Seit mittlerweile knapp zehn Jahren pöbelt sich Milli Dance als Teil der Hip-Hop-Gruppe Waving the Guns von Festival-Saison zu Festival-Saison. Was also tun, wenn durch eine weltweite Pandemie gleich zwei komplette Sommer ausfallen? Richtig, du schnappst dir einen Buddy, der dir vor einer Weile erzählt hat, dass er Beats baut und nimmst ein Album auf. So oder so ähnlich ist die Kollabo-LP „Fünf vor Fick” zusammen mit Beatmaker U.N.O. entstanden, die vor ein paar Wochen über Audiolith erschien. Thematisch passt die Platte fast nahtlos in die Diskographie, die sich Milli über die Jahre aufgebaut hat. Mit jeder Menge zynischem Sarkasmus und dem Finger stets in der schwarz-rot-goldenen Wunde werden mal mehr, mal weniger direkt gesellschaftspolitische Themen beleuchtet, die in der hiesigen Hip-Hop-Szene häufig eher wenig Aufmerksamkeit erhalten. Instrumental sorgt U.N.O. allerdings für den entscheidenen Unterschied. Die Beats sind klassischer, als man es von WTG kennt, wodurch Milli neue Möglichkeiten in der textlichen Entfaltung bekommt. Welche das sind, wie die Zusammenarbeit in Zeiten von Corona ausgesehen hat und wie sie selbst ihr Kollaboalbum kontextualisieren, haben uns die beiden im Interview verraten. Wieso eine zynische Auseinandersetzung mit ernsten Themen auch zum Problem werden kann, ob längere Live-Durststrecken die Kreativität vernebeln und was man tun muss, um von Nazis in den Sozialen Medien geblockt zu werden, lest ihr im folgenden Text.
UNO, was muss man machen, um wie du von Alice Weidel auf Twitter geblockt zu werden? Klär uns auf.
M: Dickpick!
U: Im Prinzip musste ich gar nicht viel dafür machen. Man braucht sie nicht mal beleidigen, es reicht schon aus, in einfachen Sätzen aufzuzeigen, dass man es mit einem sehr reaktionären und menschenfeindlichen Gesprächspartner zu tun hat. Allerdings war sie auch nur eine von vielen, die mich geblockt haben (lacht). Inzwischen hab ich auch keinen Twitter Account mehr, das tut meiner Psycho-Hygiene nicht gut.
Du sagst, sie sei nicht die Einzige – gibt es noch andere Leute, die du an dieser Stelle namedroppen kannst?
U: Ja klar, bei Hans-Georg Maaßen war ich auch schnell blockiert. Andreas Hallaschka, Ben Brechtken dieser Kasper, solche Leute eben.
Milli hast du auch irgendwelche Leute vorzuweisen, die dich in sozialen Medien blockiert haben?
M: Auf mich haben alle Bock (lacht). Ich wüsste von niemandem, der mich geblockt hat. Ich pöbel eigentlich nur Leute an, die sich nicht wehren können. Deshalb bin nicht so Promi erfahren.
Ihr kennt euch ja glücklicherweise über die Grenzen des Internets hinaus. Wie habt ihr euch kennengelernt?
U: Wir kennen uns schon gute zehn Jahre und haben im Veranstaltungs- und Jobkontext miteinander zu tun gehabt. Als wir zusammen gearbeitet haben, hatten wir immer einen relativ guten Draht zueinander. Da gab es viele Überschneidungen in puncto Musik. Auch wenn sich die Freundschaft tatsächlich eher flüchtig auf die Arbeit und unser erweitertes soziales Umfeld beschränkt hat, haben wir uns immer wieder getroffen.
Ihr habt jetzt zum ersten Mal ganz offiziell zusammen Musik gemacht. Wie ist eure Zusammenarbeit zustande gekommen?
M: UNO hat mir schon vor ein paar Jahren erzählt, dass er neben seiner Arbeit als Ausgleich gerne Mucke macht. Das hab ich dann erstmal so hingenommen und er hat mir immer mal ein paar Sachen geschickt. Die fand ich auch interessant, war aber zu dem Zeitpunkt vor vier Jahren nicht an einem Punkt, an dem ich mich groß auf andere Musik hätte einlassen können. Generell bin ich immer sehr projektbezogen, da ich mit den Tracks auch immer etwas vor habe und das nicht nur zum Spaß mache. Wir hatten aber weiterhin Kontakt. Er hat mir weiter Beats zukommen lassen und bei einigen hab ich mir dann doch gedacht, dass die was mit mir machen. Ich hatte dann auch mal Bock, ein Projekt außerhalb von Waving the Guns zu machen und hab das mit UNO besprochen. Für mich war es schon auch wichtig, mal was Anderes zu machen. Ich bin dann in einen guten Schreibprozess reingekommen, auch ziemlich konkret auf die Beats, die UNO geliefert hat. Das fand ich total entspannt und hab auch musikalisch an manchen Stellen einfach mal was ganz anderes ausprobiert. Die Tempi sind zum Beispiel ein gutes Stück langsamer als bei vorherigen Sachen. Der ganze Prozess war eine neue, aber echt gute Erfahrung.
