Dashiell & MCNZI im Interview: „5 Finger Rabatt”, Realness & Shoutouts

Credit: Darja Preuss

Drei Jungs aus Westberlin sitzen zusammen an einem Tisch und reden über Deutschrap. Was sich wie der Anfang eines schlechten Witzes anhört, führte in Wahrheit zu einem Gespräch über Grillz, Ghostwriter und den omnipräsenten Anspruch nach Realness. Dashiell und MCNZI haben einiges zu erzählen, nicht nur über ihre EP „5 Finger Rabatt”, die bald über das junge Label One Brick Short erscheint. Die beiden wachsen bilingual auf und lernen sich auf einer Deutsch-Amerikanischen Schule in Berlin-Zehlendorf kennen, wo sie als Skater ihre gemeinsame Reise in die obskuren Gefilde des Hip-Hop-Genres beginnen. Einige Jahre und viele Sessions später veröffentlichen sie 2018 die Single „Hack”, danach wird es um Aaron, wie Dashiell eigentlich heißt, erstmal ruhig – während JJ, so MCNZIs Spitzname, mit viel Eigeninitiative und dem Label Live From Earth nicht nur den Deutschrap-Kosmos aufmischt. Was in der Zwischenzeit passiert ist, was die beiden jetzt vorhaben und woher ihr Antrieb kommt, haben sie uns im Interview erzählt. Außerdem sprachen wir darüber, welche Künstler die Berliner Fahne hochhalten, welche Rolle ihr US-amerikanischer Hintergrund spielt und wie im Hip Hop Grenzen gesprengt werden können. In unserem ausufernden Gespräch springen die beiden nicht nur immer wieder zwischen der deutschen und englischen Sprache hin und her, sondern verteilen nebenbei auch noch jede Menge Shoutouts.

Die wichtigste Frage zuallererst: Habt ihr beide das krasseste Grillz-Game in Berlin?

Dashiell: Vor zwei Jahren hätte ich gesagt, dass ich das krasseste Grillz-Game in Berlin habe, denn ich war einer der ersten, der Grillz getragen hat. Ich hatte die Bottom 8 Full Chrome. Shoutout an Gündel von Mein Zahnschmuck, das ist ein guter Atze von mir. Er hat mich mit 14 als Hypeman auf die Bühne gebracht. Damals meinte er schon zu mir, dass er sich ein Grillz-Imperium aufbauen will. Aber ich muss zugeben: Jeder, der einzelne Stücke hat, verliert die andauernd. Ich hatte insgesamt sieben Einzelteile und alle sind weg. Deswegen muss ich sagen, ich habe das weakeste Grillz-Game in Berlin (lacht).

MCNZI: Ich kann den Titel nicht claimen. Ich habe meine Top 8 in Gold, aber das ist am Ende des Tages basic shit, ain’t nuthin to it. Ich wollte einfach nur ein bisschen bling im Maul haben, ansonsten trage ich das an den Händen oder um den Hals.

D: Ich muss ein Shoutout geben. Das härteste Grillz-Game in Berlin hat Omar von den 1019 Jungs, der hat Full Ice! Top and Bottom iced out.

Ihr kennt euch schon seit eurer Schulzeit. 2018 habt ihr zusammen mit Monk „Hack” releaset und im selben Jahr den Support für BHZ im Festsaal Kreuzberg gespielt. Wann habt ihr angefangen zusammen Mucke zu machen?

D: 2016 hat JJ eine Homeparty in Wannsee geschmissen. Irgendwann, so um 4 Uhr morgens, hat er einen Acid-Techno-Beat gebaut, der ungefähr zwei Stunden im Loop lief. Ich hatte zu dem Zeitpunkt ein paar Bars, weil ich schon mit zwölf angefangen hatte, zu schreiben. Ich habe einfach angefangen zu rappen und das haben wir dann auf random aufgenommen.

M: Das war einfach eine klassische Situation. Du bist off the shits, sitzt zu Hause, hast Mucke laufen und denkst irgendwann, ich hab dieses Programm, wir können ein paar Beats bauen. Aaron hatte irgendwas von Ancient Aliens gelabert, das war einfach geil. Der Track wird auch bis heute gepumpt. Die erste richtige Session hat dann Pauly (Paul McGuinness A.d.R.) in der Music Box in Charlottenburg gehostet.

Credit: Charlotte Hansel (agf)

Dashiell, du hattest seit „Hack” kaum Output. Woran lag das?

