Es gibt wohl keinen anderen Rapper in Deutschland, der sein Standing innerhalb der Musikwelt so unangefochten einnimmt, wie Haftbefehl. Sein Einfluss auf Sprache, Kultur und Musik ist unbestritten, mit jeder neuen Veröffentlichung bestätigt er diesen Anspruch aufs Neue. Am Freitag setzte der Offenbacher erneut neue Maßstäbe und veröffentlichte mit „RBM” als erster deutscher Künstler einen Song in 3D-Audio. Anlässlich des Release haben wir Haftbefehl in Berlin getroffen und mit ihm über seine letzten beiden Projekte „D.S.A.” und „D.W.A.”, die neue Single und seine Pläne für den Rest des Jahres gesprochen. Welchen Stil seine Fans auf der nächsten Platte erwarten können, welche Rolle sein Producer Bazzazian dabei spielt und mit welcher Musik er sich aktuell am meisten beschäftigt, lest ihr im folgenden Textinterview.
Du hast seit dem Release von „D.S.A.” ein bisschen Zeit gehabt. Was hast du in der Zwischenzeit gemacht?
Ich habe mir Zeit für die Familie genommen und ein neues Album fertig gemacht. Das ist ready und wird zeitnah kommen, noch in diesem Jahr.
Du hast letztes Jahr gesagt, dass dir diese Auf-die-Fresse-Musik leicht fällt und du dafür nicht besonders viel Zeit brauchst. Heißt das, dass es genau das geworden ist?
Das neue Album wird genau so, es wird aber noch einen Ticken härter als „D.W.A.” und „D.S.A.”.
Wie entscheidest du denn, welchen Sound du auf einem neuen Projekt fährst?
Das ist ein Prozess. Meine Songs entstehen, während ich arbeite. Ich glaube, das hat bei mir sehr viel mit Emotionen zu tun – wie ich mich gerade fühle oder wie meine Laune ist.
Würdest du sagen, dass die Phase seit dem letzten Album eine Zeit war, in der du irgendwelche Aggressionen aufgebaut hast, die du jetzt rauslassen musstest?
Was heißt aggressiv. Die Banger, die ich mache, entstehen nicht aus Aggressionen, sondern daraus, dass ich aufgeregt bin oder so. Aggros habe ich zu Hause nicht. Aber ab und zu trinke ich halt ’ne Flasche Vodka und dann stehen solche Songs (schmunzelt).
Man kann nicht über Haftbefehl sprechen, ohne über Bazzazian zu sprechen. Welche Rolle spielt er für dich.
Bazzazian ist sehr wichtig für mich. Ohne ihn könnte ich mir nicht vorstellen, ein Album zu machen. Ich brauche ihn auf jeden Fall. Er gibt den Ton an. Er ist wirklich sehr sehr wichtig für meine Alben.
Inwiefern gibt er den Ton an?
Wir arbeiten mittlerweile so, dass ich im Voraus auf Ami-Beats schreibe und er die Sachen dann remixt. So gibt er dem Album ein Soundbild. Er macht mehrere Remixe zu jedem Song und ich suche mir eine Version davon aus. So sieht unser Arbeitsprozess aus.
Sind das dann Type-Beats oder bekannte Instrumentals?
Das sind irgendwelche Beats von irgendwelchen Künstlern, die man kennt.
Deine neue Single „RBM” erscheint in 3D-Audio. Bazzazian sagt in dem Behind-the-scenes, dass er zu Beginn noch nicht so begeistert von der Idee war. Wie war das bei dir?
Ich habe ja keine Ahnung von sowas (schmunzelt). Ich höre es es heute zum ersten Mal auf einem Kinosystem und bin gespannt. Im Studio hatte es sich noch nicht so herauskristallisiert. Eigentlich finde ich, dass man mit Musik nicht zu viel spielen sollte. Ich bin eher der basic Typ. Aber ich glaube, dass es krass wird. Wir sind die Ersten, die sowas in Deutschland machen.
Du bist also eher der basic Typ? Viele Rapper sagen, dass sie sich die Mixdowns ihrer Alben im Auto anhören. Bist du auch so einer?
Ja, ich hör meine Sachen auch immer im Auto an.
Also bist du niemand, der zu Hause die fetteste Hifi-Anlage hat?
Ne, ich hör mir meine Sachen meistens im Auto an – in meinem Maybach oder in meinem Rolls Royce, den ich mir letzte Woche gekauft hab (schmunzelt).
