Der Münchner Lea-Won ist sicher nicht der Prototyp des deutschen Standardrappers. Vor allem durch seine sehr stark politischen Texte hebt er sich vom Rest der Szene recht deutlich ab. Morgen erscheint sein neues Album "Panorama Rambazamba", das sich musikalisch wieder mehr auf straighten Rap besinnt. Inhaltlich befasst sich Lea mit Scheißjobs, der Occupy-Bewegung oder, eher abstrakt-poetisch, mit einer Unterhaltung mit seinem besten Freund in Kindheitstagen. Aus dem Album, das ab morgen auf Bandcamp erhältlich sein wird (die ersten 200 Interessenten ziehen es sich kostenlos) präsentieren wir euch die Premiere zum Splitvideo "Zugluft/Großmachen" und dazu ein kurzes Interview mit Lea-Won.
rap.de: Warum rappst du?
Lea-Won: Spiel, Spaß, Überraschung… Ausbruch, Kommunikation, Konfrontation, Konflikt, Therapie. Mal darum, mal darum. Das ist unterschiedlich. Ich mach ja auch alles mögliche von so richtig 1-zu-1 politisch gemeinten Songs, über eher Fragen-aufwerfende Songs und sehr persönliche Dinger, in denen ich etwas "verarbeite" (ja!), bis hin zu eher Wortspiel-basierten Texten, bei denen es mir um den Denksport, um die Inspiration, um die assoziativen Zusammenhänge geht und eine freude bereitet, mit Worten zu sticheln und Reimen zu kitzeln (Metaphern!). Also insgesamt: weil mir Rappen Spaß macht und mir hilft. Ich lerne dadurch, erfahre dadurch, forsche dabei, und all das fließt dann wieder in das nächste Gerappe (und mein Restleben) mit ein. Ansonsten ist das natürlich auch so Sport-mäßiges Mantra-sprechen. Also mehr als Sport – gleichzeitig für Körper UND Geist/Seele.
rap.de: Wie lange rappst du schon? Und wie hat es damals angefangenß
Lea-Won: Ich hab in der achten Klasse gemeinsam mit meinem damalig besten Freund angefangen (Shoutout an KMK!), paar Texte auf "Paparazzi", "If I ruled the world" und "What's got love to do with it" zu schreiben, nachdem ein cooler Musiklehrer so ein "Jetzt schreiben mal alle einen gereimten Rap-Text, Kinder, okay?"-Projekt mit unserer Klasse gemacht hatte. Ich bin dann dran hängengeblieben, hab im Jahre 2000 meinen ersten eigenen PC bekommen, und dadurch, dass ich dann auch selbst Beats gemacht hab (und nicht nur die Maxi-CD-Instrumentals von Nas, Xzibit und Warren G. da waren), war ich dann auch noch motivierter – habe nächtelang die CDs und Schallplatten meiner Eltern durchgesamplet und mich eben neben dem Texten auch ins Beats-Basteln vertieft (So eine konsequente Weiterführung, nachdem mir Lego-Spielen dann irgendwann nicht mehr getaugt hatte oder ich mich zu alt dazu fühlte). Vorbilder im direkten Sinne würde ich die Typen nicht nennen, aber Rap-Releases, die mich maßgeblich beeindruckten, waren z.B.: die ersten Alben von Freundeskreis und den Massiven Tönen, ansonsten Talib Kweli, Mos Def (eigentlich auch Company Flow, Mike Ladd und andere, poetischere Sachen aus dieser New Yorker Rawkus-Zeit), etwas später so Sage Francis und Saul Williams… Aber ich hab wirklich sehr viel verschiedenes aus dieser textlich etwas alternativeren und politischeren Ecke gehört (Immortal Technique, Mr Lif, später Brother Ali und P.O.S. von Rhymesayers Entertainment z.B. auch enorm), und das alles war definitiv ein Grund, englisch gescheiter lernen zu wollen. Daneben aber auch immer viel deutschsprachigen Kram (Da fand ich von denen, zu denen ich kein persönliches Verhältnis hatte, z.B. Damion Davis, Absztrakkt (seit "Dein Zeichen"), Maeckes (v.a. vor "KIDS") und Sir Serch (seit "Anti-Groove 1") am besten).
rap.de: Ist Rap für dich ein geeignetes Sprachrohr, um soziale und politische Themen aufzugreifen?
Lea-Won: Klar. In Rap kann (und sollte, finde ich) alles thematisiert werden! Bei mir war das jedenfalls so, dass ich von Mumia Abu-Jamal das erste Mal auf meinen Lieblings-Rap-Platten gehört hatte und mich daraufhin mit der Black Power History auseinanderzusetzen begann. Und alle möglichen sozialen Themen (Ehrenmorde, Prostitution, Drogenabhängigkeit, Probleme mit Monogamie, elterliche Gewalt und Amokläufe, um nur ein paar Beispiele zu nennen) werden ja automatisch in Rapmusik mit eingebracht. Denn was die Rappenden (und ihr nicht-rappendes Umfeld) denken, und welche Erfahrungen sie machen, spiegelt sich auch in den plumpesten Battle-Texten wider. Auch viele der nach außen härteren Rapper verarbeiten dabei ja eigene Sorgen und Ängste. Aber ja, auch bewusster politisch gemeinte Lieder können in Rap-Form funktionieren, finde ich. Kommt halt immer auf die Situation an, in der dieser Rap dann gebracht wird, kommt auch auf das jeweilige Publikum an, und auf das Text-Konzept, welches dem Song zugrunde liegt. Rap kann dank der Wortdichte eben viel erzählen. Und wenn das sinnstiftend verpackt wird, ist es doch toll.
rap.de: Kann Rap auch konkret Dinge verändern? Oder liefert man als Rapper nur Denkanstöße?
