fällt es dir dabei leichter Texte für dich oder für andere zu schreiben?

Auf jeden Fall für andere. Wenn ich in eine Songwriting-Session gehe, kann ich mich wie ein Schauspieler in die Leute reindenken. Manchmal wird mir im Briefing etwas vorgegeben oder der Künstler oder die Künstlerin sagt „Ey ich habe letztens so einen Song gehört, können wir was in die Richtung machen?”. Dann schreibe ich den Text und bin auch sehr tief im kreativen Prozess, aber das ist nicht mein eigenes Projekt und die ganze Vision muss nicht unbedingt von mir kommen. Deswegen ist es schon einfacher. Ich erzähle meistens sehr viele echte Geschichten aus meinem Leben, da muss man natürlich erstmal wieder etwas erleben. Aber wenn du als Songwriter mit vielen Künstlern arbeitest, gibt es viele Geschichten, Themen und Genres. Egal ob Schlager, Pop oder Straßenrap – da kann man einfach viel mehr benutzen und abarbeiten.

Gibt es Songs, die du im Nachhinein lieber für dich behalten hättest?

Jo (lacht). Da fällt mir direkt ein Song ein – den ich jetzt natürlich nicht erwähne – bei dem ich sehr krass mit mir gekämpft habe. Bis heute noch. Ich bin mit der Künstlerin auch sehr gut und sie wird sich jetzt kaputt lachen, weil sie ganz genau weiß, dass ich sie meine (lacht). Der Song, den ich für sie gemacht habe, war richtig wie ein Montez-Song. Ich mache meistens die Demo-Vocals und darin war so viel Pain, dass man richtig gemerkt hat, wie ich gebrochen bin. Dann haben wir ihren gehört und dachten uns „Oh Gott scheiße, fuck alter”. Ich habe danach so leicht gefragt „Ey sag mal, könnte ich den vielleicht selber haben?” (lacht). Aber das kann man natürlich nicht machen, dafür wirst du ja als Songwriter gebucht und kriegst Geld.

Mittlerweile hast du seit über zehn Jahren für deinen jetzigen Erfolg gearbeitet. Was hat dich in dieser Zeit trotzdem nie aufgeben lassen?

Der Glaube an mich selbst. Bis auf eine kurze und sehr schlechte Zeit von zwei, drei Jahren, in denen ich Schreibblockaden, Depressionen, Panikattacken, sehr viele Selbstzweifel und keine Perspektive für die Zukunft hatte, war ich eigentlich immer absolut überzeugt von mir. Ich war mir bis „Auf & Ab” jedes Mal komplett sicher, dass der nächste Song erfolgreich sein wird (lacht). Dieses Mindset hat mich nach jedem Rückschlag wieder neu aufstehen lassen. Auch wenn es natürlich sehr, sehr, sehr schwer ist diese Überzeugung beizubehalten, wenn du so lange nicht erfolgreich bist – das ist alles andere als einfach. Aber tief in mir drin wusste ich, dass ich irgendwas ganz Besonderes in meiner Musik habe.

Kannst du diesen schwierigen Zeiten rückblickend auch etwas Positives abgewinnen?

Ja, nur! Wenn das alles nicht passiert wäre, wäre ich jetzt niemals Gold- und Platin-Rapper. Niemals. Ich wäre nicht einmal nach Berlin gezogen, weil ich aus einer Beziehung heraus ja eher hier hin geflüchtet bin (lacht). Deswegen bin ich trotzdem dankbar dafür.

Findet dieser Abschnitt deines Lebens dann mit dem letzten Song „Niemals ohne Dich” einen Abschluss?

Ja, das Album ist wie ein Abschluss mit dieser Zeit. Viele haben mir gesagt „Alben bringen doch gar nichts mehr, wer kauft die noch? Mach einfach weiterhin Singles, läuft doch gut”. Mir war aber wichtig, dass es dieses Album gibt. „Herzinfucked” ist eigentlich dafür da, dass jeder eine persönliche Verbindung daraus ziehen kann. Jeder hat in seinem Leben schon positive und negative Erfahrungen mit Liebe gemacht und es bringt dich durch gute und schlechte Zeiten. Das Album ist also wie dein bester Freund in so einer schlechten Phase. Damit ist es für mich auch beendet und ich kann jetzt mit dem nächsten Album auf die nächste Reise gehen.

Ist da schon etwas in Planung? 

Das nächste Album ist fast fertig (lacht). Ich kann allerdings nur verraten, dass ich so viele krasse Songs habe, dass ich nicht weiß mit welcher Single ich anfangen soll (lacht). Ich weiß auch schon, wie es heißt. Aber alles dann mit der Zeit.

Wenn du dich entscheiden müsstest: Erfolg oder Liebe?

Liebe. Es geht immer nur um Liebe.