MC Bogy hat im September einiges vor. Innerhalb weniger Wochen kommt massenhaft neuer Content vom Atzenkeeper: Bogy veröffentlicht am 20. die EP „New Jack“ mit seinem langjährigen Partner und Produzenten B-Lash. Sein neues Format „Bogy Life“ auf Youtube ist schon gestartet und auch die Show „Yo! MTV Raps“ geht im September in die zweite Staffel. Außerdem hält Bogy seinen Podcast mit B-Lash am Laufen, dreht weiterhin Interviews für TV Strassensound und ist ja ganz nebenbei auch noch Solo-Rapper.
Der 40-jährige Berliner ist eine Deutschrap Legende. Mit „100%“ kam letztes Jahr sein neuntes und vielleicht bestes Album auf den Markt. Doch Bogy ist nicht nur als Musiker, sondern auch als Mensch interessant. Er erzählt in zahlreichen Interviews bei TV Strassensound und seinem Podcast „100% Realtalk“ frei von seinen Erfahrungen mit Kriminalität, Religion, Familie, Drogen und allem, was die Berliner Straße der 90er so für ihn bereithielt. Bogy hatte in der Vergangenheit mit vielen inneren Dämonen zu kämpfen und doch scheint es ihm momentan besser denn je zu gehen. Entgegen aller Wahrscheinlichkeiten konnte er sich aus den tiefsten Abgründen heraus kämpfen.
Der junge Moritz
Bogy wird 1979 als Moritz Christoph Udem in West-Berlin geboren. Er wächst im Stadtteil Schöneberg-Friedenau auf. Bereits als kleines Kind wird er mit Gewalt konfrontiert: „Mit fünf sah ich die erste Schießerei, war sehr traumatisiert“. Mit 13 Jahren zieht er mit seiner Familie nach Lankwitz, wo Bogy bis heute wohnt.
Sein Vater hört mit ihm schon als Kind viel HipHop aus Amerika. Bogy findet Gefallen am Sound der Tapes und vor allem die Zeit mit seinem Vater ist ihm extrem wichtig. Die Musik funktioniert als Bindeglied zwischen den beiden.
Mit seiner Mutter hat er ein wesentlich schwierigeres Verhältnis. Vor allem nach dem Umzug nach Lankwitz kommt er immer wieder mit Drogen, Kriminalität und Gewalt in Berührung. Der größte Bruch zwischen Mutter und Sohn ereignet sich an Weihnachten 1997. Eine Anklageschrift wirft Bogy Beihilfe zur Vergewaltigung vor. Bogy berichtet von der Reaktion seiner Eltern: „Mein Vater schenkte dem keinen Glauben, aber meine Mutter war dann doch naiver und dachte, dass man dem System trauen kann“. Auch wenn Bogy später freigesprochen wird, hatte die ganze Situation „sehr viel kaputt gemacht in meiner Familie“.
Berlin Crime und Bassboxxx
Im selben Jahr gründet sich die Writer-Crew Berlin Crime. Die Crew CNF sowie Writer und Breaker aus Wedding und Lankwitz schließen sich unter dem neuen Namen zusammen. Ein Jahr später entsteht aus Berlin Crime das Label Bassboxxx. Großen Anteil daran haben Frauenarzt und Manny Marc, die schon seit CNF Zeiten am Start sind. Dazu kommen Rapper wie Tony D, MC Basstard und King Orgasmus One. Jope und Poem unterstützen die jungen Künstler und stellen Kontakt zum Duo Die Lätzten her – bestehend aus Akte One und Mach One, ebenfalls passionierte Sprüher und MCs.
Nach einigen Tapes, die im Homestudio produziert werden, entsteht später ein Großteil der Prouktionsmagie im „Lätzten Loch“. Die Wohnung von Mach One ist privater Treffpunkt und Arbeitsplatz zugleich für die Bassboxxx-Jungs. „Es war ein verrückter Sauhaufen, man hat Kopfschmerzen bekommen vom Arbeiten“ erinnert sich Bogy.
