Niko Backspin und Porsche haben für ihr Projekt „Back to Tape” buchstäblich ein neues Kapitel aufgeschlagen: Der Hamburger Hip-Hop-Head hat gemeinsam mit dem Sportwagenhersteller aus Stuttgart einen Reise- und Kulturführer über Hip-Hop in Europa veröffentlicht. Das 212-Seiten starke Buch ist im Delius Klasing Verlag erschienen und kann online hier bestellt werden. Alle Einnahmen spenden die Macher an die soziale Organisation Viva con Agua. Wir haben den Backspin-Chef zum Interview getroffen und gefragt, was hinter all dem steckt.
Niko, nimm uns mit auf deinen Roadtrip: Wie ist das Projekt „Back to Tape” eigentlich zustande gekommen?
Unsere Zusammenarbeit hat 2017 begonnen. Ich hatte die Idee, auf einen Hip-Hop-Roadtrip zu gehen und Porsche war als Partner sofort dabei. Gemeinsam sind wir in Deutschland losgezogen und haben das mit einer Video- und Foto-Crew dokumentiert. Wir haben gefilmt, während ich Toni-L in Heidelberg, David Pe in München oder Moses Pelham in Rödelheim getroffen habe. Während der Tour ist relativ schnell klar geworden, dass wir da mehr draus machen müssen – und dass das irgendwie alles wirklich gut zusammen passt. Da ich das immer wieder gefragt werde, muss ich Eines betonen: Nichts von dem, was wir da machen, wird von Porsche vordiktiert. Ihr werdet keine platten Werbebotschaften finden, ich habe bei Thema oder Auswahl der Künstler und Künstlerinnen freie Hand. Es geht uns wirklich darum, Kultur einen Raum zu geben, Vielfalt zu zeigen, Pioniergeist zu demonstrieren. Den Blick auf Hip-Hop als Ganzes zu richten. Wer mich kennt weiß, dass ich sowas unter anderen Bedingungen auch nicht machen würde. „Back to Tape”, also der erste Film, ist dann 2018 erschienen – und als zur Premiere rund 600 Gäste mit uns im Stuttgarter Hip-Hop-Club Schräglage gefeiert haben, war klar: es muss weitergehen. Vor dem Ausbruch der Corona-Pandemie sind wir dann Ende 2019 erneut auf Tour gegangen und haben „Back 2 Tape” produziert, der im April 2020 erschienen ist. Diesmal durch ganz Europa, von London bis Barcelona, von Kopenhagen bis Paris und von Berlin bis Amsterdam. Irgendwie war es der logische Schritt, dass ich tiefer in die Kreativszene von Metropolen eintauche, spannende Menschen treffe, die über 25 Jahre Rap, DJing, Breakdance und Graffiti prägen. Und nun haben wir gemeinsam ein Buch geschrieben, eine Art Roadbook über unsere gemeinsame Reise. Das ist schon alles verrückt.
Stichwort Roadbook – in welchem Zusammenhang steht das Buch mit dem zweiten Teil der Back 2 Tape Reihe?
Es basiert auf dem zweiten Teil. Der Sinn des Buchs ist nicht, dass wir einem Hip-Hop-Nerd die Geschichte der Hip-Hop-Kultur in Europa im Detail erzählen. Es ist eher ein Bindeglied zwischen der Welt der Menschen, die gerade erst mit der Kultur in Kontakt kommen, und der Hip-Hop-Welt, in der du und ich zu Hause sind. Wir wollen den Leuten einen Guide an die Hand geben, durch den sie Europa in einem anderen Kontext kennenlernen können. Wir wollen sie inspirieren, den Vibe eines Kontinents mit Hip-Hop zu erleben. Auf der anderen Seite geben wir den Menschen auch ein paar Basics mit, falls sie bisher noch nicht damit in Kontakt gekommen sind. Und außerdem erzählen wir auch einfach die tollen Geschichten, die wir vor Ort erlebt haben.
Man schreibt ja nicht jeden Tag ein Buch. In welcher Struktur habt ihr es aufgebaut – und wie intensiv war die Arbeit daran?
Im Prinzip gehen wir die gemeinsame Europareise ab. Natürlich starten wir in meiner Heimatstadt Hamburg, dann arbeiten wir uns durch die internationale Tour, springen aber zwischendurch zum Beispiel auch mal nach Heidelberg und erzählen die Geschichte von Toni-L und seinem Song „Fremd im eigenen Land”. Wir haben zu Beginn gesagt, wie wichtig uns aktuelle Themen sind. Und dass wir Haltung zeigen wollen. Egal ob das Rap von Falsalarma in Barcelona über häusliche Gewalt ist, die Freiheit und Rebellion von Graffiti-Artists oder eben Hip-Hop als positiver Gegenentwurf zu Alltagsrassismus. Darüber hinaus versuchen wir, auch kulturelle Dinge und generelle Einflüsse von Hip-Hop darzulegen, beispielsweise wie eine Jugendkultur den Sprachgebrauch verändert oder ganz simple Dinge wie die zehn Rap-Gesetze von Curse und Trends, die die Kultur in der Mode gesetzt hat. So können wir den Leuten alle Facetten der Kultur erklären und ihnen anhand solcher Metaphern eine Art Zufahrtslinie anbieten. Und klar, das war intensiv. Wir haben mit der Ideenfindung im Herbst 2020 begonnen und dann konzentriert mit einem kleinen Team von Autor*innen und Kreativen intensiv gearbeitet – und einfach ganz viel Liebe reingesteckt.
