Gestern erschien mit „Silk Mob“ das selbstbetitelte Debütalbum der deutsch-österreichischen Rap-Supergroup Silk Mob. Bevor wir alle wussten, dass es sich dabei um das perfekte Album für die derzeitige häusliche Isolation handelt, haben wir uns mit den Mitgliedern Opti Mane, Donvtello, Fid Mella und Lex Lugner (Jamin war leider verhindert) in unserem Redaktionsbüro in Kreuzberg getroffen. Hier haben wir über die Entstehung ihres gemeinsamen Projekts, kosmische Strömungen, Mundart-Rap und natürlich über das Album selbst geredet.
Ende Januar diesen Jahres erschien mit „Heute ned“ die erste Single eures gemeinsamen Projekts „Silk Mob“. Wie kam dieses Projekt überhaupt zustande?
Opti Mane: Das war eigentlich ein reines Zufallsprodukt. Donvtello und ich wurden beide jeweils für einen Auftritt bei einer Veranstaltung der 808 Factory in Wien gebucht. Im Zuge dessen haben wir uns dann mit Lex Luger, den wir vorher schon kannten, zum Chillen und Musik machen während unseres Aufenthalts verabredet. Macello (Lex Lugner mit bürgerlichen Namen; Anm. d. Verf.) hat dann am Tag des Auftritts vorgeschlagen, zu seinem Kumpel Fid Mella, der auch ein Producer ist, ins Studio zu gehen. Wir sind dann spontan dort hingefahren.
Fid Mella: Wir haben dann direkt einen Song gemeinsam gemacht. Oder waren es sogar zwei an dem Tag?
Opti Mane: Ja genau, ich glaube der erste war „Belvedere“.
Fid Mella: Stimmt, „Belvedere“ war der erste gemeinsame Song, der direkt in der Session entstanden ist, obwohl wir uns vorher eigentlich überhaupt nicht kannten.
Es hat also sofort gefunkt zwischen euch allen?
Opti Mane: Kann man so sagen (lacht). Das ist uns vor kurzem auch erst bewusst geworden. Jetzt kommt Ende März das Album und vor circa einem Jahr kannten wir uns noch nicht mal alle so direkt untereinander. Es gab weder den Gedanken, noch die Idee zu einem gemeinsamen Projekt. Während des Albumprozesses haben wir allerdings gemerkt, dass wir so einen Sound schon immer machen wollten, aber dafür leider bisher nie die passenden Producer hatten. Der Track „Belvedere“ war so gesehen der Startschuss für das gemeinsame Projekt Silk Mob. Danach ging alles recht schnell und ratzfatz war das Album fertig.
Fid Mella: Ja, genau. Eigentlich ist das Grundgerüst des ganzen Albums innerhalb von drei Tagen entstanden. Wir wollten einfach nur ein paar Tracks zusammen machen und hatten plötzlich vier fertige Songs. In dem Moment wurde uns dann bewusst: Okay, das ist eigentlich ein gemeinsames Projekt.
Lex Lugner: Dadurch, dass wir dann Jamin noch während der ersten Session dazugeholt haben, war er auch schon bei einem Track dabei. Wir hatten dann diese vier Tracks nach drei Tagen. Dann sind wir darauf gekommen, dass Mella schon zwei Tracks mit Jamin angefangen hatte, die perfekt ins Soundbild gepasst haben. Mella und ich haben dann die Beats dieser zwei Tracks fertig gemacht und Opti Mane und Donvtello haben noch jeweils ihre Verses darauf geschrieben. Somit hatten wir quasi das Tape fertig.
Fid Mella: Deswegen ist das auch alles so schnell gegangen. Das Projekt war da, bevor wir eigentlich gemerkt haben, dass es ein Projekt gab (alle lachen). Wir mussten dem Projekt dann nur noch einen gemeinsamen Namen geben.
Opti Mane: Das hat tatsächlich am längsten gedauert, sogar mehrere Monate.
Schon auf der ersten Single „Heute ned“ wird deutlich, dass ihr euch trotz eurer so unterschiedlichen Charaktere gegenseitig ergänzt. Ist euch das schon während der ersten Aufnahmen aufgefallen?
Opti Mane: Absolut, als wir dann mit Jamin den ersten Track aufgenommen hatten, ist uns bewusst geworden, dass wir hier eigentlich voll die heftige Band am Start haben und ein Projekt zusammen machen sollten. Man könnte ja denken, dass das alles vorab von langer Hand geplant und konzeptioniert war – so wirkt es ja auch. Eigentlich haben wir aber erst während der Aufnahmen die einzelnen Bausteine erkannt und zusammengefügt.