Bogy bringt Anfang der 2000er über das Label seine ersten Alben „Lyrischer Hooligan“ und „Der Atzenkeeper“ sowie den Sampler „MC Bogy und die Atzen“ heraus. Doch schon bald beginnt Bassboxxx nach und nach zu zerfallen. MC Bogy erklärt das so: „Bassboxxx war zu klein, um diese ganzen Egos zu vereinbaren“. Trotzdem sieht er das positive an der Geschichte: „Ich habe immer noch nur Liebe für Bassboxxx. Es war dann doch gut, dass jeder seinen Weg geht. So konnten sich alle solo besser entfalten“.
Mittlerweile veröffentlicht MC Bogy neue Musik auf seinem eigenen Label Noch mehr Ketten Entertainment. Seine Wurzeln vergisst er dabei nicht: „Berlin Crime wird nie zerfallen. Das ist die Familie, das ist das Wichtigste.“
Die detaillierte Bassboxxx-Geschichte von Anfang bis Ende gibt es hier auf JUICE.de zu lesen.
Bonnies Ranch
In den folgenden Jahren ist Bogy ein essentieller Bestandteil der Berliner Rapszene. 2004 kommt das Kollabo-Album „Von Bezirk zu Bezirk“ mit Bass Sultan Hengzt. Später veröffentlicht er „Geballte Atzen Power“ und „Gangster Bogys Mixtape #1“. Das einzige Gold-Album mit Beteiligung von MC Bogy bleibt allerdings bis heute „Aggro Ansage Nr. 5“.
2006 wird MC Bogy dann bei einem Videodreh von Sido verhaftet. Die Anklagepunkte lauten unter anderem bewaffneter Raub und Verstoß gegen das Waffengesetz. Der Atzenkeeper wandert in Untersuchungshaft. Er hatte das Album „Wilkommen in Abschaumcity“ vor seiner Verhaftung fast fertig gestellt.
Bogy kommt erst in Untersuchungshaft und wird dann in die Abteilung forensische Psychiatrie der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Berlin verlegt. In „Bonnies Ranch“, wie die Klinik auch genannt wird, arbeitet Bogy viel an sich und seinen Problemen: „Diese Eineinhalb Jahre haben gereicht, um zu wissen, dass das Scheiße ist und dass ich das nie mehr möchte“. Trotzdem kann Bogy etwas Positives aus den endlosen Tagen hinter Gittern ziehen: „Du hast im Knast Zeit über alles nachzudenken. Du kannst dich nicht Ablenken und musst dich deinen Dämonen stellen. Das war ‘ne sehr harte Zeit, die mich auch geformt hat. Wenn Gott ein Fenster schließt öffnet er ein anderes. Das war dann doch ‘ne Zeit, die sehr wichtig für mich war und mich sehr geprägt hat in meinem heutigen Wesen.“
Nach seiner Entlassung auf Bewährung ist Bogy direkt wieder in der Deutschrapszene präsent. Während er einsaß, hatte Aggro Berlin sein Album „Willkommen in Abschaumcity“ veröffentlicht und vorher mit der „Free-Bogy“-Initiative ordentlich Aufmerksamkeit generiert.
Der Hype und der Struggle
Bogy ist wieder auf freiem Fuß und seine Street-Credibility größer denn je. Es folgen zahllose Alben und Mixtapes. Nicht erst seit dieser Zeit genießt er auf den Straßen Berlins höchste Anerkennung. Bogy ist es immer wichtig, real zu bleiben. Trotzdem nutzt er sein Image nicht für Promoaktionen oder Ähnliches, er zieht einfach sein Ding durch.
Als Problem stellt sich aber seine Drogensucht dar. Noch heute sagt er: „Von Koks war man nicht abhängig, man bleibt es ein Leben lang“. Viele Probleme und Rückschläge kann er nur mit Drogenkonsum ertragen: „Es war zu viel Schmerz entstanden, da musste ich was nehmen“. In die Kokainsucht rutscht Bogy seiner Meinung nach größtenteils aufgrund der Drogenpolitik in Deutschland: „Ich stand zehn Jahre unter ganz strenger Führungsaufsicht und hatte Urinkontrollen. Die Drogenpolitik in Deutschland ist sehr krank, sehr kontrovers. Man kann alles machen außer Kiffen und so entstand nach meinem Knastaufenthalt meine Kokainsucht.“ (Marihuana ist weitaus länger im Urin nachweisbar als die meisten anderen Drogen; Anm. d. Red.)