Für „Back 2 Tape” warst du in ganz Europa unterwegs und hast viele verschiedene Szenen und Leute kennengelernt. Hast du auf deiner Reise etwas gelernt, was dir vorher so nicht klar war?
Ich glaube, den größten Impact hatte der Graffiti-Teil. Ich bin Hamburger und in dieser Stadt lebt Graffiti, ich liebe das, aber ich bin immer eher Fan gewesen. Ich war nie im Yard, ich habe nie irgendwelche Trains gemalt, aber ich hatte immer eine Faszination dafür. Entsprechend war ich aber nie so sehr drin und hab nicht ganz so viel von der Szene mitbekommen. Durch die Protagonisten, die wir über die gesamte Zeit getroffen haben, habe ich gemerkt, dass da noch viel mehr von diesem Hip-Hop-Gefühl drin steckt, als man vielleicht denkt. Das mag in der Neuzeit vielleicht ein bisschen altbacken klingen, aber es stimmt zu 100 Prozent. Egal wo du auf der Welt bist, wenn du in einen Laden mit Dosen gehst und man sieht die Flecken auf deinen Schuhen, weiß man sofort, dass man zusammengehört. Dieses Gefühl bleibt da bis heute bestehen – in einer ignoranten Art und Weise, in einer aggressiven Art und Weise oder manchmal auch in einer nostalgischen Art und Weise.
Gibt es eine Anekdote, die dir besonders in Erinnerung geblieben ist?
Ich beantworte die Frage mal anders. Guck mal, irgendwie ist das Buch auch ein Hip-Hop-Reiseführer. Etwas, das du dir ins Auto legen kannst, immer wieder zum Stöbern. Eine Sache habe ich mir über die Jahre immer behalten. Wenn ich auf Reisen bin, tiger ich durch die Städte und suche nach Graffitis. Ich war auf Karibikinseln unterwegs und musste mitten auf der Straße anhalten, weil ich gesehen habe, dass irgendeiner etwas an einen Hydranten gemalt hat. Ich bin dort stehen geblieben und hab zehn Minuten damit verbracht, das abzufotografieren, weil ich so viel Liebe dafür habe. Als ich auf meiner Reise nach Kopenhagen gekommen bin, habe ich die Wall of Evolution von Lars Pedersen und seinen Jungs gesehen. Das fand ich wirklich krass, weil ich da so nie hingekommen wäre. Klar, vielleicht hätte mir irgendjemand den Tipp gegeben, aber du kannst nicht Kopenhagen und Graffiti eingeben und das so finden. Um das zu sehen, musst du schon irgendeine Connection haben. Da war ich wirklich geflasht. Du gehst hunderte Meter an so einer Wand entlang, auf der dir die Evolution der Menschheit aufgezeigt wird. Mit Graffiti. Bei sowas freue ich mich wie ein kleines Kind.
Was vereint deiner Meinung nach alle Szenen, die du auf deiner Reise kennengelernt hast, miteinander?
Das Problem bei der Frage ist, dass ich mit meinem grauen Bart und meinen paar Jahren auf dem Buckel hier wieder Gefahr laufe, den gleichen Klischee-Satz zu sagen, den man in diesem Zusammenhang immer sagt – aber es stimmt einfach. Bei der deutschen Tour, also „Back to Tape”, war es logischer und greifbarer, weil wir uns alle schon seit 20 Jahren kennen. Aber bei der europäischen Tour stand ich mit Falsalarma in Spanien in so einem Ghetto – die sprechen kein Englisch und ich spreche kein Spanisch, also war es nicht so leicht, in Kommunikation zu treten. Das hat vielleicht fünf Minuten gedauert. Ich weiß nicht, ob es die Art und Weise war, wie ich geredet oder mich bewegt habe, aber die haben sofort gemerkt, der Typ da ist Hip-Hop. Und ich hab gespürt: die sind das auch. Dieses romantische Gefühl will ich mir für den Rest meines Lebens bewahren.
Zum Abschluss noch eine wichtige Info: Alle Einnahmen, die das Projekt generiert, gehen an Viva con Agua. Wie ist die Kooperation zustande gekommen?
Ich bin seit Tag eins Supporter von Viva con Agua. Natürlich gibt es auch die Hamburger Verbundenheit, das liegt mir wirklich am Herzen. Wenn mich Benny Adrion und Micha Fritz anrufen, bin ich da, egal was. Deshalb war es mir wichtig, dass wenn wir sowas machen und wir die Möglichkeit haben, etwas weiterzugeben, dann soll es an Viva con Agua gehen. Dazu bin ich dem Laden einfach zu eng verbunden. Und Porsche war sofort dabei. Und das zeigt, wieviel Liebe in diesem Projekt steckt. Guck mal, die ganzen verrückten Menschen, die das möglich machen, die leben einfach „Back to Tape” und das was dahinter steckt. Die wissen, dass das Ziel einer Reise die Reise selbst ist. Und umso mehr freut mich jeder Buchverkauf. Das macht nicht mich reich oder Porsche, sondern das Geld geht zu 100 Prozent an Viva con Agua und Wasser- wie Hygieneprojekte auf der ganzen Welt. Das ist Hip-Hop.
Du hast Bock, das Buch von Niko Backspin und Porsche zu lesen? Kein Problem! In Kooperation mit Porsche verlosen wir drei Exemplare von „Hip Hop Kultur”. Um am Gewinnspiel teilzunehmen, schick uns einfach eine Mail mit dem Betreff „Back 2 Tape”, deinem Namen und deiner vollständigen Adresse an win@rap.de. Teilnahmeschluss ist der 2. Juni um 18 Uhr.