Seitdem Haftbefehl und Xatar vermeintlich fluchtartig die Enissa Amani-Sendung verlassen hatten, stellte sich der gemeine Rapfan nur eine Frage: Wie wird sich das gemeinsame Album der beiden wohl anhören? Denn das eins kommen würde, war jedem klar, der die Promologik kennt – und die kennt mittlerweile eigentlich jeder. Dann kam die offizielle Ankündigung inklusive des Titels „Der Holland Job“ – und dem Hinweis, dass es auch einen halbstündigen Film dazu geben solle.
Nun waren den Spekulationen natürlich keine Grenzen mehr gesetzt: Wird es ein Soundtrack? Wird es ein Konzeptalbum, das eine epische Geschichte in mehreren Akten erzählt? Die erste Single „AfD“ war erstmal wenig hilfreich: Unerwartet belanglos klagen die gutgemeinten Zeilen, die Vorurteile gegen Geflüchtete aufs Korn nahmen. Erstmals kamen Zweifel auf: Geht das Gipfeltreffen Haft–Xatar etwa schief? Finden die beiden vielleicht einfach keinen gemeinsamen Nenner? Wird „Der Holland Job“ gar ein fauler Kompromiss?
Ja, es waren bange Stunden. Doch zum Glück kamen dann endlich die Videos – schon das erste von den drei, „500“, zeigte, wohin die Reise wirklich geht: Richtung Actionfilm, aber mit Vollgas. Zwei Straßenrapper, die auf extrem guten, detailverliebten Beats den Kampfhund von der Kette lassen. Dieser erste Eindruck bestätigt sich nun beim Hören des ganzen Albums: „Der Holland Job“ ist kein gekünsteltes Konzeptalbum. Dann eher noch der Soundtrack zum Kurzfilm, aber auch eher lose, eher auf die Stimmung als auf den Inhalt bezogen.
Sagen wir es mal so: „Der Holland Job“ ist alles, was die bisweilen etwas unglücklich wirkende Promophase nicht war. Es bietet zwei angriffslustige, hungrige Protagonisten in Bestform, es bietet hervorragende Beats von Meistern ihres Fachs (Farhot, Bazzazian, Brenk Sinatra, Tai Jason), kurzum: Es ist Straßenrap auf das Wesentliche reduziert. Ein starkes, kompromissloses Stück harter Rap mit Niveau. Musikalisch hat man sich dabei in der Mitte getroffen – ohne aber einen faulen Kompromiss einzugehen. Xatar bringt seinen – nennen wir es halt mal der Einfachheit halber – BoomBap-Sound mit, Hafti seinen – dito – französisch angehauchten Trap-Sound. Beides zusammen in einem Topf plus ein paar Extra-Gewürze ergeben den Sound auf „Der Holland Job“.
Auch raptechnisch harmonieren die beiden großartig. Klar ist Haftbefehl der technisch anspruchsvollere Rapper, aber Xatar gleicht mit seinem Charisma einiges aus. Außerdem ergänzen sich Hafts helle, agressive Stimme und das schwergewichtig-ruhigere Organ des Babas hervorragend. Inhaltlich werden wenig Gefangene gemacht: Auf der Jagd nach Barem und Batzen ballern sich die beiden souverän durch die Texte. Und: Auch das Feature von Haiyiti fügt sich überraschend ungezwungen in den Gesamtkontext ein.
Dazu folgt das Album einem überzeugend aufgebauten Spannungsbogen: Los geht es mit durchgedrücktem Gaspedal, sprich harten, schnellen Songs wie „500“, „Ich zahl garnix“, „Gib Geld“ und „Tret die Tür ein“ (nicht die einzige Biggie–Referenz). Dann geht man mit „Paranoid“ kurz vom Gas runter, nur um es mit „Kanack“ oder „Gib ma her“ erneut durchzudrücken. Die nachdenklicheren Songs gibt es dann zum Schluss. „Lauf der Dinge“ erinnert von der Herangehensweise etwas an „Azzlackz sterben jung“ und rückt die weniger coolen Aspekte des Streetlifes in den Fokus, ohne weinerlich oder melodramatisch zu werden. Einer der stärksten Tracks. Und im Kontext des gesamten Albums ist auch das bereits erwähnte „AfD“ ein guter Song. Mit dem einzigen explizit politischen Song setzt man einen gelungenen Schlusspunkt, nachdem vorher fast nur Explosionen, Autoverfolgungsjagden und Schießereien über die lyrische Leinwand flimmerten und rundet das ganze Ding ab.
Somit gibt es an „Der Holland Job“ eigentlich nicht viel auszusetzen. Keine halbgare Scheiße, keine aufgesetzten Konzepte, einfach purer, harter Straßenrap mit den entscheidenden nachdenklicheren Momenten an den richtigen Stellen. Die ursprüngliche Annahme, dass Xatar und Haft das neue deutsche Dreamteam sind, hat sich also trotz aller anfänglichen Zweifel voll bestätigt.