D: Ein paar Monate nach dem Release von „Hack” gab es bei mir einen Schicksalsschlag. Einer meiner besten Freunde ist verstorben. Ich musste mir dann eine Pause nehmen. Ich bin mit meinem Bruder, der auch eng mit ihm befreundet war, nach Amerika gegangen. Wir mussten emotional einfach was aufbauen und auf unsere Psyche klarkommen. Aber seitdem ich zurück bin, bin ich wieder voll da. Ich bin direkt wieder ins Studio gegangen und jetzt gibt es Release nach Release. Und außerdem habe ich meinen Platz in der Szene gefunden.

M: Ich glaube, dass du auch ein paar Brückenpunkte knüpfen konntest. Vorher hattest du mit Al Majeed und mir eigentlich nur zwei Atzen, die Beats produzieren und ein Studio haben.

Die EP steht im Zeichen des amerikanischen Südstaaten Rap. Wie würdet ihr den Vibe beschreiben, den die Mucke hat?

D: Ignorant und slow! Aber man kann jetzt nicht sagen, dass die ganze EP in diesem Stil gehalten ist. „So Wild” ist schon richtig down south, auch durch das Three-Six-Mafia-Sample. Südstaaten-Rap hat mich schon immer beeinflusst. Wir beide haben auch einen Südstaaten-Background.

M: Ich kann aus der Sicht des Producers sprechen und beattechnisch ist die EP ein Mix aus unterschiedlichen Konzepten. Manche Tracks sind eineinhalb Minuten bursts, die eine Punk-Herangehensweise haben – in your face, high energy und fertig. „Verwählen” ist dann zum Beispiel ein bisschen cloudiger, ein bisschen mellow, ein bisschen zugänglicher, während „24H” Moshpit-Sound ist. „So Wild” kann ich zum Autofahren oder zum smoken hören, da trifft Westcoast G-Funk auf Memphis. Und „5 Packs” ist dann halt eher contemporary Down-South-Trap. Splurge ist da gerade einer der einflussreichsten Künstler.

D: Der Sound orientiert sich auch an Leuten, die in den Achtzigern und Neunzigern Sachen wie Punk Rock zu Hip Hop umgesetzt haben. Natürlich benutzen wir 808s, um den Rhythmus und die Atmosphäre herzustellen, aber es muss immer grimey sein, immer auf die Schnauze – ohne aggressiv oder asozial zu sein. Es soll Spaß machen. Ein Song wie „Face” wird die Stimmung in jedem Bunker immer weiter hochbringen. Ich verstehe den Vergleich, aber eigentlich spiegelt die EP einfach nur wider, wie wir in Berlin drauf sind.

M: Die EP ist auf jeden Fall für die Bühne konzipiert.

D: Auf der Bühne fühle ich mich auch am wohlsten. Ich war viel öfter auf der Bühne, als ich Lieder hab (lacht).

M: Wir wollen Stimme außerdem mehr als Instrument behandeln, deshalb produzieren wir reduzierte Beats. Mit Drumkit-Beats ohne wirkliche Melodie generieren wir ein Cypher-Gefühl und geben uns selbst die Chance, uns exklusiv auf’s spitten zu konzentrieren. Keine Ablenkung, der Fokus liegt auf dem Rapper. Drumkit-Beats sind die Zukunft.

Woher kommt die Affinität für US-amerikanischen Untergrund Rap? Ihr habt schon gesagt, dass ihr beide einen amerikanischen Background habt.

M: Extracurriculars haben eine große Rolle gespielt. Ich bin Skater und dort spielt Hip Hop eine zentrale Rolle. Gerade Südstaaten-Mucke ist ein gefragtes Stilmittel. Das Außenseiter-Dasein als Skater hat auch eine Rolle gespielt, also dass man nicht die üblichen Hip-Hop-Kanäle gefeiert hat, so wie der Normalverbraucher. So ist man auf die Untergrund-Kanäle gestoßen, alles was lofi, grimey und ghetto war.

D: Es gibt da so einen Begriff, der heißt diggin in the crates. Für uns als richtige Hip-Hop-Fans fühlt es sich viel krasser an, wenn man einen Track mit nur 100 Klicks findet, als wenn man etwas im Radio entdeckt. Das war bei uns schon immer so. Andre Nickatina zum Beispiel, Bay Area Legend, hat mich sehr beeinflusst. Den kannten damals die wenigsten. Wenn den jemand kannte, wusste ich sofort, dass ich mit denen viben muss.

M: Für dich war es Andre Nickatina, für mich war es die RBL Posse.

Ihr sprecht ja gerade schon über das Diggen. Deutschrap wird häufig vorgeworfen, dass Stile einfach nur kopiert werden und so nichts eigenes entsteht. Wie seht ihr die Kreativität innerhalb der Szene?