UNO, was sind deine musikalischen Einflüsse, durch die du zum Beatmaking gekommen bist?
U: Ich habe in meiner Teenagerzeit als Schlagzeuger in einer Punkband gespielt. Daneben haben mich Querabschläge aus dem Rap- und Hip-Hop-Bereich wie die Beastie Boys oder Run DMC geprägt. Vor dem Mauerfall durfte ich als kleiner Stöpsel „Beat Street” sehen. Natürlich hab ich dann angefangen zu breaken und mit ein paar Homies den Schulhof unsicherer gemacht (lacht). In Richtung Rap zu gehen, war immer ein kleiner Traum, der damals für mich unerreichbar war. Jetzt hat es nach ungefähr 20 Jahren geklappt. In meiner riesigen Plattensammlung steht 90 Prozent Hip-Hop und nur 10 Prozent Punk und alles andere.
Die Instrumental von UNO sind sehr klassisch. Die Drummachine-Beats lassen viel Platz für Texte. Inwiefern konntet ihr trotz der räumlichen Distanz zwischen Dresden und Rostock zusammenarbeiten?
M: Am Anfang haben wir uns zu den Beats ausgetauscht oder ich hab mal eine Demo ins Handy gerappt und ihm geschickt. Manchmal hab ich mir auch einfach was genommen und ihn gefragt, ob er mir die Spuren dazu schicken kann. Hier in Rostock habe ich dann zusammen mit Bryck, der auf der Platte alles gemischt und gemastert hat, vieles aufgenommen. Wir haben aber auch zweimal in Rostock zusammengearbeitet. UNO kam über Silvester zu Besuch, in der Zeit sind zwei Songs entstanden. Zu der Zeit hab ich gerade einen kleinen Synthesizer bekommen und wir saßen einfach bei mir im Wohnzimmer und haben stundenlang auf Mucke rumgeflasht und ausprobiert. Das hatte auf jeden Fall einen starken Session-Charakter. Sonst arbeite ich so, dass ich Sachen für mich aufnehme. Dieses Mal hab ich viel im Studio von Bryck gemacht. Ich habe auch bei zwei Beats Synthie gespielt. Einen Beat mussten Bryck und ich sogar komplett nachbauen. Bei dem Sample von „Jeder Dritte” gab es nämlich Rechtsprobleme. Da wollte ich einmal was klären, ist aber schief gegangen – mache ich nie wieder.
Auf „Und was hast du so gemacht” beschreibt ihr das eigene kreative Loch, in dem ihr euch befunden habt. War das vor allem Corona geschuldet oder gab es dafür noch andere Gründe?
M: Ich hatte kein richtiges kreatives Loch, das war eher eine Momentaufnahme. Zu dem Zeitpunkt ist musikalisch sonst nicht viel los gewesen und ich war auch nicht so inspiriert. Aber das war weniger Corona bedingt. Als das alles so los ging, bin ich eher kreativer geworden und hab ab März das Album runtergeschrieben. Bei dem Track habe ich den Beat gehört und den Text fast in einem Rutsch runtergerattert. Das kreatives Loch erwähne ich eher deshalb, weil der Track eine Retrospektive auf Musik ist und was sie einem bedeutet. Er ist gefühlt schon ein bisschen düsterer, aber eigentlich ist er das gar nicht.
Natürlich sollte man festhalten, dass Corona für mich oder die Clublandschaft wirtschaftlich ein großes Problem darstellt. Dennoch war Corona für meine musikalische Konstitution das Beste, was passieren konnte. Ansonsten hätte ich mit WTG weiter Festivals und Konzerte gespielt und hätte mir weniger Gedanken darüber gemacht, wo es künftig hingehen soll. Durch die Zeit bin ich gezwungenermaßen zur Ruhe gekommen und konnte reflektieren und mir überlegen, was ich Neues machen kann. Dann hab ich angefangen, mit Bryck Beats und Pete Gelée an den Ideen zu arbeiten, woraus sich viel entwickelt hat. Bryck werde ich auch in Zukunft meine Releases anvertrauen. Um solche neuen Beziehungen aufzubauen oder Arbeitsabläufe zu verändern, war Corona schon gut. Aber jetzt reicht es auch!
