Die Interview-Reihe „Kunst&Perspektive“ stellt die offene Frage: Wer ist man, wenn man Musik macht? Viele Rapper haben viele Antworten. Unsere Autorin Viola hat mit vier Rappern aus der Deutschrap-Szene darüber gesprochen. Welche Rolle spielen Kunstfiguren? Wie viel Verantwortung tragen Künstler für ihre Aussagen? Muss man eigentlich authentisch sein? Fragen über Fragen zur eigenen Identität.
Hallo Max schön, dass du dir Zeit genommen hast. Die Interview-Reihe dreht sich um Kunst und Perspektiven im Rap. Deshalb: Wer ist denn eigentlich MC Bomber und was hat er für ein Verhältnis zu dir?
Die Kunstfigur MC Bomber ist die Karikatur von Max. Karikaturen sind immer überzeichnet und sind immer schrill. MC Bomber sagt Sachen, die Max nicht sagen würde. Die Kunstfigur MC Bomber hat fast keine moralische Verantwortung. Der Privatmensch Max hat Verantwortung und ist sich dieser auch definitiv bewusst.
Wenn ich sage: „Ich schlage deine Fresse blau, als wäre sie eine Frau“, (kichert), dann wäre das keine Position, die die Privatperson Max so vertritt. Aber ich werd mich auch ganz bestimmt nicht davon distanzieren. Ich finde, das ist eine lustige Line und somit hat sie eine Berechtigung und darf stattfinden im MC Bomber-Kosmos. MC Bomber ist ein verrückter Entertainer und ich bin das manchmal nicht.
Kann MC Bomber über alles reden?
Ja, er darf auch über alles reden.
Würdest du auch über sehr emotionale Sachen sprechen?
Ja, gerne auch. Aber das darf dann nicht nach einer Schablone oder einem Schema laufen, wie der Kopfhochtrack oder der allseits gefürchtete Track über die Ex-Freundin. Der muss wirklich echt sein und wahre Gefühle aussprechen und ansprechen beim Hörer. Schablonen können das nicht.
Ich bin nicht der Meinung, dass wenn ich einen „persönlichen Track“ (kichert) machen würde, dass das zwangsweise mein starkes Image brechen müsste. Man kann sich auch nackig machen und damit Stärke zeigen. Wie bei meinem Track „Kampfwespen“, da spreche ich über meine Angst vor Wespen. Da habe ich mal etwas Persönliches veräußert. Das ist nicht diese standardisierte „Ich bin auch manchmal traurig“ – Seite. Ist doch klar, dafür bin ich einfach zu klug, um so sinnlose, dumme Schablonenmusik zu machen.
Aber alles auf witzig zu machen ist doch auch eine Schablone?
Nee, ich finde, der Anspruch ist ernst zu sein und trotzdem lustig. Ich nehme mich und meine Kunst und das, was ich da von mir gebe, sehr, sehr ernst. Auch wenn natürlich nicht jede Line für bare Münze genommen werden muss, nehme ich den Vorgang des Schaffens, und wie ich die Sache angehe, sehr ernst. Auch mein Kunstfigur MC Bomber nehme ich sehr ernst. Wenn ich es dann trotzdem schaffe witzig zu sein, ist das Ganze gelungen. Aber auf witzig machen ist blöd – das ist Klassenclown-mäßig.
Du hast mal gesagt, dir gehe es nicht um Image, sondern um Originalität. Was meinst du denn damit?
Ich kann mit dem Begriff Imagerap nicht viel anfangen. Jeder ist doch ein Imagerapper und hat irgendein Image. Die Frage nach der Realness, die daran anknüpft, finde ich überholt. Vor allem bei der Menge an Straßenrap-Releases, die gerade rauskommt. Juti – getickt haben alle mal irgendwie aufm Schulhof. Mir fällt aus dem Straßenrap niemand ein, der zu hundert Prozent authentisch ist und das interessiert mich auch gar nicht. Entweder ich finde etwas dope oder nicht dope, aber das knüpfe ich nicht an die Authentizität des Künstlers.
Was würdest du dem entgegensetzen?
Ich würde dem entgegensetzen, was findet man dope und was findet man nicht dope und nicht: Ist das real oder nicht real – das interessiert mich doch gar nicht.