D: Ich finde, dass man hier auch die Straßenkultur Deutschlands und andernorts in Betracht ziehen muss. Wenn man Trainingsanzüge rockt und sowas auch repräsentiert, dann muss man Frankreich auch ein bisschen Respekt zollen, weil das da her kommt. Ein Trainingsanzug von einem bestimmten Verein hat in deinem Bonlieu, in deiner Hood, etwas über deinen Stand im Drogengeschäft ausgesagt. Wenn du beispielsweise PSG getragen hast, hast du von unten Ansagen zu dem auf dem Dach gemacht, der Lyon getragen hat. Der ist dann zu dem im Dijon-Anzug gegangen und hat ihm gesagt, dass gleich ein Kunde kommt. Und das hat sich dann im französischen Rap manifestiert. 50 Cent hat Anfang 2000 ganze Bars von Booba einfach ins Englische übersetzt. Wenn man also sagt, dass Frankreich, England oder Amerika keinen Einfluss auf Deutschrap haben, dann ist das Bullshit. Das kommt ja allein schon durch die Alliierten, das macht komplett Sinn. Ich nehm den Einfluss auch niemandem übel. Ich find’s nur whack, wenn Rapper nie irgendwas zur Kultur beigetragen haben, sondern nur die Stimmen ihrer Ghostwriter übermitteln, weil sie besser aussehen oder sich besser präsentieren können.

M: Das ist ja inzwischen durch Instagram und Clo1441 unumgänglich geworden – Deutschrap ist fresher denn je (beide lachen). Deutschland war ja eigentlich nie ein Hip-Hop-Land, das einen indigenen Sound hatte, sondern immer beeinflusst wurde, was aber auch nicht schlimm ist. Ich finde nach wie vor, dass man alles nachmachen kann, solange der eigene Charakter durchdringt und man am Ende ein neues Produkt hat. Es gibt gute Remakes, aber es wird einfach zu viel nachgekaut. Es folgt der gleichen Formel – Kanakrapper oder deutsche Cardi B oder Nicki Minaj im Millionen-Video, gesponsert von Antares Autotune.

Wenn man sich beeinflussen lässt, ist es also wichtig, die Roots zu kennen?

D: Es gibt einen Unterschied zwischen nachmachen und beeinflusst werden, paying homage to. Wenn du von etwas beeinflusst wirst, trägst du die Kultur einfach weiter. Aber wenn du nur Sachen nachmachst, weil es gerade cool ist, dann bist du eine culture vulture and you can go fuck yourself. Half these n***as got ghostwriters writing for them! Die rappen dann das nach, was der Ghostwriter ihnen schreibt, obwohl das gar nicht deren Kultur oder deren Vibe ist. Wenn du ein Rapper bist, der auch wirklich Drogen nimmt und nur seine eigenen Erfahrungen preisgibt, dann ist das meiner Meinung nach keine Verherrlichung. Aber sobald du ein Ghostwriter hast und deshalb über Drogen rappst, dann profilierst du dich daran, dass andere Leute anfangen, Drogen zu nehmen. Das ist der Unterschied.

M: Zahlt den Ghostwritern mehr Geld und den Rappern weniger!

D: Danke!

Credit: Darja Preuss

Ihr habt euch auf einer Deutsch-Amerikanischen Schule in Zehlendorf kennengelernt. Das ist jetzt nicht unbedingt die Hood. Hat das eine Rolle in eurer musikalischen Entwicklung gespielt?

D: Alle Schulen im Umkreis haben uns gehasst. Wir hatten ‘ne geile Turnhalle, gutes Equipment, sehr sehr gute Sportler, sehr viele Schwarze und sehr viele Kreative. Wir hatten unsere eigene kleine Mikrosphäre, Mini High School Musical. Dann waren wir noch dafür bekannt, dass unser Park die ganze Zeit am dampfen ist. Damit konnten sich viele andere Schulen nicht auseinandersetzen. Ich bin aber schon in der achten Klasse auf eine andere Schule in Wilmersdorf gegangen. Die hat mich musikalisch viel mehr beeinflusst. Shoutout an Al Majeed und an KazOnDaBeat. Trotzdem hat Zehlendorf Spaß gemacht. Shoutout an alle aus Zehlendorf! Da sind richtige Freaks am Start, die alle lustig sind und alle auch keinen Spaß machen (alle lachen). Ist wirklich so! Ich hab in Zehlendorf schon gesehen, wie 30 Mann mit Totschläger und Pitbulls angekommen sind und Faxen machen wollten. Parallelgesellschaften gibt’s in Berlin in jedem Bezirk. Zehlendorf ist nicht so weak wie man denkt.