Ich habe das Gefühl, dass viele Künstler im letzten Jahr kreativer geworden sind. UNO, hast du das in deiner Arbeit auch so wahrgenommen?
U: Ja, für mich war das ohnehin die kreativste Phase meines Lebens. Davor habe ich lange davon geträumt, wieder Musik machen zu können. Das war aber nicht möglich, weil ich als Selbstständiger immer arbeiten war und nur unterwegs war. Dann hatte ich plötzlich sehr viel Zeit für Musik und hab nichts anderes mehr gemacht, als jede Nacht neue Beats zu bauen und Texte zu meiner aktuellen Gefühlslage an Milli zu schicken. Vielleicht wäre das auch ohne Corona so gekommen, aber die Situation hat alles noch einmal verstärkt und ich konnte mich noch intensiver mit Musik, Schallplatten und Beats bauen beschäftigt.
Du hast Milli Texte geschickt? Warst du in den Schreibprozess des Albums involviert?
U: Das waren keine Songtexte, sondern persönliche Nachrichten. Ich habe ihm nicht nur ein Beattape geschickt, aus dem sich Milli etwas rausgepickt hat. Wir standen einfach im regen Austausch miteinander. Wir hatten in der Entstehungszeit echt intensiven Kontakt, in dem wir uns auch über persönliche Dinge unterhalten haben.
Die ganze Platte ist mit ziemlich viel Zynismus geladen. Gerade in einer Line wie „Wie pervers geil ist die Welt” steckt eine Menge zynischer Sarkasmus. Ist das für euch der beste Weg, um mit der ganzen Scheiße, die überall passiert klarzukommen?
M: Zynismus ist auf jeden Fall eine Ausdrucksform, die ich sehr mag. Da kann man natürlich drüber diskutieren. Audio88 und Yassin meinten letztens in einem Interview, dass ihre Platte weniger zynisch ist,, weil die Realität schon so scheiße ist, dass Zynismus nicht angebracht ist. Fatoni hat die Line „Es wird immer schwieriger für Satiriker”. Als ich das gehört hatte, habe ich mich fast geärgert, weil ich so ähnliche Zeilen selbst schon auf dem Papier stehen hatte. Die Realität hat einfach jede Form von Satire überholt. Trotzdem war ich bewusst zynisch. Ich möchte nicht die ganze Zeit mit dem erhobenen Zeigefinger alles anprangern. Mir ist es wichtig, dass meine Mucke tiefgründig ist und eine Art doppelten Boden hat, an dem sich einige stoßen und der auch missverständlich sein kann. Wenn das Leute blöd finden, kann ich das irgendwie auch verstehen. Generell finde ich es wichtig, bestimmte Tatsachen eindeutig zu benennen. Trotzdem sollte es noch was dreckiges haben, denn jeder kann einfach nur Parolen wiedergeben. Der Sarkasmus macht das Ganze interessanter. Englischsprachige Stand-Up-Comedy (ein paar wenige Vertreter) hat mich sehr geprägt, bei der es viel schwarzen Humor und grenzwertige Anspielungen gibt. Wenn Kunst im Kontext nicht mit gewissen Widersprüchen verstanden werden kann, dann geht uns allgemein ein ganz großer kultureller Schatz verloren.
Um nochmal ganz kurz deine ursprüngliche Frage zu beantworten. Ich weiß nicht, ob Zynismus der beste Weg ist, um damit umzugehen. Aber es ist für mich auf jeden Fall ein Weg, wie ich dem Ganzen noch ein wenig Unterhaltung abgewinnen kann. Eine gewisse Lockerheit und eine Art Galgenhumor sind glaube ich gesund. Zynismus ist eine Art Flucht aus der beschissenen Realität, aber verliert dabei trotzdem nie den realen Bezug. Ich bin im realen Leben auch nicht zynisch. Ich trag schon sehr viel Trauer und Wut mit mir rum.
U: Als Hörer fällt mir auf, dass man solange man nicht nur einen Einkaufszettel runter rappt und die neuesten Goodies präsentiert, sondern tatsächlich eine Meinung ausspricht, grundsätzlich Gefahr läuft, ganz schnell falsch verstanden zu werden. Leute sehen in Künstler*innen oft eine Projektionsfläche. Deshalb wird es gerade bei Themenfeldern wie Zynismus und Humor manchmal schwierig. Im Zweifelsfall wirst du falsch verstanden.