Auf „RBM” hast du mit Haiyti zusammengearbeitet. Das ist insgesamt der dritte Song, den ihr zusammen gemacht habt.
Ja, ich mag Haiyti sehr, schöne Grüße nach Hamburg.
2016 waren Xatar und du mit die Ersten, die sie aus diesem Untergrund-Ding rausgeholt haben.
100 Prozent.
Erinnerst du dich noch daran, wie ihr sie damals entdeckt habt?
Ich glaube, Bazzazian hat sie damals auf den Song geholt. Aber zum ersten Mal kennengelernt, habe ich Haiyti auf dem Splash. Da hatten wir ein längeres Gespräch, ich glaube so eine Stunde, kurz bevor ich auf die Bühne musste.
Worüber habt ihr gesprochen?
Ich glaube, über Deals und sowas. Damals war sie independent und wir haben darüber gesprochen, ob sie zu einem Major gehen soll. Über Business-Kram halt. Sie wollte einen Rat von mir und ich hab ihr ein paar Tipps gegeben.
Wie kommen Features bei dir zustande? Hast du im Schreibprozess schon jemand konkretes im Kopf oder ist das ein längerer Prozess?
Das kommt meistens über Bazzazian. Er schlägt die Leute meistens vor und ich sag dann ja. Haiyti hat sehr gut auf „RBM” gepasst. Ich feier sie wie gesagt, sie hat einen sehr eigenen Sound und hat auf dem Song abgeliefert. Unfassbar gut. Mir macht’s immer wieder Spaß, mit ihr Musik zu machen.
Du sagtest, dass das neue Album schon fertig ist. Das ging ganz schön schnell.
Und ich hab schon wieder eins fertig. Ich muss vier Jahre nachholen, deswegen geb ich aktuell ein bisschen Gas.
Gerade „D.W.A.” war ja ein sehr persönliches Album. Fällt es dir leicht, solche Platten hinter dir zu lassen oder begleitet dich sowas noch etwas länger?
Ne, das begleitet mich nicht. Das passiert wie gesagt aus der Emotion heraus. Es ist nicht so, dass ich meinen Kopf ein Jahr lang mit so einer Zeile ficke. Das sind Sachen, die aus Emotionen und aus Zuständen heraus passieren, in denen man sich in dem Moment befindet (lacht).
Spätestens seit dem Beitrag bei Arte Tracks wissen die Leute, dass du dich intensiv mit Musik auseinandersetzt.
Ich setz mich sehr viel mit Musik auseinander, ja. Ich hör alles, ich setz mich sehr viel mit Indie-Musik, Indie-Rock und so auseinander. Hip-Hop höre ich in letzter Zeit wenig. Ich hör viel Kram aus den Achtzigern und Neunzigern, viel Depeche Mode. Das neue Album von Kanye West fand ich auf jeden Fall sehr sehr stark, das „Donda 2”. „Donda 1” war auch sehr gut. Das waren die zwei Hip-Hop-Alben, die mich umgehauen haben. Was Rap angeht, kam sonst eigentlich nichts krasses. Vielleicht French Montana.
French Montana, echt?
Also nicht die letzten zwei Alben, aber die zwei davor waren sehr gut. Mittlerweile sind die Sachen alle sehr ähnlich. Aber „Donda” von Kanye ist auf jeden Fall ein sehr sehr krasses Projekt, find ich.
Beeinflusst sowas wie Depeche Mode dann auch deine eigene Musik?
Nein, das nicht. Soundtechnisch find ich Depeche Mode sehr sehr stark. Ich glaube, Kanye West lässt sich auch viel von denen inspirieren. Das hört man. Ich hab letztens Sven Väth gehört, Loveparade 2000. Die Sounds, die er damals benutzt hat, hört man jetzt auch auf aktuellen Kanye-Sachen. Das find ich unfassbar. Dass sich Kanye nach 22 Jahres an Sven Väths alten Sachen bedient, ist unfassbar krass.
Das alles hat ja seine Wurzeln in Elektronischer Musik aus Chicago.
Ja, dieses Knallen, alter. Dieser Druck, dieser Bass. Das ist Onkel Sven, schöne Grüße nach Frankfurt.
Fängst du gerade an, dich in irgendwas reinzuhören?
Ich hör sehr viel Sven Väth.