Und was ist dann Originalität?
Witzigkeit und ein gewisser Erfindungsdrang. Irgendetwas zu schaffen, was vorher noch nie da war. Natürlich man ist immer irgendwie inspiriert und beeinflusst von einem Vorbild, aber man kann darin ja auch Kreativität schöpfen und was neues machen. Es gibt zwei Abklatschs, einmal den Standard Franzacken-Rapper oder den Standard-behinderten Ami-Cloudrapper. Beides ist ja nicht originell. Das sind einfache eins zu eins Kopien, mit denen jetzt der Markt überschwemmt wird und da hört Originalität auf.
Weil immer dasselbe französische Image wiederkommt, ein fetter Wagen am Anfang, eine Kalaschnikow im Video, irgendwann haben das auch alle verstanden. Ich kann ein gutes Beispiel nennen, was von diesem Amirap-Ding eine geile Interpretation ist: Haiyti. Nicht jeder Song ist zu hundert Prozent mein Ding, aber da kann man wirklich von einer neuen Interpretation von Südstaatenrap sprechen. Sie passt ja in keine dieser Schablonen.
Kommen wir noch mal zur Kunst, sind Abklatsche dann deiner Meinung nach keine Kunst?
Das kann ja auch trotzdem Kunst sein, aber man kann ja auch für sich entscheiden, was für einen qualitativ gute Kunst ist, es gibt ja auch schlechte Kunst. Der Kunstbegriff an sich ist ja noch kein qualitativer Begriff. Also auch der billige Amiabklatsch ist Kunst, das ist ein Ausdruck von Kreativität, von Schaffen, sicherlich. Aber ob es originell ist, ob es lustig ist, ob es Spaß macht, das ist dann halt die andere Frage, die man sich stellen muss.
Man könnte auch Leuten absprechen, dass sie Kunst machen?
Ja aber das finde ich nicht. Ich habe da einen sehr weiten Kunstbegriff. Wenn es scheiße ist, dann ist das halt ein schlechter Künstler.
Wie sieht es mit moralischen Ansprüchen aus? Wenn mir jemand deine Lines ins Gesicht sagen würde, würde mir wahrscheinlich die Hand ausrutschen.
Warum? Das verstehe ich nicht. (kichert)
Das tut mir leid für dich.
(kichert weiter)
Des Weiteren hast du mal behauptet Kunst schaffe keinen Mehrwert, aber du machst doch mit deiner Kunst einen Mehrwert, nämlich Geld.
Es war natürlich auch eine polemische und überspitzte Bemerkung, aber es ist natürlich eine andere Art des Arbeitens, als der Fabrikarbeiter. Es hat keinen materiellen Zweck, aber natürlich einen Zweck: Die Leute sind entertaint. Man kann das auch als eine Ware sehen, somit schaff ich als Entertainer natürlich ein Produkt. Das ist das, was sich der Mensch in seiner Kulturbildung gönnt. Es schafft keinen materiellen Mehrwert und ist das, was uns vom Tier unterscheidet. Mir fällt keine Tierart ein, nicht der schlauste Affe, wo sich im tiefsten Urwald kleine Bonobo-Theatergrüppchen bilden.
Verändert es was, seit dem du Geld damit verdienst?
Ja, das ist das, was ich meine. Oft sind die schon völlig stagniert und degeneriert, die sich einbilden, dass sie einen großen Mehrwert schaffen mit ihrer Kunst. Da kommt nur noch Scheiße bei raus, deswegen will ich mir nicht anmaßen Mehrwert zu schaffen. Das sei dem Konsumenten überlassen, ob er das so sieht. Die ihre Kunst als eine Ware ansehen und sich selbst als Dienstleister sehen und das spiegelt sich dann im Produkt wieder.
Ich hab das Gefühl, dass z.B. die Beginner sich nur noch als Dienstleister sehen. Ich kann es mir nicht anders erklären. Wenn die sich wirklich als Künstler sehen mit dem Müll, den sie da abgeliefert haben, dann tut es mir leid um ihre degenerierten Hirne. Das ist ein Beispiel für mich, für degenerierte, schlechte Kunst, die Warencharakter hat.