Diese Thematik habe ich vor allem auf „Jeder Dritte” wahrgenommen. Die Single spiegelt für mich sinnbildlich die Stimmung der Platte zwischen zynischem Sarkasmus und genereller Wut gepaart mit einer Portion Ratlosigkeit wider. Beschreibt das auch euer generelles Mindset?
M: Es ist schon eine direkte Wiedergabe meines Mindsets. Natürlich stimmt nicht alles zu 100 Prozent mit meiner Privatperson überein, aber die Grundaussage ist dieselbe. Man spürt, dass ich eine Menge Hass in mir rumtrage, obwohl ich nicht krass diskriminiert werde und auch nicht in Armut lebe. Es geht mir um Solidarität, grundsätzliche Werte und darum deutlich zu machen, dass ich manche Zustände komplett verkehrt finde. Aber ich bin der Welt nicht abgewandt, nur weil ich mich zynisch äußere.
Weil die Beats so klassisch sind, lebt das Album natürlich in erster Linie von den Texten. UNO, bist du als Produzent dann auch „nur” Zuhörer oder steckt in den Texten auch etwas von dir?
U: Ich kann sehr viele Texte ziemlich gut nachempfinden – gerade im Hinblick auf die Entstehung. Wir haben uns viel ausgetauscht und haben zusammen viel entwickelt. Das Album ist wie ein gemeinsamer Film, weil wir relativ gleich auf das Weltgeschehen schauen. „Fünf vor Fick” ist kein fremdes Produkt für mich, oder etwas, wofür ich nur die Beats geliefert habe. Es gibt auch Zeilen, die mich direkt ansprechen. Ich kann mich damit identifizieren.
Der Titel der Platte „Fünf vor Fick” suggeriert ja irgendwie, dass etwas bevorsteht – gut oder schlecht sei mal dahingestellt. War das eure Intention?
U: Ursprünglich sollte die Platte einen anderen Titel haben, der mit einem Track zusammenhängt, den wir letztendlich nicht veröffentlichen konnten, weil wir Probleme mit einem Sample hatten. In dieser Situation meinte Milli dann, dass es schon wieder Fünf vor Fick ist. Das ist ja ein vielfältiger Ausdruck für Dinge, die passieren oder vielleicht bevorstehen. In der Stimmung schwingt jedenfalls nicht nur Positives mit. Im Anschluss hatten wir die Idee, dass das einfach ein recht passender Titel für die Platte ist.
M: Ob der Titel von Anfang an eine tiefere Bedeutung hat, sei mal dahingestellt. Das entwickelt sich ja immer erst. „Fünf vor Fick” war die lustig gemeinte Antwort eines Kumpels wenn man ihn gefragt hat, wie spät es ist. Natürlich lässt sich der Titel auch im Sinne von „Fünf vor Zwölf”, „Fünf vor alles scheiße” interpretieren – oder vielleicht auch „alles ist scheißegal”. Ich hab da keine abschließende Definition und finde das auch gut so. Jeder kann sich das selbst überlegen.
Auf „Letzte Stunde” sprecht ihr von den letzten Stunden vor der Machtergreifung. Das lässt sich sowohl sehr direkt als auch im übertragenen Sinne verstehen. Beschreibt ihr auf der Platte den allgemeinen Zustand der Welt oder eher eure persönliche Resignation?
M: Schon beides, aber Resignation würde ich es nicht nennen. Die Wahrheit ist ja nicht nur Scheiße. Wenn ich sehe, wie 500 Menschen in Schottland eine Abschiebung verhindern, gibt mir das Hoffnung. Ich freue mich, dass es bald wieder Konzerte geben wird. Es gibt schon noch einiges, für das es sich lohnt, weiterzumachen. Bei all dem Pragmatismus, Realismus und auch einer gewissen Abgefucktheit muss man lernen, damit umzugehen und weiterhin irgendwie glücklich zu sein. Nützt ja nix.
Auf den ersten Blick unterscheidet sich die Platte vom WTG-Kontext vor allem durch die Beats. Wie würdest du „Fünf vor Fick” innerhalb deiner Diskografie kontextualisieren?