M: Zehlendorf ist natürlich keineswegs Hood oder so, das würde auch nie jemand claimen. Trotzdem kann man gut vor Bullen botten. Ich lehn mich mal aus dem Fenster und sage, dass du in Zehlendorf mehr botten kannst als in Kreuzberg oder Schöneberg, weil da einfach zu viele Almans sind. Wenn du nachts zu lange an einer Ecke stehst, rufen die sofort die Polizei. Aber zurück zum Einfluss. Der kam bei mir vor allem aus dem Internet und das war auch der Isolation geschuldet. Ich habe nicht im Zentrum von Zehlendorf gewohnt, sondern in Wannsee, quasi wie auf einer Insel im Wald, alles voll unscheinbar und bürgerlich. Da haben wir auch das Video zu „Hack” gedreht. So haben mein Bruder und ich einfach viel Hip Hop konsumiert, Skatevideos geschnitten und geschaut und irgendwann angefangen Freestyles zu kicken. Ich kann bis heute um mein Leben nicht freestylen (lacht). Aber um das abzuschließen, on my Kanye shit: I was the influencer!

D: Mein Hip-Hop-Einfluss war mein älterer Bruder. Ich wollte anders sein als er, aber immer noch in der gleichen Rubrik sein. Er hat Aggressive Inlining gemacht, also wollte ich skaten. Er hat mir damals manchmal seinen iPod Classic ausgeliehen, auf dem die ganze Mucke drauf war – Andre Nickatina, Nas, Vinnie Paz, Tech9ne. Das war Musik, die ich vorher noch nie gehört hatte. Das ist ja für unsere jüngeren Zuhörer heute auch bei uns so. Die schieben Filme, die denken sich ja nicht, dass der und der so und so viel Geld macht. Für die heißt es nur: that shit hit me in my soul. Und so war es auch bei mir. Das erste Mal, dass ich was gehört habe, was mich mitgenommen hat.

Ihr habt Features mit Yin Kalle und den Jungs von BHZ auf eurer EP. Ihr alle seid Vertreter der neuen Berliner Wave. Wie fühlt sich das für euch an? Habt ihr das Gefühl, dass ihr die Berliner Fahne hochhaltet?

M: Ich habe noch nie so darüber nachgedacht. Natürlich würde ich gerne von uns denken, dass wir Sachen anders und organisch machen und dass wir viele Styles vor diversen anderen Kollegen gemacht haben. Aber ich kann nicht mit Ehrlichkeit behaupten, dass ich irgendeine Fahne hochhalte. Ich will es aber gerne sagen und freue mich darüber, wenn Leute das so sehen.

D: Ich bin schon oft umgezogen und konnte schon andere Eindrücke sammeln. Ich habe mich noch nie irgendwo so wohl gefühlt wie in Berlin. Das hat auch viel mit Meinungsfreiheit zu tun, hier kannst du alles sagen. Man hat hier die Möglichkeit, alles zu sehen, sich von allem Eindrücke zu machen. Von Reichen, von Armen, von Gangstern und Hobbygangstern, von Künstlern und von Leuten, die einfach nur Spaß haben wollen. Und natürlich wird das in unserer Musik abgebildet und dargestellt.

Ihr erwähnt ja auch in jedem Track mindestens einmal Berlin.

D: Shoutout an Berlin!

M: Ich bin stolz as fuck und auch wirklich Lokalpatriot. Indirekt halte ich die Fahne die ganze Zeit hoch. Da steht ja auch irgendwie Berliner Schnauze drauf – alles sagen, alles meinen, ich fick jeden. Damit sind wir alle irgendwie groß geworden. Laut, wild und scheiß drauf, wir machen das jetzt einfach. Man hat indirekte Narrenfreiheit.

D: Im BHZ-Video warst du mit der Berliner Fahne ummantelt, dikka (beide lachen). Wären wir in Bayern aufgewachsen, dann wären wir komplett anders drauf. Ich kenne Menschen aus Bayern, ich kenne sogar Menschen aus Worms, das muss man sich mal vorstellen (alle lachen). Die würden das niemals checken. Ich reppe Berlin bis zum Tod. Mein Bruder ist im amerikanischen Militär und alles worüber er redet, sind Geschichten aus Berlin. Diese Geschichten könnten nirgendwo anders stattfinden. Diese Stadt hat uns Möglichkeiten geboten, die wir nirgendwo anders bekommen hätten.

M: Die Stadt hat mich zum Hustler gemacht.

D: Big Facts.

