Samo104 im Interview über „All In”, seinen Werdegang und Prenzlberg

Spätestens mit seinem Song „Fuck Love”, der quasi über Nacht zum Hit wurde, ist Samo104 in der Deutschrap-Welt angekommen. Seit knapp einem Jahr veröffentlicht der Berliner Newcomer fleißig Singles, die schnell seinen Signature-Style erkennbar machten. Von Liebesliedern über Schilderungen von Alkoholexzessen bis hin zu Trap-Nummern droppt Samo regelmäßig Tracks mit Ohrwurm-Charakter, die ihm ein erhöhtes musikalisches Verständnis attestieren. Dafür spricht, dass er auch einen Großteil seiner Beats selbst produziert. Nach zahlreichen Einzeltracks veröffentlicht er mit dem Tape „All In” nun sein Debüt-Release. In seinem ersten Interview hat er uns verraten, warum er sich für ein klassisches Tape als erstes Projekt entschieden hat, wie es zustande gekommen ist und wie er selbst die Stimmung seiner Musik charakterisiert. Außerdem haben wir mit ihm über die Anfänge seiner musikalischen Laufbahn, seinen Heimatbezirk Prenzlauer Berg und seinen Umgang mit dem allerersten Hype gesprochen.

Du bist aus dem Nichts ziemlich plötzlich auf der Karte erschienen. Wann hast du angefangen, Mucke zu machen?

Ich habe schon sehr früh angefangen, zu musizieren. Im Alter von zwei oder drei Jahren habe ich mehrere Instrumente gelernt und musikalische Früherziehung und Instrumentenkarussell gemacht. Irgendwann, ich glaube ich war 16 oder 17, hat mir ein Kumpel auf seinem Laptop die Demo von Fruity Loops gezeigt. Dann habe ich angefangen, am Computer Beats zu machen.

Also hast du schon Beats gemacht bevor du angefangen hast, zu rappen?

Genau. Ich habe mir dann einfach gedacht, dass es doch geil wäre, wenn ich auch auf meine eigenen Beats rappe.

Wann hast du mit dem Rappen angefangen?

Da kann ich mich gar nicht so genau dran erinnern (lacht). Ich glaube, das war vor drei oder vier Jahren.

Kommst du aus einer musikalischen Familie oder wieso hast du schon so früh angefangen, Instrumente zu spielen?

Ja, tatsächlich kommt das von meiner Familie. Ich habe mit meiner Mama und meinen zwei Brüdern zusammengewohnt. Die sind alle sehr musikalisch, jeder spielt ein Instrument und meine Mutter hat auch im Chor gesungen. Wir waren keine Familie, die einen Fernseher oder eine Playstation hatte, sondern wir hatten extrem viele Instrumente zu Hause. Unser Wohnzimmer war voll mit verschiedensten Instrumenten. Wenn man sich irgendwie beschäftigen wollte, hat man ein Instrument in die Hand genommen und sich selbst ein bisschen was beigebracht. Irgendwann bin ich dann auch auf eine Musikschule gegangen.

Wann war das?

Die musikalische Früherziehung und das Instrumentenkarussell liefen schon über die Musikschule. Mit fünf habe ich ein Jahr lang Blockflöte gespielt, dann mit sechs Jahren bis ich zwölf war Waldhorn. Danach habe ich noch drei Jahre Trompete gespielt.

Hast du du das Gefühl, dass dich das heute noch irgendwie beeinflusst?

Ich denke schon, aber eher unterbewusst, weil ich ja heute nicht die Mucke mache, die ich dort gelernt habe. Ich habe da sehr viel Klassik gespielt. Als ich Trompete gespielt habe, hab ich sehr viel Blues und Jazz gemacht, ich war auch in so einer Band. Das hat mir vor allem ein musikalisches Verständnis gegeben, wodurch mir Musiktheorie heute sehr viel leichter fällt. Das hätte ich ohne die Musikschule sonst nicht gelernt.

Du hast so früh in deiner Karriere schon einen sehr eigenen Sound entwickelt. Wer sind ein paar deiner Einflüsse?

Das kann ich nicht wirklich sagen. Es gibt niemanden, an dem ich mir ein Beispiel nehme oder den ich als Vorbild sehe. Ich mache das, was sich für mich gut anhört und worauf ich Bock habe. Wenn es irgendwann mal dazu kommt, dass ich einen Rock-Song machen will, dann mache ich das auch. Ich höre auch nicht nur Rap. Früher bin ich auch zu Metalcore eingepennt. Wenn es gute Musik ist, dann ist es gute Musik, da denke ich genreübergreifend.

