Nach einer fünfjährigen Album-Abstinenz, in der er aber keineswegs untätig geblieben ist, veröffentlichte Megaloh am letzten Freitag sein neues Album „21”. Den Titel wählte er dabei sehr bedacht. 21 ist nicht nur die alte Postleitzahl seines Heimatbezirks Moabit sondern hat darüber hinaus noch diverse andere Bedeutungen. „21” markiert einen neuen Abschnitt in der Karriere des Rappers, dem in der Vergangenheit häufig der Stempel des sogenannten Conscious Rappers aufgedrückt wurde. Der neue Abschnitt zeichnet sich auch dadurch aus, endgültig mit diesem Label zu brechen und nur noch die Musik zu machen, die er selbst wirklich machen möchte. Dass er mittlerweile Vater geworden ist, eigene Beats baut und bereits darüber nachdenkt, selber Musikvideos zu drehen, beschreiben ebenfalls den neuen Anstrich, mit dem Megaloh sich nun präsentiert. Wir haben uns vor ein paar Wochen mit ihm zusammengesetzt und haben dabei nicht nur über die Entstehung von „21”, sondern auch über das Vaterglück, seine ersten Beats und seine neu gefundene Leichtigkeit gesprochen. Welche Rolle sein Sohn dabei spielt, was er von Fanerwartungen hält und wie er zu seinem mittlerweile fast legendären Zitat „Deutscher Rap ist kein Hip-Hop” steht, lest ihr in unserem Interview.
Albumtitel, die einen Bezug zum Künstler oder seiner Herkunft haben, suggerieren für mich, dass die Platte eine besondere Bedeutung hat. 21 ist dabei nicht nur die alte Postleitzahl deines Heimatbezirks Moabit. Was ist das Besondere für dich an der Platte?
Das Besondere ist, dass „21” eine Rückbesinnung zum Spaß an der Musik und am Musikmachen war. Ich bin jetzt an einem Punkt in meiner Karriere, an dem ich kommerziellen Erfolg hatte und in der Wahrnehmung der Leute angekommen bin. Auch wenn die eigene Wahrnehmung natürlich nochmal eine andere ist, gehöre ich jetzt zu diesem Rap-Kosmos dazu. In diesem ganzen Prozess habe ich super hart gearbeitet und mein ganzer Fokus lag darauf, dass ich es unbedingt schaffen muss und ich mich immer weiter optimieren muss. Durch diesen Druck, den ich mir selbst gemacht habe, ist der Spaß am Musikmachen, am kreativ sein verloren gegangen. „21” ist eine Rückbesinnung, weil der Spaß daran immer mein Hauptantrieb gewesen ist. Ich will diese Musik machen, sie hören, sie auseinandernehmen und wieder zusammensetzen.
„21” hat eine neue Leichtigkeit, die man sonst gar nicht so von dir kennt. Woher kommt die?
Ich musste mir diese Leichtigkeit auf jeden Fall erarbeiten (lacht). Die wichtigste Sache ist, dass ich 2017 Vater geworden bin. Schon vorher war ich in einer Konstellation, in der ich Kinder mit erzogen habe, aber da habe ich mehr Verantwortung gespürt. Meine Prioritäten haben sich komplett verändert, weil ich durch die Augen meines Sohnes einen anderen Blick auf das Leben bekommen habe. Ich sehe ihn heranwachsen, Laufen lernen und wie viel Freude er daran hat. Ich solchen Momenten merke ich, dass es uns eigentlich allen so geht im Leben. Wenn du etwas entdeckst, worauf du richtig Bock hast, wirst du dir Mühe geben und es wird dir leichter fallen – bildlich gesprochen – immer wieder aufzustehen und weiterzumachen. Das hatte ich für mein Leben einfach vergessen. Ich habe Rap sehr früh kennengelernt. Danach gab es keine wirkliche Bereicherung mehr in meinem Leben, alles wurde immer professioneller und ich wurde besser. Dabei ist es aber zu einem Handwerk geworden, bei dem der Spaß auf der Strecke blieb.
