Multiplayaclique im Interview: „Wir wollen alle keine übelsten Popstars werden”

In unserer Newcomer-Kategorie wollen wir euch regelmäßig up-and-coming Artists aus dem ganzen Land vorstellen. Dieses Mal haben wir eine Truppe getroffen, die ganz ohne aufgesetzte Realkeeper-Mentalität im wilden Hip-Hop-Dschungel der Hauptstadt auf sich aufmerksam machen will. Die Multiplayaclique – das sind MC Kabrio, Nic Gee, Playa Jay und Skinnytis aus Westberlin. Für aufstrebende Künstler bietet die aktuelle Zeit nicht unbedingt die besten Voraussetzungen, um richtig durchzustarten. Trotzdem veröffentlichten die vier kürzlich die EP „Lunchmoney”, das erste Release unter neuem Namen. Nachdem die Jungs vorher schon als Frizzy Fam den Sound ihrer Heimatstadt verarbeitet haben, will die Multiplayaclique nun neu angreifen. Wir haben mit den Newcomern über den Berliner Einfluss auf ihre Musik, die Entstehung ihrer neuen EP und stilistische Vielfalt gesprochen.

Wie habt ihr euch kennengelernt?

Nic Gee: Eigentlich über DJ-Atzen. Jay und Kabrio haben mit ein paar Jungs abgehangen und ich mit einem anderen Homie von denen. Über die Connection haben wir uns dann kennengelernt. Und dann haben wir irgendwann angefangen zu rappen.

MC Kabrio: Ich glaub wir haben bei euch in der Wohnung in der Steinmetzstraße angefangen, in der Besenkammer. Wir hatten ein SM58-Mikrofon da und haben irgendwie besoffen angefangen zusammen zu rappen. Wir hatten davor auch alle schon mal ein paar Sachen gemacht, aber nie irgendwas rausgebracht.

Wo genau kommt ihr alle her?

M: Aus Südberlin. Und Skinny kommt aus Nordberlin. Bei dem war es auch nochmal anders, der ist erst später dazugekommen.

Skinnytis: Das ist eine wilde Mischung hier.

Ihr seid früher als Frizzy Fam aufgetreten. Was ist jetzt als Multiplayaclique anders?

N: Bei Frizzy Fam waren Jay, Kabrio und ich zusammen mit Jasyo. Jasyo hat sich dann in eine andere Richtung entwickelt und macht jetzt zum Beispiel mehr Fotos. Wir sind auch immer noch cool miteinander. Irgendwann hatten wir bei yano2d im Studio gechillt und da haben wir Skinny kennengelernt. Wir haben dann zusammen über viel Mucke gemacht und so zu viert Multiplayaclique gestartet. Yano ist auf jeden Fall auch Ehrenmitglied, er hat schließlich das Studio gestellt.

Und woher kommt der Name?

Playa Jay: Den Namen hatten wir als Frizzy Fam schon seit drei, vier Jahren in der Hinterhand. Wir wussten, dass wir damit was machen wollen und als dann der Moment kam, haben wir ihn übernommen.

N: Außerdem heißt es abgekürzt MPC, was über geil ist.

Macht ihr nur zusammen Musik oder habt ihr auch Solo-Projekte?

P: Momentan machen wir vor allem zusammen Mucke.

M: Man macht immer mal wieder einen Solotrack, aber jetzt nicht so, dass wir jeweils ein Soloalbum machen wollen.

S: Ich mach auch hier und da ein paar andere Sachen.

Wie läuft eure Zusammenarbeit ab? Ihr macht ja auch eure Beats zum größten Teil selber.

M: Normalerweise treffen wir uns im Studio zur Session. Dann hat zum Beispiel einer ein Sample am Start und fängt an einen Beat zu machen. Dadurch kriegt jemand eine Idee und macht eine Bassline und der nächste dann etwas anderes. Meistens entstehen die Tracks so. Teilweise basteln wir ewig an einem Beat, bis wir ihn scheiße finden, dann muss Skinny sich hinsetzen und innerhalb einer halben Stunde einen geilen Beat bauen (alle lachen).