M: Der Vibe und die Grundhaltung sind auf jeden Fall gleich geblieben. Mit Blick auf meine gesamten Diskografie ist es mein rundestes Album ist, mit dem ich wahrscheinlich in seiner Gesamtheit auf Dauer am zufriedensten sein werde. Das nächste ausgenommen natürlich (lacht). Stimmlich bin ich da, wo ich sein will. Auch wenn es simpel erscheint, habe ich raptechnisch nochmal einen Sprung gemacht. Dadurch, dass viele Tracks deutlich langsamer sind, entsteht eine andere Herausforderung. Weil wirklich jedes Wort wahrgenommen wird, sind die Songs viel kraftvoller. Irgendwie ist die Platte vom Gesamtauftritt auch meine coolste. Bryck hat mit dem Sound echt richtig gute Arbeit geleistet. Durch die relaxte Zusammenarbeit mit UNO und dem neuen Umfeld ist alles viel befreiter und ungezwungener. Darüber hinaus dünne ich beim Schreiben sehr viel mehr aus.
UNO, „Fünf vor Fick” ist deine erste Platte. Hat die EP den Grundstein für weiteres gelegt?
U: Natürlich ist „Fünf vor Fick“ auch meine beste Platte (lacht). Ursprünglich habe ich aus ganz anderen Gründen angefangen Beats zu bauen. Es ging nie darum, Musik zu veröffentlichen. Es war eine Art Bewältigungsstrategie. Ich hab dann innerhalb kürzester Zeit viel auf Soundcloud und Bandcamp hochgeladen. Außer Milli habe ich mich auch niemandem aufgedrängt. Als Produzenten hat man es ohnehin nicht leicht, man muss schon viel Arbeit investieren und vor allem viel Glück haben. Für mich bleibt Musik weiterhin erstmal ein Kanal und bestimmt ergeben sich noch weitere Gelegenheit. Ein paar Leute warten auch bereits auf neue Sachen von mir.
Vielleicht ist das eine Klischeefrage, aber es interessiert mich doch. Für wen macht ihr denn eure Musik? Habt ihr das Gefühl, dass ihr damit etwas bewegen könnt?
U: Ich mache das in erster Linie für mich selbst. Natürlich freue ich mich aber immer über positive Rückmeldung. Obwohl viele politische Anspielungen transportiert werden, ist es schlichtweg Unterhaltung. Es gibt kein bestimmtes Ziel oder einen Plan. Ich will den Leuten nichts erklären oder mit erhobenem Zeigefinger auf etwas hinweisen. Wenn sich jemand an dem was ich mach erfreuen kann, bin ich super happy darüber.
M: Ehrlich gesagt bin ich in Bezug auf die Bedeutung eher demütig, gleichzeitig aber optimistisch. Auch wenn Musik nicht die Welt verändert, ist sie ein kleiner Teil von etwas Größerem. Leute erzählen mir auf Tour, wie viel ihnen die Musik bedeutet, oder dass es tatsächlich Songs gibt, die manche dazu animieren, mehr über etwas nachzudenken oder sich sogar politisch anders zu orientieren. Obwohl meine Kunst für sich steht, ist es mir generell nicht scheißegal, wie sie aufgefasst wird. Ich stehe teilweise auf der Bühne vor 15-Jährigen, und da kann ich nicht ausschließlich Künstler sein und zu 100 Prozent konsequent Kunst machen. Da ich mich für einen verantwortungsbewussten und solidarischen Menschen halte (der selbstverständlich Fehler macht), sind mir die Konsequenzen nicht egal. Oft ist es mir dann aber zu viel, wenn sich jemand zu sehr in den Texten wiederfindet. Auf sowas ist die Antwort dann wieder Zynismus und Humor. Vieles nehme ich selbst nicht zu ernst. Ich war noch nie gerne ein Identifikationsmodell.
Könnt ihr und schon verraten was ihr nach dem Release des Albums geplant habt? Sowohl Solo als auch im WTG Kontext, geht es zusammen weiter?
M: Für ein paar WTG-Open-Air-Konzerte im Sommer sieht es aktuell ja ganz gut aus. Da fließt „Fünf vor Fick” auf jeden Fall zum Teil auch mit ein. Für WTG haben wir auch schon Aufnahmen gemacht. UNO und ich werden weiter im Kontakt bleiben. Es gibt noch ein paar Beats, auf denen ich was machen will. Entweder wir droppen dann irgendwann „Zehn nach Bums“ als zweiten Teil oder es fließt auf eine WTG-Platte ein. Wer sich die Tourdaten anschaut, kann sich ungefähr ausrechnen, wann das nächste Release kommt. Das Ganze wird schwer nach vorne gehen. Wenn Corona vorbei ist, freue ich mich auf eine anstrengende Tour und darauf, weiter mit Musik meinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
(Transkribiert von Lea Hohneck)