Ist dieses Umdenken vielleicht auch die Konsequenz der letzten anderthalb Jahre?
Es hat bestimmt geholfen, das Ganze zu materialisieren. Die Gedanken waren schon vorher da. Dieser Prozess fing 2018 an, als ich mich ans neue Solo-Album gesetzt habe und mir überlegt habe, was ich überhaupt für Musik machen möchte. Eigentlich hatte ich gar keinen Bock und so fingen die Überlegungen an. Tatsächlich habe ich in den letzten anderthalb Jahren angefangen, mich selbst zu recorden, Beats zu machen und mir spielerisch diesen ganzen Prozess zu eröffnen. Fehler waren erlaubt. Das war in meiner Wahrnehmung vorher nicht mehr so. Gefühlt musste nach zwei Top-10-Alben jede Zeile sitzen und alles ein Statement sein. Dieser Druck macht keinen Spaß. Ich habe diesen Streber-Megaloh, der seine Karriere immer weiter optimieren wollte, nicht mehr gefühlt. Warum muss ich das machen? Klar muss ich meine Familie ernähren, aber krieg ich das auf diesem Weg überhaupt hin? Ich bin sehr dankbar, dass ich den Mut und die Möglichkeiten hatte, mich mit mir selbst zu beschäftigen und bestimmte Dinge ausprobieren zu können.
Du hattest schon 2018 angefangen, an „21” zu schreiben?
„Zombiemodus” war der erste Song, der ist allerdings auf der „Hotbox EP”. Das war aber der erste Song, der in diesem neuen Abschnitt entstanden ist. Wenn du dir den inhaltlich anguckst, merkst du, dass es da noch sehr um die alten Thematiken ging – nur Arbeit und keine Zeit für nichts. Da war ich noch in dem alten Modus, habe aber gemerkt, dass ich damit nicht glücklich bin.
Du hast also während des Schreibprozesses für die „Hotbox EP” die Rückbesinnung zur Leichtigkeit erlebt?
Ja, würde ich sagen. Ich wollte ja eigentlich auch nie eine EP machen, sondern ein Album. Alle Tracks auf der EP waren Überlegungen für das Album. Man hört den Prozess, dass ich durch depressive Phasen gehe und diese Selbstliebe und den Spaß erstmal finden muss. Auf dem Album war ich schon einen Schritt weiter.
Ich hatte vor dem Release der ersten Single ehrlich gesagt eine andere Vorstellung von deinem nächsten Album.
Ich glaube, das hatten viele (lacht).
Wolltest du auf „21” auch mit den Erwartungen deiner Zuhörer brechen? Viele Leute haben von dir ja schon das Bild des Conscious Rappers.
Safe! Mich stört dieses Bild extrem. Ich habe jetzt kein Problem damit, auch mal als positive Referenz zitiert zu werden, aber da findet eine Reduktion statt. Vielleicht werde ich damit auch besser dargestellt, als ich es bin – vielleicht aber auch langweiliger. Ich habe mir dieses Label nie selber ausgesucht, sondern habe es bekommen, weil ich in einem Team Musik gemacht habe, bei dem auf Inhalte geachtet wurde. Durch Max Herre und Nesola, aber auch über Verantwortungsbewusstsein und weil ich durch meine Familiensituation bestimmte Sachen gemacht habe, haben mich Leute dann in dieser Position aufgeladen. Aufgrund der Zusammenarbeit mit Max Herre und meinen „Auf Ewig” Mixtapes wurde ich dann irgendwie zum 90s Realkeeper ernannt, der musikalisch nur sowas macht. Das stimmt halt einfach nicht. Ich hab davor schon ignoranten Trap gemacht. Diesen Aspekt kennen die Leute gar nicht von mir. Ich höre auch keinen Conscious Rap, ich höre ignoranten Atlanta Trap, der einfach nur viben will. Wieso kann Megaloh nicht auch solche Energien bedienen?