N: Manchmal kommt auch schon jemand mit einem geilen Beat an.

S: Aber viele Beats entstehen einfach in der Session. So 80% der Sachen starten schon bei Null. Man setzt sich hin, macht den Beat, schreibt drauf, nimmt auf und dann ist ein Track da.

Eure Beats sind sample basiert, generell orientiert sich eure neuste EP an klassischem Hip Hop. Was sind eure Einflüsse?

P: Ich glaub es gibt viele verschiedene Einflüsse. Unser größter gemeinsamer Nenner ist wahrscheinlich die alte Berliner Schule. Viel Südberliner Zeug, auch Frauenarzt und sowas. Aber auch Nordberliner Hip Hop. Nic, Kabrio und ich haben uns ja bei Partys mit elektronischer Musik kennengelernt. Kabrio hat auch immer schon Partys veranstaltet. Wir alle haben schon immer Hip-Hop gehört, das ist auch einfach der starke Berliner Einfluss. Auch jede Musik, die wir so in die Dance-Richtung gehört haben, war immer irgendwo Hip-Hop-related.

P: Hip Hop war die logische Konsequenz. Das hat bei uns allen eigentlich schon in der Grundschule angefangen.

Wie schätzt ihr den Einfluss von Berlin auf eure Musik, aber auch auf euch als Typen ein? Euer Track „Sekt auf Eis” ist zum Beispiel sehr Frauenarztig, was man so eigentlich nur in Berlin hört.

S: Ich glaub dadurch, dass man in Berlin wohnt, hier chillt und Sachen erlebt, hier Mucke macht und dann auch viel Berliner Zeug hört, passiert der Einfluss irgendwie automatisch.

P: Und das Multikulturelle beeinflusst uns auch. Dadurch, dass man hier aufgewachsen ist, bekommt man hier so einen Blickwinkel. Dafür bin ich ganz dankbar, dass man die Welt so sehen darf.

Obwohl Deutschrap aktuell den Trap-Film fährt, habt ihr euch eurem eigenen Sound verschrieben. Wieso macht ihr das, was ihr macht?

P: Der Stil ist unser gemeinsamer Nenner. Wir alle sind krasse Jazz- und Soul-Liebhaber. Aber wir wollen jetzt nicht irgendwie einen Gegenpol zur aktuellen Schiene bilden. Wir machen das, worauf wir Bock haben, feiern aber auch den Rest.

M: Wir legen uns jetzt aber auch nicht auf irgendwelche Genres fest. Es kommen jetzt auch ein paar Sachen raus, die eher Grimey sind. Es wird nicht alles in einem Stil sein.

S: Ich glaube, wir machen einfach die Musik, die wir selber gerne hören wollen.

Eure neue EP heißt Lunchmoney. Wie ist der Titel zustande gekommen?

(Alle lachen)
M: Also wenn du so unsere Mucke hörst, dann kriegst du mit, dass Essen auf jeden Fall ein wichtiges Thema bei uns ist. Wir gehen halt nicht auf dem Ku’damm shoppen, sondern gehen irgendwo mies essen. Und deswegen geht’s bei uns um Lunchmoney.

Wie ist die EP entstanden? Gibt es da ’ne Story zu?

M: Die Idee gab es schon lange. Das Tape sah auch mal komplett anders aus. Und dann haben wir eigentlich alles einmal umgeworfen.

P: Bis auf den Lunchmoney Track.

S: Der musste drauf bleiben.

Wie habt ihr, vor allem auf kreativer Ebene, die ganze Corona-Zeit erlebt?

N: Einerseits ist es irgendwie geil, wenn man sich auf eine legitime Art und Weise einschließen, Joints rauchen und all day Mucke machen kann. Aber es ist schade, dass wir nicht live spielen können. Das finden wir auf jeden Fall richtig scheiße. Das ist ja eigentlich der geilste Part, würd ich sagen. Man kann sich auch nicht so richtig connecten. Man lernt normalerweise auf Partys und Veranstaltungen immer neue Leute kennen, worüber man dann auch an neue Gigs kommt, so läuft das ja. – Schade, dass dieser Teil wegfällt.

