SadiQ will mit seinem Video „Charlie Hebdo“ unbedingt provozieren [Kommentar]

Okay. Es war zu erwarten, dass SadiQ mit seinen neuen Songs, die Titel wie „Charlie Hebdo“ oder „Taliban“ tragen, eine deutlich kontroversere Schiene fahren würde als bisher. Das erste Video aus seinem neuen Album „AKpella“ bestätigt diesen Eindruck. Bitter, denn rappen kann der Frankfurter eigentlich.

Seine in diesem Video offen zur Schau gestellte Sympathie für den Anschlag von Al-Qaida auf die Redaktion der französischen Satirezeitschrift aber kann man nicht einfach unter „Wow, wie provokant“ verbuchen. Was ist daran provokant, die Ermordung Unschuldiger mit dem Hinweis auf angebliche oder tatsächliche Verbrechen anderer, in diesem Fall der USA, zu rechtfertigen? Wie glaubwürdig ist die wie ein Fetisch vor sich hergetragene Sorge um das Wohlergehen der Bevölkerung in muslimischen Ländern, wenn im selben Atemzug die feige Ermordung von wehrlosen Menschen als Akt der rechtmäßigen Rache gefeiert wird? Um einen aktuellen Deutschrap-Diskurs aufzugreifen: Das ist nicht real und hat mit HipHop auch nichts zu tun.

Natürlich kann man überspitzen, natürlich ist nicht jede Zeile Rap wortwörtlich zu verstehen, natürlich ist Provokation ein zulässiges Stilmittel. Aber: Mit den friedlichen, toleranten und weltoffenen Werten von HipHop hat diese Verherrlichung der Taten von religiösen Fanatikern nichts mehr zu tun. Selbstverständlich kann man Charlie Hebdo scheiße finden, man darf auch Satire scheiße finden. Aber die Ansicht, dass es in Ordnung ist, jemanden umzubringen, weil dieser etwas gezeichnet hat? Das ist so weit weg von jeglicher Menschlichkeit und jedem Gerechtigkeitsempfinden, dass es einem schlecht wird.

Darüberhinaus erweist SadiQ seiner Religion, die er doch eigentlich schützen will, einen Bärendienst: Das Video gibt sich alle Mühe, sämtliche Klischees von AfD und Konsorten über Muslime zu bestätigen. Statt friedlicher Koexistenz mit Andersdenkenden wird hier ein totaler Wahrheitsanspruch formuliert, der selbst die Tötung vermeintlich „Ungläubiger“ akzeptiert. Alle rechten Islamhasser werden sich angesichts so bildstarken Propagandamaterials schon jetzt die Hände reiben.

Wir setzen bei rap.de auf offene Auseinandersetzung, Boykotte, Totschweigen oder feiges Wegducken sind nicht unsere Sache. Deshalb kam für uns ein kommentarloses Verbreiten des Videos auch nicht infrage. Gerne sind wir, bin ich aber bereit, mit SadiQ über die Aussage seines Videos zu sprechen, ihn seine Motivation begründen zu lassen, seine Seite der Medaille darzustellen. Dialog sollte immer möglich sein, auch wenn die Ansichten noch so weit auseinander gehen. Geben wir der Streitkultur in Deutschland eine Chance. Nur so kommen wir weiter.

Anmerkung: In einer früheren Version wurde der Anschlag auf die Charlie Hebdo-Redaktion fälschlicherweise dem IS zugeschrieben. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.