Der Track, der das Gefühl von Leichtigkeit meiner Meinung nach am besten beschreibt, ist witzigerweise „Morgens”.
Ach echt? Meiner Meinung nach ist das eher einer der schweren Songs auf dem Album.
Ich finde, dass die Art und Weise, wie du mit deinen Problemen umgehst, die Leichtigkeit des Tracks ausmacht. Welcher Track drückt das für dich denn am ehesten aus?
Für mich bringt es eigentlich „Falsch” featuring Mussa sehr gut auf den Punkt. Letztendlich gibt es da eine politische Message, wir bringen sie aber auf eine stoopid Art rüber. Ich hatte so Spaß, den zu schreiben. Ich habe nicht versucht wie bei einem BSMG Track mein Leid auszudrücken, sondern habe einfach den Vibe des Beats gespürt. Es musste so dumm bleiben wie die 808 (lacht). Diese Möglichkeiten feier ich einfach an Musik. Ich will mich da nicht begrenzen lassen oder mir von irgendjemandem sagen lassen, wie Megaloh Musik zu machen hat.
Dazu neigen Fans natürlich auch. Wenn „Falsch” auf YouTube landet, wird es bestimmt jede Menge Kommentare geben, dass du wieder die Sachen von früher machen sollst.
Ja, save!
Perlt sowas an dir ab?
Das würde ich nicht sagen, aber mittlerweile verstehe ich, dass das Teil des Prozesses ist. „Thug Motivation 101” von Young Jeezy ist für mich eines der wichtigsten Alben. Danach hat er eigentlich in dem gleichen Style weitergemacht, aber für mich hatte er es irgendwie verloren. Deshalb verstehe ich, dass Fans etwas in einem sehen können, was man selber vielleicht nicht sieht oder dass ein Artist bestimmte Sachen nicht mehr bedient oder bedienen möchte. Trotzdem kann kein Künstler langfristig gute Sachen machen, wenn er immer nur guckt, was andere wollen.
Ich denke, dass jeder dieses Gefühl schon mal bei einem bestimmten Künstler hatte.
Ich bin auch nicht wütend auf die Fans. Ich find es nur schade, dass sobald minimal Autotune eingesetzt wird, die Welt gleich in Gläubige und Ungläubige aufgeteilt wird. Aber auch das kann ich verstehen. Wenn man nicht so mit der Materie vertraut ist, dann das Radio anmacht und immer eine gewisse Ästhetik hört, hat man natürlich ein bestimmtes Bild davon. Das ist wie bei den Leuten, die früher gesagt haben, dass Rapmusik immer gleich klingt – was natürlich Quatsch ist. Aus einer oberflächlichen Betrachtung heraus kann das halt so gesehen werden.
Auf „Caesar” bringst du Adlibs, die als kleine Young Thug Hommage verstanden werden können.
Tatsächlich ist es nicht Young Thug als Person, sondern eher ein Atlanta-Trap-Ding. An dieser Stelle muss man aber auch sagen, dass die New Yorker vorher „slime” gesagt haben. Vado war zum Beispiel immer „slime”, wobei der jetzt auch kein Überflieger war. Der hat das Wort aber auf jeden Fall immer benutzt, noch bevor das so ein Atlanta Ding wurde. Ich höre viel von dieser Musik, von dieser Beat-Ästhetik, vor allem Gunna und Lil Gotit feier ich übertrieben. Future war für mich immer so der Typ, Young Thug eher weniger. Das mag jetzt hart klingen, aber er war für mich am Anfang eine Lil Wayne Kopie und dann eine Future Kopie. Er hat es dann aber geschafft, seine Craziness mit einzubringen. Mittlerweile ist er auf Augenhöhe. Ich habe ihn aber nie so viel gehört.