Aber kreativ hat euch die Situation nicht behindert?

N: Auf eine gewisse Weise hat es uns schon freigemacht, würd ich sagen. Du hast einfach viel weniger soziale Verpflichtungen.

S: Aber ich glaub auf lange Sicht, wenn man nicht so viel erlebt, wenn man die ganze Zeit nur zu Hause sitzt, dann gehen einem auch irgendwann die Ideen aus. Irgendwann muss man auch mal wieder was erleben.

Mal ganz utopisch gefragt: Was ist euer Ziel als Multiplayaclique?

P: In erster Linie geht es darum gute Musik zu machen, die einem selbst gefällt. Vielleicht auch ein bisschen das, was man in der Deutschrap-Szene vermisst, sodass man seinen Teil dazu beiträgt.

N: Wir wollen jetzt alle keine übelsten Popstars werden oder so. Aber es wäre krass, wenn man davon seinen Lebensunterhalt finanzieren könnte, das wäre der best case. Auf jeden Fall geht’s jetzt erstmal darum, geile Mucke zu machen und nicht sellout-mäßig irgendeinen Scheiß zu produzieren.

Welche Sachen vermisst ihr denn im Deutschrap?

M: Den Flavor einfach.

N: Die Freshness auch. Das kann ja zum Beispiel auch geiler Grime sein. Wenn man sich diese ganzen Spotify-Listen anguckt, die geben nur einem bestimmten Sound eine Plattform. Wenn man sich nicht weiter mit der Materie beschäftigt, kommt es einem so vor, als würde es nur diese Speerspitze des Sounds geben, obwohl es viel mehr Shit gibt. Also in alle Richtungen, ob es jetzt Boombap oder jazziger Shit oder Neosoul-Crossover-Zeug ist. Ich finde alles interessant, was jetzt nicht gerade dem Trend entspricht.

P: Für mich kommt es eigentlich gar nicht mal so darauf an. Es ist eigentlich immer nur wichtig, dass die Musik irgendwie authentisch ist. Es kann auch irgendwas neumodisches sein – wenn es wirklich authentisch ist, dann ist es mies. Aber leider passiert es gerade bei diesen Trendsachen öfter, dass ein Stück weit diese Authentizität fehlt. Viele Künstler sollten lieber nicht dem Trend folgen, sondern das machen, worauf sie wirklich Bock haben.

Ihr wollt mit eurer Musik ja auch irgendwie Spaß machen, oder? Das merkt man vor allem auf „Sekt auf Eis”.

P: Der hat wirklich lange Spaß gemacht.

M: Darum geht’s. Das ist ja das Geile am zusammen Mucke machen.

Was habt ihr als nächstes geplant? Wisst ihr schon, welchen Film ihr als nächstes fahren wollt?

N: Wir wollen diverse Filme fahren. Jetzt kommen wahrscheinlich erstmal ein paar Single-Tracks raus. Wir haben im vergangenen Jahr, wie gesagt, übertrieben viel Mucke gemacht und da sind ein paar ziemlich geile Dinger rausgekommen, die jetzt nicht unbedingt in ein geschlossenes Projekt passen. Skinny und ich haben noch ein Ding gemacht, was noch so ein bisschen mehr UK-influenced ist, Stichwort Grime. Mal gucken wann das kommt. Es gibt auf jeden Fall noch ordentlich Shit, der in der Pipeline ist.

Wenn Corona irgendwann mal vorbei ist, wo würdet ihr euch im Idealfall so in eineinhalb Jahren sehen?

S: Auf jeden Fall wieder live spielen.

P: Wo, ist eigentlich egal.

N: Einfach wieder in Club.

Wollt ihr der Welt noch irgendwas mitgeben?

S: Shoutout an yano2d und K383, Shoutout Papke.

M: Shoutout an die Fam, ihr wisst wer ihr seid.