Hört sich so an, als hättet ihr einfach miteinander gejammt und sofort losgelegt. Ist das gesamte Album in diesen Sessions vor Ort entstanden?
Fid Mella: Ja, wir haben einfach komplett ohne zu denken losgelegt. Ich finde, das macht das Album aus.
Donvtello: Das war ein geiles Feeling, weil die Jungs einfach angefangen haben Melodien mit Gitarren und analogen Synthesizern einzuspielen. Das ist natürlich ein ganz anderer musikalischer Prozess, als wenn man jetzt irgendwo – was natürlich auch trotzdem Spaß macht – in der Booth hängt und irgendjemand was auf dem Computer in Fruity Loops eingibt. Der Aufnahmeprozess von „Silk Mob“ war einfach ein ganz anderer Vibe und ein viel geileres Feeling.
Warum habt ihr euch für „Heute ned“ als erste Singleauskopplung entschieden?
Fid Mella: Wir fanden, das ist der größte Hit. Uch glaube darauf konnten sich alle relativ schnell einigen. Wobei, eigentlich ist das ganze Projekt ein Hit. Es war dann am Ende doch gar nicht so leicht sich zu entscheiden, welchen Track wir als erstes veröffentlichen wollen (lacht).
Opti Mane: Das war wirklich so. Als wir am Ende überlegt haben, welche Singles wir veröffentlichen wollen, ist uns die Entscheidung dann doch gar nicht so leicht gefallen.
Lex Lugner: Ich glaube wir haben uns am Ende dann für „Heute ned“ entschieden, weil es einer der ersten Tracks war, der während der gemeinsamen Session entstanden ist.
Opti Mane: Ja, genau und weil „Heute ned“ alle Facetten der kompletten Gruppe repräsentiert. Alle Bandmitglieder sind darauf vertreten. Der Song ist in einer kompletten Session entstanden, bei der wir alle zusammen vor Ort waren. Das ist quasi die gesamte Essenz des gemeinsamen Projekts.
Gibt es eigentlich noch Gastparts von anderen Musikern auf der Platte?
Fid Mella: Nein, es gibt keine zusätzlichen Features und Produzenten. Es ist aber auch nicht so, dass immer jedes Mitglied des Silk Mobs an jedem einzelnen Track des Projekts beteiligt war. Wir sind das alles recht locker und ohne Konzept angegangen. Am Ende ist es einfach ein geiles rundes Ding geworden.
Opti Mane: Wir haben nur einen „Sprechgast“, der ein kleines Intro zu einem Track spricht. Der ein oder andere Kenner wir bestimmt feststellen, um wem es sich dabei handelt.
Eine Frage speziell an die Producer, wie seid ihr die Produktion des Albums angegangen?
Lex Lugner: Bis auf einen Track, in dem sich ein Sample befindet, haben wir alles analog produziert und eingespielt.
Opti Mane: Für mich persönlich war das eine ganz besondere Erfahrung. Es war das erste Mal, dass ich in einem Studio aufgenommen habe, in dem live vor Ort alle Synthesizer vorhanden waren, mit denen auch aufgenommen wurde. Mella und auch Macello sind ja auch Sammler und Synthesizer-Freaks und haben eine Auswahl an originalen Geräten aus den 70er, 80er und 90er Jahren rumstehen. Ich kenne mich da ja aber nicht so genau aus. Wir haben uns teilweise stundenlang eingeschlossen und verschiedenste Sounds und Geräte eingespielt.
Fid Mella: Lex Lugner und ich machen auch schon lange und regelmäßig gemeinsam Musik. Wir sind dementsprechend voll eingespielt, weshalb die Produktion recht locker von der Hand ging. Ganz allgemein haben einfach alle Beteiligten super miteinander harmoniert. Irgendwelche kosmischen Strömungen haben uns da anscheinend zueinander geführt, das kann man gar nicht wirklich beschreiben. Mystisch schon fast das Ganze (lacht).
Auf dem Album treffen hochdeutsche Rap-Parts auf Jamins Mischung aus Rap und Gesang im Tiroler Schmäh. In Österreich stört sich offensichtlich niemand an „Mundart-Rap“, in Deutschland ist dies gefühlt allerdings immer noch ein großes No-Go. Habt ihr eine Erklärung dafür?