Zurück nach Deutschland. Wie kann man sich das vorstellen, wenn du dir für „Live & Direct” Savas, Marteria, Amewu, Samy und Afrob auf den Track holst? Ein Anruf und das Ding ist im Kasten?
Ich habe einfach eine Gruppe bei Whatsapp aufgemacht und gesagt, dass ich in zwei Wochen die Parts haben will (lacht). Nein, Quatsch. Tatsächlich ist der Track eher zufällig auf mein Album gestolpert. Eigentlich war er für ein anderes Projekt geplant. Dadurch, dass „Live MCs” nicht zustande gekommen ist, hatten wir einen starken Beat mit zwei starken Parts von Amewu und mir. Er hatte damals den ersten Part gelegt und ihn auf Doubletime zersägt. Ich hatte ihn dafür richtig hart verflucht, weil ich dann genauso nachlegen musste, aber im Endeffekt war ich richtig froh über das Ergebnis. Deshalb wollten wir den Track noch epischer machen, als er ohnehin schon war. Der Titel hat es eigentlich gemacht, „Live & Direct” sagt’s klar aus, da kann nicht jeder drauf. Meiner Meinung nach gibt es in Deutschland nicht so viele Rapper, die diese Energie live bringen können. Afrob und Samy sind für mich eigentlich die krassesten. Savas und Marteria sind genauso stabil. Also waren die vier schon das Dream Setup. Ich bin super froh und dankbar, dass das geklappt hat.
Also musstest du keine große Überzeugungsarbeit leisten?
Ich hab sie gefragt und soweit ich mich erinnern kann, haben auch alle sofort zugesagt. Ich musste denen jetzt nicht krass hinterher rennen. Ich bin wirklich sehr dankbar, Shoutout an alle, die beteiligt waren.
Du hast auf deinem Album drei Beats selber gebaut und zwei co-produced. Wie kam es dazu, dass du angefangen hast, Beats selber zu machen?
Wenn ich ehrlich zu mir selber bin, hat es mich schon immer fasziniert. Ich hab aber immer gedacht, dass ich das wirklich nicht machen kann. Das ist was für Sesselpupser, für Nerds und für Technikaffine. Ein Rapper steht im Leben, macht dies und jenes, aber er sitzt ganz sicher nicht am Rechner und macht einen Beat (lacht). Eine total engstirnige Sichtweise. 2010 haben Ghanaian Stallion und ich gleichzeitig versucht, mit Logic Beats zu bauen. Als wir sie uns am nächsten Tag vorgespielt haben, hatte er einen coolen und ich nicht. Das Ende der Geschichte ist, dass er Produzent geworden ist und ich es direkt wieder sein gelassen hab. Fast zehn Jahre später war dann der entscheidende Faktor, dass mein Sohn Ende 2017 Talent und musikalisches Interesse gezeigt hat.
Also mit sechs Monaten?
Genau. Ich weiß es auch gar nicht mehr genau, weil so viele Dinge passieren. Ich glaube, er war an einem Kinderschlagzeug oder einem Kinderkeyboard und hatte irgendwie Groove (lacht). Keine Ahnung. Natürlich feiert man das eigene Kind, aber in dem Moment habe ich mir irgendwie vorgestellt, wie er irgendwann Mucke machen will und ich dann mit ihm bei Produzenten Beats shoppen gehe. Das war irgendwie mein erster Gedanke. Vielleicht wäre es ja auch gar nicht so, aber irgendwie hat mich das krass abgeturnt. Das ist keine gute Vater-Sohn-Beziehung (lacht). Also dachte ich mir, dass ich einfach damit anfange. Zwei, drei Monate lang habe ich dann auf anstrengend mega schlechte YouTube-Tutorials geschaut, um die Grundlagen zu lernen. Aber ab dem Moment, an dem ich diese Hürde übersprungen hatte, wurde es einfach nur noch geil. Das war wie so ein Ozean, bei dem man nicht weiß, wo der Anfang oder das Ende ist. Jetzt mache ist seit drei Jahren fast jeden Tag irgendwas. Das ist wirklich wie Therapie, das haben Texte nie für mich gemacht. Mein erster Reflex war auch, allen Produzenten zu sagen, ihr Wichser, dass ihr uns das vorenthaltet. Ihr wisst von dieser Insel, aber erzählt niemandem davon (lacht).