Lea-Won: Was heißt schon "konkret verändern"? Menschen können etwas verändern (Vor allem die, die nicht Eigentümer*innen an Produktionsmitteln sind, aber diese Produktionsmittel bedienen, und deshalb… Okay, das führt zu weit). Also Menschen verändern etwas, wenn sie etwas verändern wollen. Dazu müssen sie, denke ich, vor allem Erfahrungen selbst machen, in Konflikte und Widersprüche geraten, die sie dazu bringen, diese Konflikte aufzustoßen. Rap kann (genau so wie politische Theorie) in dem Sinne nicht alleine, aber begleitend wirken. Und bei Rap kommt natürlich die emotionale Wirkung mit dazu, durch die persönliche Ansprache des/der Rappenden an die Zuhörenden und die Sprachfärbung dabei, die Stilistik und musikalische Untermalung. Das kann dann noch effektivere Propaganda als ein Buch sein, wozu die Aufmerksamkeitsspanne und Phantasie heutzutage ja oft nicht reicht. Aber wie schon gemeint: die plumpesten Battle-Rapper machen auch Propaganda – halt dann für das Bestehende, indem sie oft (und manchmal dabei unbewusst) die bestehenden Machtmechanismen reproduzieren, also aufrechterhalten und bestätigen.
rap.de: Fühlst du dich in der deutschen Rapszene eigentlich wohl? Oder siehst du dich oft genötigt, Grundsatzdiskussionen über Sexismus o.ä. zu führen?
Lea-Won: Ja, also ganz am Anfang, da hatte ich schon dieses romantische Bild davon, dass die Rap-Szene anders wäre, ein Zufluchtsort und eine Untergrundbasis für die Ausgestoßenen und Nicht-Rein-Passenden, weil HipHop so eine Alternativkultur wäre, die quasi automatisch mit einem subversiven Ansatz infiziert sein müsste. So im sinne von: hier machen sich diejenigen bemerkbar, die sonst keinen Platz in der Gesellschaft haben oder unbedingt etwas mitteilen wollen, was sie sonst nirgends können. Das ist ja tendenziell an manchen Stellen auch immer noch so, aber nur weil es jemandem von seinen gesellschaftlichen Voraussetzungen her schlecht geht, oder er/sie sich benachteiligt oder bedroht fühlt, heißt das nicht automatisch, dass er/sie es dann anders macht. Oft schlagen die (ja meist eher männlichen) Rapper auf die gleiche Art und Weise zurück, auf die sie bedroht wurden. Bzw schlagen sie oft nicht zurück, sondern einfach wild um sich. Das wird dann so: Die Opfer und Verlierer der gesellschaftlichen Verhältnisse wollen andere zu Opfern machen und lieber selbst Täter sein. Ist klar, ist auch nachvollziehbar. Schon der schritt, ans Mikro zu gehen, ist so eine Selbstermächtigung. Das kann durchaus subversiv sein, also die bestehende Ordnung ins Wanken bringen (vergleichbar mit der Black Panther Party for Self-defense, damals in den USA), kann aber auch im reaktionären Rumgeeiere verhaftet bleiben, also so dass sich die Leute gegenseitig fertig machen, anstatt was zu ändern. Mich wundert's jedenfalls nach 10 Jahren nicht mehr so sehr, wenn irgendwelche Rapper (und Rapperinnen) sexistische Scheiße labern. Aber wie andere schon bemerkt haben: Da ist die Rap-Szene dann eben doch der Mainstream-Gesellschaft sehr ähnlich. Und da sind beides Schlachtfelder, denen ich mich Stelle. Egal ob rap.de-Stand-Cypher auf dem splash-Festival, oder politische Auseinandersetzungen in der Restgesellschaft. Die gewählten Waffen sind nur hier und da teilweise unterschiedlich.
rap.de: Dein neues Album "Panorama Rambazamba" geht wieder mehr in die straighte Rap-Richtung. Wie kommt das?
Lea-Won: Dort hingeschoben haben mich auch die Beats von Odohl, die ich noch rumliegen hatte. Und weil ich einfach manche lautere Ansagen machen wollte, die einfach nicht auf die poetischeren Beats von defoos gepasst hätten. Das Album mit defoos ("Sich hinter Glas verstecken", Dezember 2011) war melancholisch, voller Fragezeichen und persönlichen (Selbst-)Schilderungen. Aber im letzten Jahr ist seit dem sogenannten arabischen Frühling eine Menge passiert. So langsam wurde offensiver, auch gesamtgesellschaftlich von einer gewissen "Krise" gesprochen. Es entwickelt sich eben eine Stimmung in meinem Umfeld und in der Welt, wo ich einfach auch wieder tracks haben wollte, die ich auf der Straße an Fremde verteilen kann, ohne dass es mir zu persönlich ist, und so, dass sie ein paar Anstöße von mir auf gegenwärtige, weltweite Aufbruchs- bzw. Weltuntergangsstimmungen bekommen. Und die Sticheleien in Richtung ein paar der Rapszene-Vertreter, dazu wären mir diese epischen defoos-beats zu schade gewesen, ehrlich gesagt. Da hab ich die simpleren Odohl-Beats genommen, die für mich mehr nach Freestyle-Session klangen.