Wer einmal in den Abgrund geblickt hat, der weiß, wie tief er fallen kann. Genau dieses Gefühl schwingt in vielen Songs von Duzoe mit. Der Rapper mit dem düsteren Erscheinungsbild ist kein unbeschriebenes Blatt und hat sich in den letzten Jahren einen festen Stand im Business aufgebaut – obwohl er so ganz und gar nicht nach den vorgegebenen Regeln spielt. Seine Tracks waren bisher eher unabhängig und beschreiben losgelöst voneinander seine Sichtweise auf die Welt. Doch jetzt war es an der Zeit, ein Debütalbum zu produzieren. Die entstandene LP trägt den Titel „watchmeburn” und wird am 9. Juli auf dem Markt erscheinen. Wie es zu dem Album kam, was Musik für sein Leben und seinen Gesundheitszustand bedeutet und warum er auf keinen Fall eine Rolle spielen will, hat uns Duzoe im Interview verraten. Er hat uns Einblicke in die Entstehungszeit gewährt und offen darüber gesprochen, wie es ist, mit einer bipolaren Störung und schweren Depression unendlich ehrliche Texte zu schreiben und an einem für ihn so wichtigen Projekt zu arbeiten. Eins bleibt zu sagen: Der Wahl-Hamburger ist ein Ausnahmetalent, er möchte aber auf keinen Fall eine Vorbildfunktion einnehmen, geschweige denn, dass seine Worte animierend oder triggernd wirken.
Deine Wahlheimat Hamburg ist sicherlich eine der schönsten Städte Deutschlands. Was hat dich dorthin gezogen?
Ich hab damals in Bremerhaven gewohnt und wollte vor allen Dingen erstmal aus Bremerhaven weg, weil die Stadt einen auffrisst. Ich bin dann in einer Nacht-und-Nebel-Aktion an einem Wochenende aus Bremerhaven geflüchtet und vorerst bei John untergekommen. Zu der Zeit haben wir auch direkt angefangen, zusammen Tracks zu produzieren, woraus ODMGDIA entstanden ist.
Deine Texte sind gnadenlos ehrlich und verzichten auf Beschönigungen. Du willst kein Bild eines perfekten Lebens konstruieren, weil es für dich scheinbar einfach kein „perfektes” Leben gibt. Spielt die Musik eine wichtige Rolle, um besser und reflektierter mit gewissen Umständen umzugehen?
Ganz ehrlich – „das perfekte Leben” fühle ich nicht, obwohl es so scheint, dass manche Menschen es ja wirklich gefunden haben. Ich würde mir natürlich auch wünschen, irgendwann an diesen Punkt zu kommen. In der Musik spreche ich Dinge so aus, wie ich sie fühle. Ein anderer Weg wäre für mich auch absolut nicht vorstellbar. Zu reflektieren ist ebenfalls ein wichtiger Teil in dem, was ich mache. Die Musik bietet mir irgendwie einen Perspektivwechsel auf mich selbst und ich kann mich in gewisser Weise von außen betrachten. Tatsächlich hat mir das Schreiben und Produzieren des Albums definitiv so den Arsch gerettet.
Was hat sich in deiner Karriere, oder vielleicht auch in deinem Leben verändert, dass du dich doch für ein Debütalbum entschieden hast, nachdem du häufig betont hast, dass du keins machen möchtest?
Wie eben schon erwähnt mach ich Musik aus dem Affekt und aus Impulshandlungen heraus oder um diese zu verarbeiten. Leider ließen sich gerade zur Entstehungszeit des Albums mehr als genug davon auf meine psychische Erkrankung zurückführen. Somit spielte dieses Themenspektrum auch den größten Teil in meiner Musik. Als mir bewusst wurde, dass die Songs irgendwie eine Struktur und Geschichte aufzeigen, waren sie für mich ein Ganzes. Ich wollte sie nicht als pure Singles veröffentlichen, weil die Tracks als Einzelnes nicht den Gesamtkontext der Geschichte widerspiegeln könnten.
Der Titel des Albums ist „watchmeburn”, das klingt nicht unbedingt nach leichter Kost. Spiegelt der Titel bereits die Stimmung der Platte wider?
Ja. Danke für die geschlossene Frage. Erspart mir eine ausführliche Antwort.
Deine letzten EPs tragen ebenfalls englische Namen, auch einige Songs auf der neuen LP haben englische Parts. Was gefällt dir an der Mischung aus den beiden Sprachen?
Ein Teil meiner Familie lebt in Amerika, ich bin zwar nach strenger Definition nicht zweisprachig aufgewachsen, aber hab in der Grundschule schon Englisch gesprochen. Das ist für mich auch fast die schönere Sprache, die Grammatik ist sanfter und fließt schöner. Aber es ist super unverkrampft, wofür ich mich entscheide. Ich nehme im Zweifel das, was mir besser gefällt und schöner klingt.
Ich hatte das Gefühl, es ist dir wichtig, dass du vor allem durch deine Texte als echt und unverblümt wahrgenommen wirst. Was bedeutet dir „Realness” und warum hat sie scheinbar einen so hohen Stellenwert in deiner Musik?