Du hast zwei Beats mit Ghanaian Stallion zusammen co-produziert. Wie kann man sich das vorstellen?
In der Anfangszeit saßen wir viel zusammen und ich hab ihm schnelles Feedback gegeben. Im Endeffekt macht Stallion aber sehr viel für sich. In den vergangenen Jahren hab ich viele fertige Beats von ihm gepickt, die er dann noch ausproduziert hat. Es war selten so, dass wir von Null einen Beat zusammen gemacht haben. Bei der „Hotbox EP” habe ich dann angefangen, Skizzen zu machen, die aber noch ziemlich lame waren. Ich hatte nicht den Anspruch, einen krassen Beat zu machen, sondern einfach Songideen auszuformulieren. Bei „Für uns” habe ich zum Beispiel die Melodie eingesungen und die Drums und den Groove skizziert. Das war ein richtig dämlicher Beat, aber die Idee war da. Dann bin ich damit zu Alan gegangen und habe ihm gesagt, dass die Songidee ganz geil ist, er jetzt aber bitte ’nen guten Beat drunter machen soll (lacht). Auch wenn bei ihm andere Skills am Start sind, weiß ich natürlich am besten, was ich will. Und wenn ich rumprobiere, komme ich vielleicht eher zu dem, was ich in dem Moment fühle, als wenn ich mich durch zig Beats klicke oder meine Wünsche kommunizieren muss – wobei auch das leichter geworden ist, seitdem ich das Vokabular lerne.
Neben den Beats hast du auch den Gedanken geäußert, selbst Videos machen zu wollen. Woher kommt der Antrieb?
Fast alles, was ich so mache, hat einen positiven und einen negativen Antrieb. Der positive Ansatz ist tatsächlich einfach die Faszination an neuen kreativen Zugängen. Das Visuelle eröffnet nochmal eine ganz andere Ebene und sich damit auseinanderzusetzen, ist ultra spannend. Der erste Impuls war aber, dass ich häufig nicht zu 100 Prozent zufrieden mit meinen Videos bin. Das liegt bestimmt auch daran, dass ich immer mit anderen Teams zusammengearbeitet habe und so nie mit jemandem zusammenwachsen konnte. Im Rahmen einer neuen Kampagne muss man sich so immer wieder neu rantasten. Wenn ich dann sehe, wie viel Geld da teilweise im Spiel ist und wie viele Kompromisse ich trotzdem eingehen muss, macht mich das nicht glücklich. Auch in puncto Beats hat mir das bloße Beatpicking und das nüchterne Runterrappen keinen Spaß mehr gemacht. Da gibt es also auch eine negative Motivation. An erster Stelle steht aber die Faszination. Da das Beats machen so gut klappt, will ich es einfach probieren. Bis jetzt laber ich aber nur, ich hab echt noch gar nichts gemacht (lacht).
Du warst also schon vorher in die kreativen Prozesse eingebunden oder inwiefern musstest du Kompromisse eingehen?
