Illoyal – Lieder Kurz Vor Schluss EP

Illoyal, ein Rapper, der polarisiert. Ein Rapper, der von einem Großteil der Szene nach eigener Aussage als  „langhaarige Schwuchtel“ oder „Opfah“ bezeichnet wird. Ein Rapper, der gerne mal auf Reime, eingängige Texte, Mitgröhl-Hooks und überhaupt Pop an sich verzichtet. Ein Rapper, der aus der Dorftristesse heraus, über das Internet zu einiger Bekanntheit gelangte. Ein Rapper, der unter anderem schon mit JAW und DNP zusammengearbeitet hat. Dieser Illoyal hat uns nicht nur seine EP“Lieder Kurz Vor Schluss“ zum Freedownload überlassen, sondern neben einem Video zum Lied „Venezianer“, das Ihr Euch hier anschauen könnt, sogar noch 5 Fragen beantwortet.
Du siehst eigentlich mehr aus wie ein Rocker und spielst auch selber Schlagzeug. Siehst du dich überhaupt als ein Teil der Hip-Hop Szene? Wenn ja warum? Wenn nein, auch warum? Ich bin von Zuhause aus eher mit Rockmusik sozialisiert worden, dem folgten dann verschiedene, sich nicht überschneidende Freundeskreise, der erste und bis heute beste ist Indie-geprägt. Ein weiterer ist dann der um die Leute, die ich über und durch die ich Rapmusik kennengelernt hab. Jazz hab ich mir immer parallel im stillen Kämmerlein erschlossen. Irgendwann entwickelt man natürlich auch Kleiderpräferenzen, die aber zum Glück wenig damit zu tun haben, was mir mein Umfeld gerne aufdrücken würde. Will ich hier jetzt auch keine Erklärung für suchen. Natürlich ist man Teil der Rapszene, sobald man in einem bestimmten Rahmen veröffentlicht, mit Leuten zusammenarbeitet und dergleichen, also ein gewisser Austausch untereinander und mit Publikum stattfindet, ich bin mir allerdings des, sagen wir mal, Randstatus bewusst. Das ist auch ganz schön, weil man sich auf viele viele Lächerlichkeiten nicht einlassen muss. Obwohl, freisprechen kann ich mich davon nicht, ich bin natürlich auch als Hörer am PULS des Deutschrapgeschehens. Dazugehören kann man sicher, aber ich finde es wichtig, die Musik über irgendwelche vorgeblich exklusiven Szenen hinaus zu öffnen. Mein Rap beschränkt sich ja nicht auf straighten Boombap oder irgendwas, von daher macht es eigentlich mehr Spaß vor vielleicht weniger, dafür aufmerksameren Leute mit offenen Ohren (oftmals eben keine reinen Rapfans) zu spielen. Natürlich alles um den Preis, in bestimmten Kreisen als langhaarige Schwuchtel oder Opfah zu gelten. Da kann ich aber sehr gut mit leben. Deine Musik ist nicht gerade eingängig. Du benutzt lange Sätze mit Fremdwörtern und verzichtest auch mal auf Hooks und andere poppige Einschläge. Welches Ziel steckt dahinter? Hast Du Angst, Dein Publikum zu überfordern? Die Angst ist definitiv da, oft genug passiert genau das. Live ist das allerdings wegen des direkten Erlebnisses viel unkomplizierter. Das Ziel dahinter ist denkbar simpel: Ich habe vielleicht eine Grundidee, wohin ein Text gehen soll, lasse mich aber so gut es geht beim Schreiben fallen und auch mal gerne auf Umwege leiten. Ich habe mit der Zeit einfach gemerkt, dass ich meine Vorstellungen eines Textes nicht von zuviel Formalia abhängig machen will (bis auf Flows). Eine Hook beispielsweise ist für mich auch immer mehr Zusammenfassung eines Gedankens hinter den Strophen oder vielleicht nochmal eine neue Richtung, aber weniger ein Wiedererkennungs- und Mitgröhlfaktor. Abseits davon, dass ich persönlich auch ein leichtes Faible für monolithische, hermetische Texte und Musik habe in meiner gesamten Hörgewohnheit, finde ich die Diskussion um Reime ehrlichgesagt ein bisschen antiquiert. In Lyrik und Prosa hat man schon vor über hundert Jahren alle bis dahin gängigen Formvorstellungen auseinandergenommen, in der Musik spätestens mit John Cage und der europäischen Freiimprovisation. Ist von alledem nirgends was angekommen? Durch das Fehlen von Reimen und mancherlei Anhaltspunkten ist man darüberhinaus natürlich gezwungen, zuzuhören und sich mit Inhalten auseinanderzusetzen. Von daher hat das auch durchaus eine pragmatische Seite. Das sind allerdings mittlerweile alles intuitive Prozesse, von daher weigere ich mich, das zu stark in eine unbedingte Absicht zu kleiden. Das würde ja der Reim-Nichtreim-Diskussion wieder in die Hände spielen.