Ein relativ bekannter Beweis für seine schwierige Zeit ist sein Auftritt bei Rap am Mittwoch 2012. Bogy widerspricht sich vor laufenden Kameras innerhalb weniger Minuten mehrmals selbst und reagiert unangemessen aggressiv auf seinen jugendlichen Gegner Atzenkalle. Später erklärt er sei zum Zeitpunkt des Auftrittes 3 Tage wach gewesen.
Bogys Rettung: B-Lash und TV Strassensound
Nach dem Ende seiner Führungsaufsicht darf Bogy endlich wieder Gras rauchen. Das nutzt er natürlich und schlussendlich hilft ihm der Cannabiskonsum vom Kokain wegzukommen: „Kiffen funktioniert eigentlich sehr gut mit mir. Das wirft dich sozial, finanziell, familiär und kreativ nicht zurück“. Außerdem beschließt er 2015 mit B-Lash das Album „Biographie eines Dealers“ aufzunehmen. B-Lashs Bedingung: Die Arbeit im Studio erfolgt nüchtern. Bogy wird selbstreflektierter und schafft es dadurch, seine Sucht in den Griff zu bekommen.
Generell ist B-Lash der wohl wichtigste Begleiter von MC Bogy. „Wir harmonieren wie ein Magazin und eine Pistole“, schwärmt er von der Zusammenarbeit. Neben „Biographie eines Dealers“ hatte B-Lash auch schon großen Einfluss auf den Sound von „Wilkommen in Abschaumcity“ und „Ghetto Poeten“, war sogar schon zu Bassboxxx-Zeiten mit Bogy unterwegs.
2016 packt Bogy wieder das Feuer. Er ist produktiver und geordneter als vorher. Genau in diese Zeit fällt der Beginn seiner Interviewtätigkeit bei TV Strassensound. Der Atzenkeeper blüht in der Rolle als Moderator und Entertainer regelrecht auf. Er interviewt spannende Gäste, erzählt aber in jedem Video auch unzählige Geschichten aus seiner eigenen Vergangenheit. Er spricht dabei ohne zu zögern auch unbequeme Themen wie psychische Krankheiten, Gewalt und Drogensucht an. Eine ähnliche Rolle nimmt Bogy als Moderator von der Neuauflage der Kultsendung „Yo! MTV Raps“ ein.
Make Hip-Hop great again
Mit der Veröffentlichung von „100%“ Ende 2018 zeigt MC Bogy, wie fruchtbar die Zusammenarbeit mit seinem kongenialen Partner B-Lash sein kann. Neben Features mit altbekannten Kollegen wie Kool Savas und Frauenarzt wagt Bogy sich auch an neue Sounds, sogar auf einem klassischen Trapbeat kann man ihn seither hören.
Die „Ich höre Bogy einfach gerne reden“-Fans bedient er seit diesem Jahr mit seinem Podcast „100% Realtalk“. Hier trifft er gemeinsam mit B-Lash Deutschrap-Größen wie Fler und Sido, aber auch weniger bekannte Rapper und Berliner Kiez-Legenden.
Bogy wirkt in jedem Interview aufgeräumt und mit sich selbst im Reinen. Er spricht offen über seine Fehler und über das, was er seiner Familie und seinem Umfeld angetan hat. Das beraubt seine ältere Musik trotzdem nicht ihrer Authentizität: „Ich stehe zu all meinen Werken. Das war nie Fiktion, das war mein Leben. Es gibt viele Ansichten, die ich nicht mehr teile aber das war halt genau die Perspektive zu der Zeit“. Bogy ist offen dem Islam zugehörig und beschäftigt sich ausgiebig mit Religion und Spiritualität.
Moritz Christoph Udem ist und bleibt ein spannender Mensch. Er hat viel erlebt und erzählt gerne von vergangenen Tagen. Trotzdem lebt er in der Gegenwart und blickt mit neuen Songs und Formaten in die Zukunft. Zu „Bogy Life“ sagt er: „Wir wollten für meinen Kanal was Interessantes schaffen, was den Fans noch mehr Einblicke in mein Leben gibt“.