Weiß ich nicht, weil Lügen scheiße ist. Das reimt sich sogar. Rap!
Du schaust auf eine zehnjährige Karriere im Rap Game zurück, angefangen vom Battlerap, der zu großen Erfolgen im VBT-Kosmos führte, hin zum kollektiven Zusammenschluss mit der Crew von ODMGDIA. Welche Erfahrungen hast du aus diesen unterschiedlichen Richtungen des Musikmachens mitgenommen und wie hat sich deine Musik verändert?
Gute Frage. Du bist doch die Musikjournalistin. Mach doch mal zwei Seiten Essay und schick mal rüber, falls du Bock hast. Sind wir mal ehrlich. Wäre doch ziemlich traurig und schade, wenn ich heute noch den gleichen Kram machen würde wie zu meiner Jugend- oder VBT-Zeit, oder? Irgendwann sollte man auch mal ein wenig erwachsener werden, aber nicht im spießigen Sinne, sondern in Selbstreflexion und Themenwahl.
Im Song „Ghost” beschreibst du eine hochgradig toxische Beziehung und eine Stalking-Geschichte, die in einem Drama endet. Auf deinem Instagram-Profil hast du ja bereits geschrieben, dass du kein Vorbild sein möchtest und niemanden zu irgendwas ermutigen willst. Dennoch würde ich gerne wissen, was die Intention hinter einem solchen Text ist und wie du deine Verantwortung gegenüber Hörer*innen siehst?
Naja, die beiden Protagonist*innen aus „Ghost” kennen sich eigentlich nicht, also ist die toxische Beziehung eher einseitig, da nur der Mann in der Geschichte eben diese führt. Sie sieht ihn nicht. Er ist der Außenseiter-Type. Ausgehend von dem klassischen Bild einer High-School-Liebe hat sich die Story des Songs für mich dann aber in eine Stalking-Geschichte gewandelt. Es geht um das Gefühl, nicht gesehen, abgewiesen oder ausgegrenzt zu werden und was das mit einem machen kann, wenn man von allen missachtet oder herumgeschubst wird und welche Konsequenzen das im schlimmsten Falle nach sich ziehen kann.
In den Lyrics zu „Endpunkt” heißt es: „Ich hasse mein Spiegelbild, hasse, wer und wie ich bin”. Zudem reflektierst du auch, was deine Familie über dich und dein Leben denkt. Eure komplexe Beziehung wird klar, da es bei Weitem keine warmen Worte sind. Mit diesem krassen Track beendest du das Album, ein versöhnliches Ende bleibt völlig unerreichbar. Warum hast du dich dazu entschieden, mit einem so emotionalen und sehr dunklen Song auszusteigen?
Es war mir in der Situation, in der ich war, als das Album entstand und mit allen Struggles und Kopfficks, die mich schon mein Leben lang begleiten, nicht möglich, auch nur einen Funken Hoffnung zu spüren oder nicht permanent an Suizid zu denken. Danke an alle, die sich Mühe gegeben haben, mir zuzuhören und bereit waren, mir die Hand zu reichen. Aber das Album beschreibt das Extrem. Mein Extrem. Und die Quintessenz eines Suizids birgt leider in den meisten Fällen kein Happy End.
In deiner Musik verarbeitest du viele Tabuthemen wie Drogenkonsum, suizidale Gedanken und das gefühlte Ertrinken in Selbstzweifeln. Wie du selbst sagst, ist die Musik oft der einzige Ausweg, den du hast, um mit all den ambivalenten Gefühlen umzugehen. Sollen deine Texte auch einen Anker für Menschen in ähnlichen Lebenssituationen darstellen?
In allererster Linie mach ich das alles für mich, zum einen natürlich zum Spaß, zum anderen als Selbsttherapie. Was ich auf jeden Fall nicht will, ist damit Betroffenheit oder Mitleid zu erhaschen. Deswegen ist das auch nicht Happy-Go-Lucky, sondern eher direkter und harter Tobak. Ich will in meiner Musik ehrlich sein dürfen und Betroffenen etwas mitgeben können und in gewisser Weise zeigen, dass man mit dem Thema nicht allein ist. Mir ist meine psychische Situation halt auch in keiner Weise peinlich oder gar ein Tabuthema. Ich fände es viel mehr super ekelhaft, eine Rolle zu spielen und sich in dieser verstecken zu müssen. Ich freue mich, wenn andere Menschen sich damit identifizieren können und was Positives für sich aus meiner Musik oder den Videos ziehen.
Wie wird es jetzt weiter gehen? Planst du eine Tour oder geht es direkt wieder ins Studio, um neue Projekte anzugehen?
Es geht eigentlich nie nicht ins Studio. Als nächstes „Projekt” steht endlich wieder ODMGDIA an. Da sollte ja auch so langsam mal ein Album auf die Beine gestellt werden. Und von mir fliegen hier und da auch noch ein paar Solo-Sachen rum.