Opti Mane: Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Ich habe mich das auch schon öfter gefragt. Deutschland hat ja eigentlich schon viele Dialekte, aber irgendwie traut sich das niemand umzusetzen. Ich komme aus einer Region, Bielefeld, da wird tendenziell Hochdeutsch gesprochen, deswegen war das für mich selbst nie Thema. Ich weiß nicht, warum die Leute das nicht probieren. Ich kann es mir persönlich auch nicht so super geil vorstellen. Mir geht es aber auch ähnlich bei Gesang und R ’n‘ B auf Hochdeutsch. Das finde ich richtig schwierig umzusetzen, ohne dass es komisch rüberkommt. Für mich persönlich gelingt das nur in den seltensten Fällen richtig gut. Im Gegensatz dazu finde ich aber, dass es bei Jamin so geil klingt. Er muss einfach im Dialekt singen, das kann gar nicht auf Hochdeutsch funktionieren. Ich glaube in seinem Fall kommt es einfach so gut und stylisch rüber, weil es eben im Dialekt ist.
Donvtello: Ich finde es allgemein bei Jamin auch ziemlich rund, wie das bei ihm klingt. Ich denke, wenn er versuchen würde auf Hochdeutsch zu singen, dann würde das vom Ausdruck her sehr kantig klingen. Vielleicht liegt das auch daran.
Opti Mane: Ja, bei Gesang, R ’n‘ B und Soul, funktioniert Dialekt zehnmal krasser als auf Hochdeutsch.
Fid Mella: Für einen Österreicher, der im Alltag Dialekt spricht, ist es ja auch recht unnatürlich in einer quasi schon fast Fremdsprache zu singen. Das hört man dann auch und es kommt einfach nicht authentisch rüber. Auch wenn einem ständig geraten wird das zu tun, um mehr Leute zu erreichen. Auch im Falle von Jamin.
Opti Mane: Na, des lass ma sein. Heute ned! (alle lachen). Also ich hoffe, das wird er nie machen.
Die bisherigen Videoauskopplungen „Heut ned“ und „Fenster zu“ setzen den Vibe eures Projekts auch bildlich sehr gut um. Mit „Alte Petze“ scheint ihr hier den perfekten Partner gefunden zu haben.
Donvtello: Ja, Nils (Alte Petze mit bürgerlichen Namen; Anm. d. Verf.) ist auf jeden Fall ein sehr fähiger Mann. Er hat selbst Ideen und Visionen gehabt, hat alles gegeben und ist auf jeden Fall super happy mit dem Ergebnis.
Opti Mane: Die Produktionen haben wir auch komplett in Eigenregie und ohne großes Budget durchgezogen. Wir hatten auch ziemliches Glück, dass er mega Bock hatte und motiviert war Videos zu drehen. Er ist eigentlich Kameramann und arbeitet in der Filmproduktion. Er hatte aber Bock Musikvideos zu drehen. Wir hatten dann das Glück seine „Versuchskaninchen“ zu sein. Es war also ein Geben und Nehmen.
Das hört sich fast so an, als wäre das mal wieder eine günstige Fügung des Schicksals gewesen.
Opti Mane: Ja (lacht). Irgendwie zieht sich das fast durch das komplette Projekt.
Fid Mella: Wenn man Sachen nicht erzwingt, dann wird man oft beschenkt mit diesen Gegebenheiten, die dann super ineinandergreifen. Dann ergibt das alles Sinn – war gar nicht anstrengend (alle lachen).
Wie sieht es mit einer gemeinsamen Silk Mob Tour aus?
Donvtello: Wir arbeiten jetzt erst mal an weiteren Songs. Es ist ja auch eher suboptimal mit sieben Songs auf Tour zu gehen. Wenn wir dann mehr haben, schauen wir weiter.
Opti Mane: Wir haben auf jeden Fall Bock. Wir können die Songs der Platte Eins-zu-eins auf der Bühne umsetzten. Die Generalprobe dafür hatten wir bei der 25-Jahr-Feier unseres Verlags Motor. Das hat sehr gut geklappt und ist beim Publikum auch gut angekommen.
Damit sind wir auch schon so gut wie am Ende angelangt. Was für ein Resümee zieht ihr für euer gemeinsames Projekt „Silk Mob“?
Opti Mane: Es ist alles ein bisschen verrückt und teilweise nicht zu glauben. Mir ist das aufgefallen, als wir vor kurzem die Releasephase des Albums gestartet haben. Vor nicht einmal einem Jahr hatten wir plötzlich diese Songs fertig und neun Monate später ist das Kind mit Vinyl-Release, Tape-Release, Digital-Relase und Radio-Airplays geboren. Das ist wirklich verrückt (alle lachen).
Vielen Dank für das Gespräch!