Wie hast du selbst deinen ersten großen Erfolg mit „Fuck Love” erlebt? Warst du überrascht?

Als der Songs rauskam, hatte er schon zu Anfang gut Streams bekommen. In der Spotify-for-Artists-App konnte ich sehen, dass die Kurve des Daily-Stream-Verlaufs nach zwei Wochen aber immer weiter runter ging, wie es ja eigentlich immer der Fall ist. Nach ein, zwei Monaten hat dann 2Bough ein Reaction-Video zu „Fuck Love” gemacht und immer mehr Leute mit größeren Reichweiten haben den Track in ihre Stories gepackt. So ging es auf einmal los, dass der Song von allen totgehört wurde und dass die Kurve wieder voll angestiegen ist. Auf einmal waren wir bei knapp 200K Daily Streams und in jeder Playlist ganz oben mit dabei. Das kam auf jeden Fall sehr überraschend. Ich bin den ganzen Leuten natürlich sehr dankbar. Ich selber mache zwar die Musik, aber die Leute machen den Hit. Ohne die wäre das alles nicht so gekommen. Ich war mega überwältigt. Gestern haben wir die 20 Millionen geknackt. Das ist krass. Letztens hat mich einer auf der Straße erkannt. Seine Freundin hat ihn dann gefragt, wer ich bin. Dann meinte er, dass ich der Typ von „Fuck Love” bin. Die Leute kennen mich gar nicht, sondern nur das Lied (lacht).

Macht der Hype was mit dir?

Eigentlich nicht. Ab und zu gibt es schon Momente, an denen ich mich wie ein kleiner King fühle. An sich bin ich aber eigentlich ein ziemlicher Pessimist und denke immer, dass es vielleicht doch nicht klappt. Ich gehe immer vom Schlimmsten aus. Der Hype hat mich auf keinen Fall menschlich so verändert, dass ich mir jetzt denke, ich bin der Übershit – denn das war ich auch schon davor (lacht).

Wie ist das „All In Tape” zustande gekommen? Wie ist die Entstehungsgeschichte?

Das Tape war ja schon mal online. Das wissen tatsächlich nur die Leute, die mich schon von Anfang an hören. Ich habe das damals über so einen Publishing-Dienst selbst veröffentlicht. Das Tape hatte damals zwölf Tracks. So sind dann die Jungs, bei denen ich jetzt unter Vertrag bin, auf das Tape aufmerksam geworden. Die haben gesagt, dass wir da viel mehr rausholen können, wenn wir das richtig vermarkten. Also haben wir es wieder runtergenommen. Jetzt haben wir ein paar alte Tracks rausgenommen und ein paar sind dazugekommen.

Und wie bist du zum Titel gekommen?

Das Lied „All In” ist damals bei meinem guten Freund Pato entstanden, als ich eine Zeit lang bei ihm gewohnt habe. Irgendwann hat mir mein Kumpel Maxim den Beat rübergeschickt. Zu dem Zeitpunkt habe ich beschlossen, dass ich die Sache mit der Musik jetzt durchziehen muss. Ich habe sonst nichts in der Tasche, ich habe meine Ausbildungen immer abgebrochen, weil das einfach nicht meins war. Deswegen dachte ich mir, scheiß drauf. Dann haben wir uns ein Herz gefasst und probiert, das durchzuziehen, indem wir das Tape einfach selbst veröffentlichen. Da dachten wir schon, dass es jetzt richtig losgeht (lacht). Dann sind aber die Jungs drauf aufmerksam geworden und das Ganze hat tatsächlich einen Schritt in die richtige Richtung genommen.

Wann hattest du das Tape ursprünglich veröffentlicht? War das noch vor „Terrence Hill”?

Das war damals auf der Hiddensee, vor circa zwei Jahren, lange vor den ganzen Videos.

Wenn ich einen Rock-Song machen will, mache ich einen Rock-Song. Und wenn ich irgendwann singen will wie Cyndi Lauper, dann singe ich wie Cyndi Lauper.

Samo104

Wie würdest du selber die Stimmung und den Vibe des Tapes beschreiben?