Credit: Darja Preuss

Noch eine letzte Berlin-Frage, dann sind wir durch mit dem Thema. Die neue Berliner Szene scheint ja mega gut vernetzt zu sein.

D: Aber nicht so gut, wie ich es gerne hätte. Ich sehe mich jetzt nicht als Diplomat oder so, aber ich chille mit mehreren Crews, die sich untereinander nicht verstehen. Einfach nur, weil sie voneinander denken, dass sie nichts gemeinsam haben, anstatt sich kennenzulernen. Die Leute haten mehr, als man sich vorstellen würde, und das finde ich schade.

M: Es herrscht schon so ein Bezirk-Exklusivitäts-Radius. Ich habe das Gefühl, dass Atzen aus Steglitz, Friedenau, Zehlendorf und Schöneberg zum Beispiel alle miteinander klarkommen.

Überall in Berlin gibt es gerade spannende Künstler.

D: Auch in Wedding zum Beispiel. Shoutout an 65Goonz, die Jungs sind hart. Dazu fällt mir was ganz anderes ein. Ich freue mich so hart, dass es so viele junge schwarze Künstler gibt. Wenn man als Schwarzer in Deutschland aufwächst, hat man irgendwo eine Identitätskrise. Wenn man sich hier die Models in der Werbung anschaut, sieht man fast nur Weiße. Wobei sich das in den letzten Jahren auch geändert hat. Es gibt jetzt viel mehr schwarze Menschen, die respektvoll in Werbungen dargestellt werden. Ich habe auch als Schauspieler gearbeitet und viele Jobangebote haben dem gleichen Muster gefolgt. Du trägst ein 3XL Shirt, eine Kette und Nikes und du bist der Gangster, der jemanden abzieht. Diesen Scheiß habe ich immer abgelehnt. Deswegen feier ich es, dass sich so viele junge Schwarze aus Berlin, Hamburg oder Bonn so zeigen, wie sie wirklich sind. Und da muss ich auch meine Liebe zum Rapgame zeigen, weil es sich in den letzten zwei Jahren so krass entwickelt hat. Shoutout an 65Goonz, Shoutout an Booz, den krassesten Künstler auf der Bühne, aber vor allem Shoutout an alle young motherfucking negros, that actually feel like they have a place and they have a word and they have something to say in this culture. Das ist so wichtig und wurde über Jahre einfach übersehen.

Ich habe das Gefühl, dass Hip Hop für viele junge Menschen auch der Einstieg in die Kunst sein kann. Viele rappen zuerst und fangen dann an zu designen, zu malen. Hip Hop ist nicht elitär wie irgendwelche Kunst-Unis, da kann jeder mitmachen.

D: Hip Hop war schon immer die Brücke von Musik zu Kunst. Die Leute, die früher Graffiti gemalt haben, machen jetzt Ateliers auf und setzen sich dafür ein, dass Kunst weiterkommt. Hip Hop lässt alles zu. Run DMC hatten in den Achtzigern einen Rocksong. Das muss man sich mal vorstellen. Hip Hop is just black people talking ignorant shit on beats? Hell no. Hip Hop saved Adidas. Ohne Run DMC würde es die Marke heute nicht so geben. Hip Hop ist Kunst, die mit Fashion, Malerei und vielem anderen verbunden ist.

M: Hip Hop ist nicht nur Musik, sondern ist facettenreich. Verschiedene Kulturelemente tragen dazu bei, dass es ein ganzes Ding wird. Musik ist das Rückgrat. Wir haben im Dezember 2019 im Yaam einen Skatepark und Workshop für Flüchtlinge eröffnet, zusammen mit Converse und unserem lokalen Skateshop Civilist. Die Kids haben das erste Mal überhaupt ein Skateboard gesehen. Im Anschluss haben wir mit Rap-Performances die Brücke zum Hip Hop geschlagen. Hip Hop ist Sozialarbeit, seien es alternative Bildungswege oder Community-Building durch Malen, Musik oder Tanz. Hip Hop hat auch vor ein paar Jahren Pop und Rock überholt.

Ihr scheint ja sehr angetan vom aktuellen Deutschrap-Geschehen zu sein.

D: Deutschrap is doing their thing right now. Man muss auch 187 dafür Props geben, dass sie große Aufmerksamkeit auf dieses Genre gelegt haben und dass sie im Stile von Punk einfach brutal ehrlich ihre Geschichten erzählen und keinen Fick geben.

M: Da muss man aber auch aufpassen, denn das wird schnell zu Verherrlichung. Ich find für das Punk-Beispiel die 102 Boyz passender. Das sind einfach Vollblutassis, die das mit der Straße und ihrer eigenen Note vermischen.

