dude&phaeb sind ein einziger Anachronismus, aber im positiven Sinne. Rapper/Producer dude26 und sein rappender Kollege phaeb vertreten einen Sound, den man in Deutschland seit Anbeginn der Aggro-Ära für ausgestorben gehalten hatte – warme, organische Beats auf Sample-Basis, die auf detailverliebte und inhaltsvolle Raps treffen. Die beiden Hildesheimer machen keinen Hehl aus ihrer musikalischen Sozialisation, die tief in den Neunzigern verwurzelt ist, klingen deswegen aber noch lange nicht ewiggestrig oder rückwärtsgewandt. Denn dafür haben die zwei Jungs einfach zu viel Liebe zur Kunstform HipHop. Beweis hierfür: Das im April erschienene Debütalbum "Gegengewicht". rap.de hat mit dude und phaeb gesprochen und bei dieser Gelegenheit auch jede Menge Albenmaterial am Start.
rap.de: Wie habt Ihr Euch kennen gelernt und warum habt ihr beschlossen, gemeinsam Musik zu machen? phaeb: Wir haben uns 2005 bei einer Jamsession in Hildesheim getroffen. dude kam auf mich zu, weil er gehört hat, dass ich Musik mache. Wir haben uns spontan gut verstanden und ein paar Tage später saß ich bei dude, der damals noch in einem kleinen Vorort von Hildesheim wohnte, auf der Couch. dude: Ich habe phaeb ein paar Beats gezeigt wir haben Platten gehört und ziemlich schnell festgestellt, dass wir musikalisch auf die gleichen Dinge flashen. A Tribe Called Quest, Slum Village, Square One oder auch RAG – um nur ein paar Crews zu nennen. rap.de: Euer Sound ist ja schon ziemlich Old-School. Verfolgt ihr überhaupt, was aktuell so im Rap passiert? dude: Wir sind beide seit über zwölf Jahre dabei und natürlich stark von der so genannten Golden Era des Rap beeinflusst. Trotzdem würde ich unseren Sound nicht pauschal als Old-School abstempeln, nur weil wir viel mit Samples arbeiten und uns dem Einfluss von elektronischer Musik und der Verwendung von synthetischen Sounds weitestgehend verweigern. phaeb: Old-School ist für uns eher der energiegeladene und tanzbare Sound der ersten Stunde von Public Enemy oder Grandmaster Caz, die viel mit Breakbeats gearbeitet haben. Old-School ist für uns die Zeit, in der Rapmusik und Breakdance noch gemeinsame Sache machten. Wer natürlich samplelastige Beats mit gehaltvollen Lyrics als Old-School bezeichnen möchte, um unserer Sound zu beschreiben, der kann dies gerne tun – jeder hat da seine eigene Definition und das ist auch gut so. dude: Und natürlich verfolgen wir, was aktuell der Szene passiert. Ich bin von Rapmusik geradezu besessen und zieh mir alles rein, was ich in die Finger bekomme, auch wenn ich ehrlich gesagt nicht jedes Musikvideo bis zum Ende anschaue. Wir sind immer noch Fans und beobachten mit Freude, wie sich die Musik verändert und entwickelt. rap.de: Ihr arbeitet mit vielen warmen Jazz-Samples. Seid Ihr Jazz-Fans? Welche Künstler außerhalb des HipHop haben Euch beeinflusst? phaeb: Dass wir Jazzmusik lieben, lässt sich wirklich schwer verbergen. Astrud Gilberto, Ernest Ranglin, Mulatu Astatke oder Etta Jones gehören zu meinen persönlichen Favoriten aus dem Bereich Jazz. dude: Für mich zählen Herbie Hancock, Kenny Burrel und Julian Priester definitiv zu den Großmeistern des Jazz. Für mich ist Jazzmusik eine unglaubliche Inspirationsquelle. Wenn ich zu Hause sitze oder im Plattenladen stehe und ein Sample finde, bekomme ich sofort Lust, einen Beat zu bauen. Der Sound von einem freshen Jazzsample ist einfach unvergleichlich, da kommt niemand mit seinem MIDI-Keyboard ran. rap.de: Euer Album heißt "Gegengewicht", was die ewige Suche nach der Balance im Leben beschreiben soll. Seht Ihr Euren Sound auch als szeneinternes Gegengewicht? phaeb: Ich würde nicht behaupten, dass es mehr "Aggrorapper“ gibt als MC’s, die Wert auf inhaltliche Aussagen und Texte mit einem gewissen Tiefgang legen. Aber ich habe beobachtet, wie sich der mediale Fokus mehr und mehr auf Produktionen und Personen richtet, die Gewalt, Sexismus und pseudomaskulines Gehabe in den Vordergrund stellen. Diese Inhalte richten sich meines Erachtens an niedere menschliche Instinkte und stehen nicht selten an der Grenze zu faschistischem Gedankengut – und das kann ich mit meiner persönlichen Definition von HipHop einfach nicht zusammenbringen. Aber mit Gewalt und Sex lässt sich nun einmal das meiste Geld machen und so werden diese Personen natürlich durch die Medien gepusht. Es ist ein kapitalistischer Teufelskreis, aus dem es kein Entkommen gibt. Versteht mich nicht