Der Vorfall war eigentlich einer der harmlosen, lustigen Sorte. Ein Rapper aus dem Rheinland gab via Facebook bekannt, dass er ein gemeinsames Album mit drei anderen prominenten deutschen Sprechgesangsartisten veröffentlichen werde. Zwei Stunden später erklärte er, er habe sich nur einen Scherz erlaubt.
Natürlich griffen zahlreiche Medien die Ankündigung auf. Normal. Die Vorstellung eines gemeinsamen Abums von Farid Bang, Kollegah, Kay One und Haftbefehl (denn um genau diese ging es) beflügelte die Vorstellungskräfte der Deutschrap-Hörer rasant und führte schnell zu Diskussionen um die Sinnhaftigkeit oder -losigkeit des vermeintlichen Projekts. Mit dem schelmischen Dementi von Farid war dies natürlich überholt.
Damit hat Farid Bang – gewollt oder nicht – exemplarisch vorgeführt, wie die Berichterstattung im Zeitalter der Echtzeit, im Echtzeitalter, ab- und manchmal eben auch heißläuft. Natürlich sind Online-Medien darauf angewiesen, für ihre Berichterstattung Twitter und Facebook miteinzubeziehen. Die Schnelligkeit des Mediums Internet lässt nichts anderes zu. Persönliche Statements von Künstlern sind immer schwerer zu bekommen und dauern vor allem meist länger, als einen Tweet zu zitieren. Außerdem nutzen Künstler selbst gerne ihre eigenen Plattformen, um ihre Fans auf dem laufenden zu halten. Den Medien, die früher fast das einzige Sprachrohr der Künstler waren, müssen mitziehen – oder sie können eben nicht mehr aktuell berichten. Mit drei Tage alten Statements braucht man im Netz jedoch niemandem zu kommen.
Soweit die Lage. Ein Problem, das sich daraus ergibt, ist, dass angesichts der allgemeinen Schnelligkeit und Rastlosigkeit Dinge wie Recherche und kritisches Nachhaken an Stellenwert verlieren. Der Zeitdruck diktiert, dass es ständig etwas neues gibt, das meist unkommentiert und als Zitat verbreitet wird. Der User wartet ständig auf neue Breaking News, also kann alles zur Meldung werden – auch eine halbprivate Unterhaltung zweier Rapper über Twitter. Der Zeitdruck bedingt, dass eine kritische Prüfung des Wahrheitsgehalts oft entfällt.
Außerdem entsteht dadurch eine Nachrichtenlage, die immer unübersichtlicher wird. Aus dem Wust von scheinbaren und tatsächlichen Meldungen die herauszufiltern, die tatsächlich von längerfristigem Interesse sind, wird zunehmend schwieriger. Es scheint auch so zu sein, dass viele dies gar nicht wollen. Zwischen wichtig und unwichtig wird gar nicht mehr unterschieden, stattdessen geht es ausschließlich um den Unterhaltungswert, den eine Neuigkeit hat.
Um das an dieser Stelle klar und offen (und selbstkritisch) zu sagen: rap.de ist bei dieser Entwicklung nicht außen vor. Auch wir stehen unter obengenanntem Druck und müssen, hässliches Wort, liefern. Ebenso klar festzuhalten ist, dass diese Entwicklung nicht aufzuhalten oder gar zu stoppen sein dürfte. Dazu hat sie längst zu viel Dynamik gewonnen. Es wäre aber wünschenswert, wenn alle Medienschaffenden, alle Redakteure und Journalisten, wir selbst ausdrücklich eingeschlossen, sich mitunter die Frage stellen, wo die Grenze zwischen Berichterstattung und Sensationslust verläuft. Man wird diese Grenze immer wieder neu definieren müssen, in Stein gemeiselt ist sie nicht und wird sie niemals sein. Aber ein gelegentliches Innehalten, ein kurzes Hinterfragen des eigenen Schaffens, kann durchaus wohltuend und befreiend wirken.