D: Und sich die Szene sozusagen zu ihren eigenen Gunsten gedreht haben. Man fühlt einfach, was die Jungs rappen. Aber trotzdem habe ich nicht erwartet, dass so viele Leute in Deutschland das fühlen. Ich erinnere mich noch, als das bei denen mit „Paul Pogba” anfing, als die noch mit Skinnyfinsta cool waren. Shoutout an Skinnyfinsta, auch ein guter Atze von mir. OG Tape Mane. Dann kamen die nächsten Tracks raus und dann „Bier” mit BHZ. Da wusste man, these kids are here to stay. Shoutout an 102.

M: Wann erreichen wir den Punkt, wo andere N***as hier sitzen und genauso über uns reden.

D: Es kommt wie es kommt (beide lachen).

M: Eine Sache will ich noch aussprechen: Ich war einer der ersten, die auf 4/4-Beats gerappt haben, I claim that. Frauenarzt war Miami Bass, Deichkind war eher so Electro, aber ich claime die Hip-House-Schiene. Hört euch Fast Eddie an, dann wisst ihr was ich meine.

Wie sind wir da jetzt hingekommen?

D: Keine Ahnung dikka (alle lachen).

Lasst uns über eure gemeinsame EP „5 Finger Rabatt” sprechen.

M: Ich möchte kurz was dazu sagen. „5 Finger Rabatt” ist eigentlich Dashiells EP, ich bin nur sowas wie die Nabelschnur, die nicht abgetrennt wurde. Wir haben diese Tracks nach und nach seit 2019 gemacht. Und wie der Name schon sagt, hat dieser N***a einfach irgendwann alles genommen und gesagt, ich mache da jetzt eine EP draus (lacht).

D: Ich bin jemand, der gerne vibet, der gerne chillt. Wenn meine Atzen Sachen machen, bin ich immer irgendwie dabei und helfe – sei es Kunst, sei es Kochen, sei es Beef, egal was.  Nach dem Tod meines guten Freundes habe ich beschlossen, dass ich jetzt so viele Kunstwerke habe, die Menschen hören sollten, dass es einfach an der Zeit ist, ein Projekt umzusetzen. Ich habe all diese Leute um mich herum, die große Namen im Game sind. Weil die mich unterstützen, hat keiner von denen Geld für ihre Arbeit verlangt, ich konnte alles einfach benutzen, wie ich wollte. Mir sind Sachen, für die andere Leute viel Geld bezahlen würden, in den Schoss gefallen. Auf Englisch gibt es den Begriff five finger discount, das heißt, dass man etwas stiehlt. Weil ich für die Tracks nichts zahlen muss, sind sie sozusagen geklaut. Also habe ich den Begriff eingedeutscht und „5 Finger Rabatt” daraus gemacht. I came to the scene and I took whatever the fuck I wanted.

Hat MCNZI die ganze EP produziert?

D: Bis auf einen Track hat er alles produziert. „5 Finger Rabatt” ist mein Tape als Künstler und sein Tape als gefeatureter Künstler und Produzent. Wir stellen „5 Finger Rabatt” als Kollabo-Tape dar, weil er einfach todes viel dafür gemacht hat und deshalb auch Anerkennung verdient.

Könnt ihr uns den Entstehungsprozess beschreiben?

M: Die Formel ist ganz einfach, es fängt immer gleich an. Wir chillen irgendwo am Block, hören Mucke und kriegen dann Bock, zu mir ins Studio zu gehen. Zwei Tage später treffen wir uns und typischerweise kommt Aaron zwei Stunden zu spät. Ich zwar an sich auch, aber wenn’s um Geld geht, bin ich immer pünktlich (alle lachen). Ich habe dann meistens schon ein paar Beats gebaut und spiele ihm meinen Endlos-Katalog vor. Wenn dann einer dabei ist, fängt er eigentlich direkt an zu schreiben. Wir hören zwei Stunden lang Loops bevor wir überhaupt mit dem Recording anfangen. Dann nehmen wir Aaron normalerweise zuerst auf, weil er viel schneller schreibt als ich. Ich nehme meinen Part am nächsten Morgen häufig noch mal auf, dann hat der Track den Unmastered-Status.

D: Wir können hauptsächlich deshalb so gut zusammenarbeiten, weil wir einfach gut befreundet sind. Wir reden jeden Tag über alles Mögliche. Sei es über die Erfahrungen, die man als junge gemischte Person macht, über Frauen, Drogen oder irgendwas anderes. Wenn wir uns also zusammen hinsetzen und er mir einen Beat vorspielt, habe ich keine Charme zu sagen, dass der Beat mir gehört. Bei uns passiert alles organisch, es ist nie gezwungen, man fühlt sich nie benachteiligt.