Meistens wurde mir vorher ein Konzept präsentiert, die Kompromisse musste ich eher hinterher eingehen. Die Idee dahinter ist häufig ganz geil, aber trotz Moodboard ist es schwierig, sich darunter etwas vorzustellen. Dann kommt das Ergebnis und du wunderst dich, warum du nicht so cool rüberkommst, wie du es gedacht hättest. Aber lange Rede, kurzer Sinn: Es gibt einfach Dinge, auf die ich mich in Rapvideos fokussiere, die ich gut finde. Ich denke, dass es da ähnlich wie bei den Beats so Transferskills geben könnte, die ich durch meine Erfahrung als Rapper habe. Ich freue mich darauf, das auszuprobieren, auch wenn ich ein bisschen Angst vor der Größe der Aufgabe habe. Das fühlt sich wieder wie zu Anfang beim Beats machen an. Wo soll ich überhaupt anfangen (lacht)? Der Prozess ist aber der gleiche – nicht gleich zu hohe Ansprüche haben und vom Spaß leiten lassen. Ich bin nicht in der Pflicht, für mich Videos drehen zu müssen. Diese Comicvideos, die im Rahmen der „Hotbox EP” entstanden sind, sind auf meinem Mist gewachsen. Natürlich nicht die Umsetzung, aber die Idee kam von mir. Das Team von Overtoon hat das Ganze dann großartig umgesetzt.
Nochmal was anderes. Du bist mittlerweile schon eine ganze Weile Teil der Szene und hast dir einen gewissen Ruf erarbeitet. Kommen jüngere Artists auf dich zu und bitten dich um Rat?
Das kommt immer mal wieder vor, aber ich bin jetzt keine Anlaufstelle für junge Künstler, um nach Rat zu fragen. Das passiert eher in persönlichen Verhältnissen. Ich habe in letzter Zeit vermehrt auch Songwriting gemacht. Da ist man auch in Konstellationen mit jüngeren Artists, zu denen man vielleicht aus eigener Erfahrung etwas sagen kann. Manchmal red ich auch einfach ungefragt (lacht). Früher hat mich bei den Älteren immer gestört, dass die versuchen, dir die Welt zu erklären. Das ist die komplett falsche Haltung. Ich hab in der letzten Woche mit Leuten Musik gemacht, die 17 Jahre alt sind. Die bringen Sachen auf den Tisch, die ich nicht bringe. Man sollte sich immer auf Augenhöhe begegnen. Wir können in beide Richtungen voneinander lernen.
Beobachtest du die jüngere Generation?
Die neue Generation interessiert mich, aber deutscher Rap nicht (lacht). Daran hat sich nichts geändert. Auch wenn ich immer wieder Spitzen verteile, soll das gar kein Hate sein. Ich find’s musikalisch einfach nicht so spannend. Größtenteils ist es immer noch eine Aneignung oder eine Orientierung am amerikanischen, französischen oder britischen Rap oder an globalen Entwicklungen wie Afrobeat.
Die letzten beiden Fragen stelle ich vor allem, weil du mal gesagt hast, dass man als Rapper in Berlin früher keine Liebe bekommen hat. Die neue Generation, gerade in Berlin, steht für gegenseitigen Support. Wünschst du dir manchmal, dass das bei dir früher auch so gewesen wäre?
Ich bin nicht so, dass ich sowas betrauere, das bringt einen nicht weiter. Aber ich hab das früher schon kritisiert, weil das der Berliner Spirit war. Man gönnt sich nichts und innerhalb der Bezirke, oder von Bezirk zu Bezirk, gibt es keine Solidarität. Nur wenn man auf’s Splash fährt, machen alle nach außen hin auf die krassen Berliner. Da haben in Berlin die Strukturen gefehlt. Ich freue mich, zu sehen, dass es bei den Jüngeren viel mehr Liebe gibt. Es geht viel weniger um dieses Einzelkämpfer-Ding. Ich trage teilweise immer noch diese Begrenzung mit mir rum. Wenn ich Features als Eingestehen von Schwäche sehe oder Schwierigkeiten habe, nach Hilfe zu fragen, ist das eine Prägung davon. Das ist völlig unnötig.
Von dir stammt der mittlerweile fast schon legendäre Satz: „Deutscher Rap ist kein Hip-Hop”. Wir müssen nicht darüber sprechen, was du damit meinst, das sollte eigentlich allen klar sein. Viele regt dieser Satz aber auf. Was glaubst du, wieso die Leute so darauf reagiert haben?