falsch, ich bin nicht für eine Zensur derartiger Inhalte, aber ich würde mir von den Medien eine gewisse Selbstkontrolle wünschen und das sie hier und da ein bisschen mehr Rap aus der Conscious-Ecke pushen. Genauso wie ich mir wünsche, dass die Künstler ihren Werken gegenüber mehr Verantwortung zeigen oder zumindest darüber nachdenken, was für ein Bild von der Welt sie ihren pubertierenden Fans zeigen. Letztenendes ist es natürlich nicht der Rap, der unsere Jugend verdirbt. Da gibt es ganz andere gesellschaftliche und familiäre Gründe für. Aber bei manchem Jugendlichen landet die Botschaft von Hass und Intoleranz halt auf einem fruchtbaren Boden und man sollte sich als Rapper schon überlegen, welche Botschaften man vermitteln will. Ich würde sagen, dass unser Album einiges an Gewicht und Sprengkraft hat. Das Zünglein an der Waage sind aber am Ende unsere Hörer, und wir sind gespannt was unser Werk am Ende wiegt. dude: Wir glauben daran, dass wir nicht nur stille Beobachter sind, sondern dass wir mit unserer Musik die Menschen erreichen und bewegen können und dadurch etwas verändern, auch wenn es nur einen kleinen Moment lang ist, für die Dauer eines Konzertes oder die Spielzeit einer LP. rap.de: Euer Sound und auch Eure Texte wirken sehr detailverliebt. Wie perfektionistisch seid Ihr? dude: Sehr. Wir haben fast drei Jahre lang an dem Album gearbeitet und uns durch unseren Perfektionismus hier und da auch selbst ein bisschen aufgehalten. Aber ich denke, es lohnt sich einfach, an einer Sache zu arbeiten, bis man wirklich damit zufrieden ist. Man hört immer noch was und denkt, das hätte ich noch besser machen können, aber irgendwann muss man auch einen Schlusspunkt setzen. Wir streben in dem, was wir tun, nach Perfektion, aber wissen auch, dass diese unerreichbar ist. Das treibt uns aber auch immer wieder an, etwas Neues in Angriff zu nehmen. phaeb: Es hat beinahe ein halbes Jahr gedauert, bis wir uns für einen Cover-Entwurf entscheiden konnten. Für die Beteiligten war das auch nicht immer ein Zuckerschlecken und die Zusammenarbeit mit dude&phaeb kann einem schon mal den letzten Nerv rauben. An dieser Stelle danke an alle Beteiligten, die uns mit unseren Perfektionswahn ertragen mussten. Aber in mir gibt es auch eine große Tendenz zum Unfertigen, Rohen und Spontanen. Ich freestyle für mein Leben gerne und kann mich dann auch sehr gut entspannen, wenn es mal nicht so läuft wie gedacht. Ich denke, der Zufall und der Fehler sind ebenfalls wichtige Mitspieler im kreativen Schaffensprozess. rap.de: Der Track "Nach allen Regeln der Kunst“ stellt das Rappen auf eine Stufe mit anderen Künsten wie zum Beispiel der Malerei. Versteht Ihr euch als Künstler? Was macht einen Künstler aus? Fühlt Ihr euch hin und wieder verkannt? phaeb: Ich glaub, auf diese Frage fange ich lieber gar nicht erst an zu antworten, sonst sprengt es das Interview vollständig. Es ist wirklich schwer, hier eine kurze Antwort zu geben, aber ich versuche, mich kurz zu fassen. Ich denke, Künstler machen etwas zugänglich, was sonst nicht anders gesagt werden kann. Sie stellen die alltägliche Wahrnehmung in Frage und erkunden neue Formen des Verstehens, außerhalb vordefinierter Pfade. Sie haben so etwas wie einen inneren, unaufhaltsamen Drang, sich gegenüber der Welt zu äußern. Rap ist natürlich in erster Linie eine sprachliche Form der Äußerung und damit nah an der alltäglichen Verständigung, doch im Klang der Stimme und der Kombination mit dem Beat liegen unendlich viele Informationen, die sprachlich nicht eingeholt werden können. Ich kann mir einen Song unter unterschiedlichen Gesichtspunkten tausend Mal anhören und immer wieder etwas Neues entdecken. Der Volksmund sagt ja, Kunst liegt im Auge des Betrachters und ich denke, damit hat er recht – ob jemand etwas als Kunst wahrnimmt, liegt letztendlich in seinem Ermessen. Und ja, wir verstehen uns als Künstler, aber fühlen uns in unserer Kunst keineswegs verkannt. Wir bekommen von den Leuten sehr viel Liebe für unsere Musik und fühlen uns für das, was wir tun, wertgeschätzt. Auch wenn wir von unserer Kunst nicht leben können, leben wir für sie und freuen uns über jeden Support. Wer jetzt neugierig ist, wie die beiden Jungs so klingen – hier gibt es das Snippet zu "Gegengewicht" und das Video zu "Nach allen Regeln der Kunst" (feat. Mr. Moon) haben wir auch am Start. Yo!
dude&phaeb Gegengewicht Snippet mixed by DeliciousChrischuzz by dude26