Du bist so wie Deine Featuregäste hauptsächlich durch das Internet bekannt. Wie läuft so eine typische Internetkarriere ab? Gibt es die überhaupt? Eine typische Internetkarriere läuft ungefähr so ab: Man kann überhaupt nichts, hört Maskulin oder frühe Aggrosachen, nimmt sich Hiphopejay und Billigstmikrophon (bei uns war das eine Legokamera) und hat sofort seine kleine Bühne bei Onlineportalen. Im besten Falle kriegt man da so dermaßen schlechtes Feedback, dass man gezwungen ist, sich hinzusetzen und es besser zu machen. Das ist allerdings ein Werdegang, der, bei uns auf dem Dorf war das schon räumlich bedingt, total abgekoppelt ist vom üblichen auf Jams mit DJ, Breaker, Sprüher zu cyphern. Was auch irgendwie schön ist, weil man es von vornherein nicht als bloße soziale Aktivität auf einer Stufe mit Kiffen und Basketballspielen wahrnimmt, sondern als etwas Persönliches, mit dem man erstmal alleine ist. Vielleicht kann man da ein ernsthafteres Verhältnis zu entwickeln. Jedenfalls habe ich ein ernsthafteres Verhältnis über meine Internetsozialisation bekommen als manch einer der heute Ü30-Jährigen, die immer noch mit ihren Homies zuhause einrappen und für die das Größte der Auftritt im heimischen Jugendhaus und der größte MC irgendwo zwischen Samy Deluxe und Ferris MC liegt. Das war in unserer Gegend in etwa so und dafür habe ich mich, auch wegen meiner, sagen wir, vorgelagerten musikalischen Interessen, nie interessiert. Nun ja, man lernt dann im Internet mehr Rapmusik und mehr Rapper kennen, kriegt da seine ersten Vorbilder, nimmt seine ersten Billig-EPs auf, irgendwann entwickelt sich dann soetwas wie Flows…Schönerweise kommt man übers Internet auch gut mit seinen Vorbildern in Kontakt. Bei mir wären das beispielsweise seinerzeit Hollywood Hank, Kollegah und insbesondere JAW gewesen. Das Ganze hat bei mir 2003 angefangen. Ich denke, dass myspace und facebook so langsam diesen Jamsessions komplett den Rang ablaufen. Auf der anderen Seite wird das Internet natürlich überschwemmt von niedriger Qualität. Und „Karriere“? Enthält für mich immer finanzielle Absichten, die ich für ziemlich illusorisch halte. Abwarten. Wie kann man sich die Entwicklung von „Plastikpalmen Und Billigbier“ zu Deinem heutigen unangepassten, intellektuellen Style erklären? „Plastikpalmen Und Billigbier“ ist definitiv eine Strandperle und Ende 2007 spaßeshalber für und mit Schulte entstanden. Damals war ich für mich gerade dabei, mich zumindest zeitweise vom Battlerap meiner älteren Sachen in Richtung der Dinge, die ich heute unter Rap laufen lasse, zu bewegen. Da war das eine 20-Minuten-Aktion, die sehr viel Spaß gemacht hat. Ich wäre heute definitiv nochmal im Boot und weiß nicht, ob sich das jetzt beißt, aber ich bin seit ich angefangen habe, Rap zu hören, zum Unverständnis fast meines gesamten Umfeldes auch absoluter Bassboxxx und dergleichen Freak und kenne leider auch unfreiwillig fast jeden der Texte auswendig. Ich würde das Ganze nicht als Entwicklung, sondern als kleinen, kurzweiligen Querschuss bezeichnen. Zudem arbeite ich momentan wieder intensiv an alle Phobien bedienendem Battlerap mit meinem Partner Holgerrr. Du bist als Schlagzeuger und in mehreren Kombinationen mit anderen Rappern in Verbindung. Wie geht es weiter? Was kommt? Was steht an? Jetzt und in Zukunft? Momentan spiele ich Schlagzeug in einer neuen, sehr ruhigen Band, die bald ins Studio geht (dann mehr), leite als Drummer eine Gruppe, mit der wir komplett frei und auch gerne etwas brachialer improvisieren (Panzerdivision Copacabana) und stelle mich und mein Schlagzeug und meinen Laptop in momentan vielen Konstellationen des DENKODROM zur Verfügung (experimenteller Musiker/Performerpool aus Essen). Aus diesem Pool kommt auch mein neuer Superproducer BassDeaph, der die hier zu hörende EP produziert hat. Ich denke, wir werden in diesem Jahr noch ein gemeinsames Album in Angriff nehmen. Mit meinem alten Sparringspartner Holgerrr dürfte hoffentlich gegen Jahresende unser Nachfolger zur 2007er Falsche Freunde EP namens Falsche Freunde Schulhof-CD als Freedownload zur Verfügung stehen (Battle- und Absurditätenrap) form aus Mainz und ich heißen zusammen Dienstarzt Nuklearmedizin und werden hoffentlich auch noch dieses Jahr eine extrem hookfreie EP herausbringen. Mit der Antilopengang wird auch noch etwas passieren. Und mit dem Retrogott, sobald er aus dem Exil zurückgekehrt ist. Ich bringe mir dann im Winter noch ein bisschen Saxophon bei und besorge mir mal wieder ein Klavier. Im August bin ich in Japan, vielleicht lerne ich da Musiker kennen. Schön wärs.