Dashiell, rappst du immer noch auf Englisch oder jetzt ausschließlich auf Deutsch?

D: Nach „5 Finger Rabatt” haben wir schon das „Non Disclosure Tape” geplant, da werden wir viel auf Englisch machen, andere Beats, andere Kollabos. Als deutschsprachiger Künstler habe ich mich eigentlich nie wohlgefühlt. Ich spreche Englisch und deshalb fällt es mir auf der Sprache leichter, Flows zu entwickeln und Wörter aneinander zu bauen. Ich bin aber eine Person, die Herausforderungen nicht als Benachteiligung sieht, sondern als Vorteil. Wenn du mir etwas nicht zutraust, weil du es von mir noch nicht gesehen hast, werd ich es dir zehnmal besser geben, als du es erwartet hättest. Ich liebe die BHZ Jungs, Longus Mongus ist für mich im deutschsprachigen Raum einer der besten Musiker, wenn es darum geht, Texte zusammen zu bringen und sich darzustellen. Aber wenn ich auf einem Song mit ihm bin, will ich besser sein als er.

M: Generell denken wir uns als echte US-Amis, dass unser Style organisch ist, wir atmen den Scheiß. Für uns ist das echt und alle anderen interpretieren das nur. Damit wollen wir uns natürlich auch profilieren.

Credit: Max Zimmermann (AGF)

Welche Rolle spielt für euch das Visuelle?

M: Ursprünglich hab ich mehr Ficks auf die Visuals, als auf die Promo gegeben. Früher waren Musikvideos immer das rettende Beil, mit dem man die Musikwand einreißen konnte und sie auch besser darstellen konnte. Heute ist es eher so ein make it or break it Ding. Entweder ist das Video so krass, dass es viral geht oder es schauen vielleicht 100.000 Leute einmal und danach nie wieder. Videos sind irgendwie egal geworden und eigentlich macht man sie nur, um zu zeigen mit wem man chillt – und um zu flexen. Tik Toks, Trillers und vielleicht noch der Canvas-Background bei Spotify ersetzen Musikvideos. Vielleicht sind wir auch ein schlechtes Beispiel, weil wir gerade noch up and coming sind, aber unser Video für „So Wild” hat aktuell nur um die 6.000 Aufrufe, während der Track auf Spotify viel mehr abgeht.

Wie ist die Idee zum Video zu „So Wild” entstanden?

D: Das Video wurde von Assuming Good Faith produziert. Das Konzept hatten wir ursprünglich für die Single mit Yin Kalle entwickelt, das ist aber nicht zustande gekommen. Normalerweise hat man zuerst einen Track und entwirft dann dazu ein Video. Weil wir das Konzept aber schon hatten, haben wir dazu ein Lied gemacht.

M: Einen Tag vor dem Dreh wurde alles abgesagt. Wir hatten aber schon alles gebucht. So sieht’s halt aus, wenn du mit Homies Musik machst, die immer mehr an Einfluss gewinnen und bei denen mehr Leute Mitspracherecht haben. Man kann so oft wie man will nachts zusammen sitzen und Musik machen, aber leider ist das Teil des Geschäfts. Wir haben uns dann gedacht, dass wir das Video trotzdem drehen wollen, aber eben für einen anderen Track. Also haben wir einen Beat gemacht, der sehr sommerlich ist, zum über Felder hoppeln.

D: Genau. Ich wollte ein bisschen Memphis, ein bisschen grimey, und er hat das auch gefühlt. Wir haben hier also rückwärts gearbeitet.

Woher kam die Idee, als DHL-Boten verkleidet CBD an Supporter zu verschenken?

D: Shoutout an Bunte Blüte CBD, das sind Atzen von uns. Wir dachten uns, es wäre cool, zu „5 Packs” ein Gewinnspiel zu machen.

M: Für das Video zu „Verwählen” hatten wir drei Locations für drei Artists. Ich als DHL-Bote, Kalle verballert in der Bahn.

Das heißt, der Promo-Move und das Video zu „So Wild” waren ursprünglich ein einzelnes Konzept für den Yin Kalle Track?

D: Genau. Wir haben es sozusagen in drei Ideen aufgebrochen. Für Außenstehende ist das kaum erkennbar.

M: Aaron hatte viele Idee für das Drehbuch, ich war eher für den visuellen Teil und die Koordination zuständig. Ich mach dann meistens auch die Visuals, also das Cover oder das Schneiden und Filmen von Videos, wie bei „5 Packs”.