Wir haben uns ja entschieden, das Ganze nicht Album sondern Tape zu nennen, weil es für mich keine grundlegende Allgemeinstimmung gibt. Meiner Meinung nach sollte ein Album immer einen roten Faden haben, an den es sich inhaltlich, thematisch und soundtechnisch hält. Ich finde, dass auf dem Tape mehrere Stimmungen vorhanden sind. „Bei Nacht” oder „All In” knallen live anders rein. Dann gibt es wiederum Lieder, die man eher auf Kopfhörern hört, wenn man alleine durch die Straßen läuft – über Liebeslieder bis hin zu irgendwelchen Alkoholexzessen. Es ist schon bunt durchmischt.

Liebeslieder sind ja irgendwie zu deinem Markenzeichen geworden. Nimmst du wahr, dass dich manche vielleicht als den Rapper sehen, der nur Liebeslieder macht? Oder willst du diesen Stempel nicht aufgedrückt bekommen?

Ich weiß zu 100 Prozent, was du meinst, aber mir ist das egal. Wenn das jemand so sieht und er das feiert, dann find ich das cool. Aber wenn Leute sagen, ich solle mal richtig rappen und mit Autotune aufhören, nur um zu haten, interessiert mich das nicht. Ganz ehrlich – läuft doch. Aber allen Leuten, die das fühlen, bin ich natürlich total dankbar. Ich hab nichts dagegen, wenn mich jemand so sieht. Ich schieb mich aber selber nicht in so eine Sparte. Wie gesagt, wenn ich einen Rock-Song machen will, mache ich einen Rock-Song. Und wenn ich irgendwann singen will wie Cyndi Lauper, dann singe ich wie Cyndi Lauper (lacht).

Ich find’s interessant, dass man auch die Entwicklung von Obeez, Yung Swisher und dir als Team wahrnimmt. Der Beat von „Wiedersehen” ist noch viel durchdachter und weiter als der von „Terrence Hill”. Wie hast du eure Entwicklung als Team selbst wahrgenommen?

Dazu muss ich erstmal sagen, dass ich zwar schon öfters was mit Swisher gemacht habe, ich ihn aber nie persönlich getroffen habe. Er ist ja auch erst vor Kurzem nach Berlin gezogen. Wir haben tatsächlich gerade darüber geredet, dass wir uns endlich mal treffen müssen. Es ist geisteskrank, was der Junge für Samples macht. Er war ja auch auf dem Popsmoke Album drauf. Dadurch, dass er auch bei meinem Label ist, bekomme ich immer so Packs von ihm, aus denen wir uns dann etwas picken können. Auch wenn ich ihn noch nie persönlich kennengelernt habe, küsse ich auf jeden Fall sein Herz für die ganzen kranken Melodien.

Aber Obeez kennst du schon länger?

Genau, mit Obeez habe ich damals schon das alte „All In Tape” aufgenommen und größtenteils produziert. Er hatte auch alles gemixt und gemastert. Weil ich damals nicht so viel Geld hatte, hatten wir einen Deal ausgemacht, dass ich ihm monatlich 150 Euro zahle und dafür immer bei ihm aufnehmen kann. Er stand da voll hinter und hat sich richtig reingehängt. Es ist auch voll schön zu sehen, wie er immer neue Connections knüpft und mit wie vielen Künstlern er mittlerweile zusammenarbeitet. Ich bekomme das alles ja seit der ersten Sekunde mit. Wie es jetzt bei ihm läuft, hätte man sich anfangs auch nicht vorstellen können. Aber hoffentlich ist das nur Anfang.

Also kennt ihr euch noch von früher aus’m Prenzlauer Berg?

Ja, wir kennen uns tatsächlich aus Prenzlberg. Wie lange kennen wir uns? Ich kann mir immer nicht so gut merken, wie lange etwas her ist oder wann ich jemanden kennengelernt habe. Wir kennen uns auf jeden Fall schon seit mindestens sechs Jahren. Er mischt und recorded alle meine Sachen. Ich weiß jetzt schon, dass ich diesen ganzen Prozess immer mit ihm durchziehen werde. Wenn irgendwas ist, weiß ich immer, dass ich zu ihm gehen kann. Das ist mehr als nur Musik.

Stichwort Prenzlberg – ihr habt ja mittlerweile eine ziemlich große Rap-Szene. Bist du mit den anderen connected, wie zum Beispiel der GlenGang, Teuterekordz oder Tiger104er? Läuft man sich ab und zu mal über den Weg?