Weil es sie mit der Realität konfrontiert – oder mit Sachen, die innerhalb ihrer Realität nicht im Fokus liegen. Gesamtgesellschaftliche, globale, historische Zusammenhänge, Privilegien und Aneignung. Ich will das nicht als Kampfbegriff verwenden, natürlich bedient sich Musik und Kunst grundsätzlich an anderem, alles basiert auf einander. „No idea is original”, sagt Nas. Aber was ich nicht feiere, ist diese Arroganz, mit der gesagt wird, Deutschrap hätte irgendwas erfunden. Leute – versteht einfach, wo das alles herkommt. „Bitches and hoes” wird nicht aus Spaß gesagt, sondern ist Teil einer krass entwurzelten Kultur, die sich neu finden musste. Aber wie gesagt, wir müssen nicht nochmal drauf eingehen. Es würde aber auf jeden Fall keinem Hip-Hop-Fan schaden, sich mit der afro-amerikanischen Geschichte auseinanderzusetzen.
Du hast die Leute immer auch durch deinen Aktivismus überzeugt. Glaubst du, dass du dieses Kapitel abgeschlossen?
Ich glaube, das nichts vorbei ist. Alles ist in ständigem Wandel und manchmal wiederholen sich Kreisläufe oder bestimmte Muster. Jetzt gerade bin ich an einem Punkt, an dem ich Lust habe, in der Musik meinem Gefühl zu folgen und weniger plakative, politische Statements zu machen. Ich will aber nicht ausschließen, dass der Impuls kommt, Tacheles zu reden. Ich habe auf jeden Fall gemerkt, dass zu viele politische Inhalte für viele Leute schwer zu verdauen sind. Bei BSMG war es ja letztendlich der Versuch, schwarze Selbstermächtigung im politischen Kontext irgendwie leicht und mehr oder weniger modern zu verpacken. Selbst das war für manche Leute wirklich schwer. Das hat natürlich Prozesse bei mir ausgelöst. Wie kriege ich es hin, dass die Musik interessant bleibt und nicht trocken conscious wird, aber trotzdem etwas ausgedrückt wird? Manchmal muss man die Sachen einfach anders verpacken.
Also ist der aktivistische Megaloh, der Sachen anspricht, die andere nicht ansprechen, nicht zwangsläufig weg?
Nein nein, auf gar keinen Fall. Aber ehrlich gesagt sehe ich mich auch gar nicht so. Ich habe das Gefühl, maximal ein Hobby-Aktivist zu sein. Es gibt richtige Aktivisten, die richtige Arbeit leisten und da Zeit und Energie reinstecken. Ich bin nur ein Rapper, der ein gewisses Verantwortungsbewusstsein empfindet und aufgrund seines Werdegangs nicht drumherum kommt, über bestimmte Dinge zu reden. Dadurch, dass so wenige darüber sprechen, findet eine Zentrierung auf mich statt. Im besten Fall würden aber einfach mehr Leute bestimmte Dinge ansprechen. So wie bei J. Cole oder Kendrick. Die haben schon immer Sachen gesagt und haben aber trotzdem den Anspruch, Musik zu machen, die Spaß macht. Das wird da viel weniger zum Problem gemacht. Wenn du das hier machst, bist du gleich wie von einem anderen Stern.
Der Stempel wurde dir auf jeden Fall aufgedrückt.
Ich bin auf jeden Fall der Conscious Rapper und Realkeeper. Das klingt für mich mega langweilig. Ich persönlich höre keine Rapper, die sich als Realkeeper oder conscious Typ verstehen. Ich höre ignoranten Street Rap, der Spaß macht. Ich möchte auch, dass die Leute Spaß haben, wenn sie meine Musik hören.
Ein gutes Schlusswort.