Dass ihr verkleidet als DHL-Boten Skits performt, war auch Teil des ursprünglichen Konzepts?

D: Null. Das ist eigentlich innerhalb von drei Tagen entstanden. JJ hat bei Westend Vintage, einem Seconhand-Laden in Charlottenburg, ein DHL-Shirt gefunden. Die Idee, als DHL-Boten asozial durch die Gegend zu rennen und Kisten rumzuschmeißen, hatte er schon länger. Als wir die Idee dann mit der CBD-Promo verbinden wollten, haben wir unsere Freunde von Dogma Dior angerufen. Die waren direkt dabei. Drei Tage später standen wir im DHL-Kostüm auf dem Wittenbergplatz. Das alles ist sehr organisch passiert, auch wenn es aus der Not heraus entstanden ist. Wir sind die last minute kings, wir hatten einfach Spaß. Es werden bestimmt noch mehr solche Sachen kommen, wir haben Bock.

 

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Ein Blick in die Zukunft fällt gerade natürlich schwer. In einer idealen Welt, was erhofft ihr euch vom neuen Jahr, sowohl auf musikalischer als auch auf persönlicher Ebene?

M: Splash! Bucht uns!

D: Im September 2021 soll zum zweiten Mal das 030 Open Air stattfinden, bei dem ich als Artist-Curator mitgewirkt habe. Das wird ein richtiges Festival, das über drei Tage geht. Für ein kleines, unbekanntes Festival ist es schwierig, gehypte Künstler anzufragen. Da komme ich ins Spiel, denn ich kenne halt fast jeden. Ich kann bei den Leuten einfach privat anrufen und so die Verbindung herstellen. Mein Ziel für die Zukunft ist, dass ich meine Freundschaften und Quellen so nutze, dass wir damit alle zusammen Geld verdienen können. 2019 war ich in Atlanta, und da habe ich gesehen, wie die Menschen zusammen arbeiten können. Das wünsche ich mir auch für Berlin. Wenn Corona längst vergessen ist, können wir uns an den Strukturen immer noch finanziell und kulturell bereichern. Wenn wir alle unser Ego beiseite legen und uns auf Sachen konzentrieren, die wirklich wichtig sind, können wir uns gegenseitig aufbauen.

M: Hilfe zur Selbsthilfe. Wir helfen uns gegenseitig, damit wir uns eigenhändig aufbauen können. Das ist das Credo Nummer Eins. BMA, Bau Mich Auf, jeden Tag von 9 bis 10 pumpen, catch us. Und wo wir uns in der Zukunft sehen? Hoffentlich an einer Stelle, an der uns ein bisschen mehr Rampenlicht geschenkt wird. Wir geben alles, um das zu erreichen. Ansonsten natürlich immer gerne Festival-Bookings und alles, was dazugehört.

D: Ich sehe mich mal wieder auf der fucking Bühne! Das fehlt mir so krass. Dass ich auf der Bühne stehe und die Leute meine Lieder mitsingen können. Bisher hatte ich ja nur eine Single, aber auf „Hack” wussten viele nicht, dass ich das war. Ich bin schon in den Ohren der Zuhörer, aber nicht in ihren Augen. Das ist aber nicht schlimm. Das wird jetzt super random klingen, aber Shoutout an Migos (lacht). Bitch I rather be rich than famous. Mir ist es lieber, dass Menschen meine Musik wiedererkennen, als dass sie mein Gesicht erkennen. Aber trotzdem ist es mein Ziel, dass es 2021 viel mehr Menschen gibt, die mich gerne live sehen würden.

M: Unterstützt echte Künstler!

D: Shoutout Comfort Boys, Shoutout Yin Kalle, Shoutout Hutmacher, Shoutout BHZ, Shoutout rap.de. Shoutout an alle jungen Menschen, die versuchen irgendwas zu reißen, die kein Nein als Antwort nehmen, sondern weitermachen, weil sie wissen, dass sie es schaffen können. Shoutout an alle die zuhören. Shoutout an jeden, der das hier durchliest (beide lachen). Ich glaube nicht, dass das passiert. Aber an die Person, die das durchliest: Shoutout an dich.

M: Ich hab noch einen expliziten Shoutout und zwar an die Person, die dich anschreiben wird, weil er gelesen hat, dass du ein Hip-Hop-Festival kuratierst und einen Spot haben will und dir deshalb ein Demo-Tape schicken wird (beide lachen).

D: Shoutout an DICH!

Credit: Darja Preuss