Ja, man läuft sich auf der Straße über den Weg und dann haut man sich in die Fresse (lacht). Nein Quatsch, die Jungs sind auf jeden Fall alle sehr gute Freunde, vor allem Teuterekordz und GlenGang. Auch wenn ich Solo-Künstler bin, bin ich im Herzen irgendwo GlenGang und Teute. Wenn Party ist, sehen wir uns alle, wir kennen uns mittlerweile schon eine gute Zeit. Den einen kenne ich vielleicht zwei, drei Jahre länger als den anderen, aber das hat nicht viel zu sagen. Tiger und die Jungs von Nordachse kenne ich weniger, aber wenn man sich sieht, ist trotzdem alles super und ich feier, was die machen. Mit G.G.B habe ich auch schon was zusammen gemacht. Ich habe die alle super lieb. Auch wenn man Assi-Mucke macht, sich wahrscheinlich auch Assi gibt und sich einen reinstellt, ist man am Ende des Tages immer sozial und macht für eine alte Dame den Sitzplatz frei. Ich glaube, wir haben alle ziemlich gute Werte.

Ich find’s immer wieder lustig, dass im Pberg alle so gut miteinander connected sind. Da kann sich der ein oder andere Berliner Bezirk noch eine Scheibe von abschneiden.

Find ich auch, digga. Was bringt es denn, sich gegenseitig zu haten oder zu beefen? Lasst uns doch einfach alle zusammen chillen. Ist doch alles gut, entspannt euch mal.

Hast du auch schon solche Mucke wie die Jungs gemacht?

Ja, voll. Ich bin ja auch auf der „Hundertvier” EP von Teute und GlenGang drauf. Man erkennt wahrscheinlich gar nicht, dass ich das bin, weil ich wirklich sehr asozial drauf rappe. Aber ich feier das auch tot. Wenn man sowas live bringt, ist das die pure Zerstörung.

Du hast beim Rap-Duell gesagt, dass du krasser Fußball- und Fifa-Fan bist. Wie läuft Ultimate Team?

Ich spiel das nicht mehr, das macht mich psychisch kaputt. Manchmal habe ich nachts rumgeschrien oder gegen die Couch getreten. Ich war ein gebrochener Mann, ich sag’s dir dikka. Mein Herz hat geblutet. Das geht ja auch voll aufs Portmonee. Aber trotzdem weiß ich, dass ich mir das neue Fifa wieder kaufen werde. Nach zwei Monaten werd ich wieder gebrochen sein und wieder rumheulen. Aber mir ist’s egal.

Und für welchen Verein schlägt dein Herz?

Mein Herz schlägt natürlich für Hertha. Tatsächlich feier ich auch AC Mailand, aber nur, weil ich totaler Ibrahimovic-Fan bin. Ansonsten gucke ich einfach sehr gerne guten Fußball.

Du hast vorhin schon das Live-Potenzial einzelner Tracks angesprochen. Bist du eigentlich schon mal live aufgetreten?

Ja, ich hatte schon den ein oder anderen kleinen Live-Gig. Das Meiste waren vielleicht 100 bis 150 Leute. Mal sehen, was sich jetzt ergibt.

Wie geht es nach dem Tape bei dir weiter? Willst du einfach weiter Songs raushauen oder hast du schon was Konkretes geplant?

Ich habe auf jeden Fall was Konkretes geplant. Vorhin habe ich dir ja schon gesagt, dass ein Album für mich einen roten Faden haben sollte. Gerade bin ich fleißig am Machen und plane etwas, das einen roten Faden hat. So viel kann ich sagen. Es wird auch direkt ans Tape anknüpfen. Wahrscheinlich wird es trotzdem eine Pause von zwei, drei Monaten geben, ehe wir in das neue Projekt starten. Aber auch in dieser Zeit werde ich mal einen Track raushauen.

Gibt es schon Pläne für eine Tour?

Darüber haben mein Team und ich uns erstmal noch keinen Kopf gemacht. Als kleiner Künstler wird es für mich auch erstmal schwer. Alle großen Künstler wollen live spielen und werden sich Dates sichern. Die sind selbst alle am Struggeln, irgendwelche Konzerthäuser zu finden. Natürlich will ich irgendwann live spielen, aber ich lass das einfach auf mich zukommen und gucke, wann sich was ergibt.