Graphizzle Novizzle vs. Skinny – Ein kritisches, ungekürztes Interview

Die Bleistiftspitze von Graphizzle Novizzle jagt Rappern oft einen kalten Schauer über den Rücken. Stil- und treffsicher karikiert er alles, was eines Cartoons würdig und nicht bei drei auf dem Baum ist. Mittlerweile genießt er eine relativ große Aufmerksamkeit, es gab auch schon einige Interviews. Nun wollte Graphizzle Novizzle endlich ein Interview führen, das sich von Belanglosigkeiten entfernt, gerne auch kritische Fragen enthält und keine Streichungen vornimmt. Gesagt, getan – Skinny nahm das sehr wörtlich, ging aufs Ganze und verabredete ein Interview mit Graphizzle Novizzle, das sehr kritisch, tabulos und vor allem komplett unzensiert sein sollte. Ob es das auch geworden ist – liest du hier.

Wie du weißt, bin ich großer Fan deines Schaffens – einige kritische Fragen möchte ich dir trotzdem stellen. Zunächst wüsste ich aber gerne: Mit welcher Motivation hast du das Projekt Graphizzle Novizzle überhaupt ins Leben gerufen?

Hallo Skinny, ich freue mich heute hier zu sein. Ich hatte einfach mal Lust, wieder ein paar Cartoons zu zeichnen. Das Thema Deutschrap ergab sich einfach, da ich schon in meiner Jugend viel Rap gehört habe und so der Wiedereinstieg in die Thematik relativ einfach war.

Warum hast du von Anfang an beschlossen, deine Identität geheim zu halten? Während beispielsweise jeder Redakteur oder Autor mit seinem Gesicht hinter geäußerter Kritik steht, machst du es dir sehr leicht. Ist das nicht einfach Feigheit?

(lacht) Ich veröffentliche zwar nur Cartoons, hinter denen ich auch stehe, trotzdem ist es angenehm, eine gewisse persönliche Distanz zu wahren.

Das, was du hier als „persönliche Distanz“ bezeichnest, ist doch eher eine Distanz zu eventuellen Folgen, oder nicht?

Graphizzle wirkt sichtlich nervös, sein Blick huscht zur Tür

Na gut, ein bisschen nachvollziehbar ist das schon. Deine Kritik ist meist hart, aber berechtigt. Allerdings lebt deine Arbeit genau von den Missständen, die du aufs Korn nimmst. Ohne Scheiße, die passiert, hast du nichts zu karikieren. Hoffst du selbst auf neuen Bullshit und macht dich das nicht zu einer Art Parasit?

Wenn es irgendwann keinen Bullshit mehr im Deutschrap gibt, werde ich auch andere Bereiche finden, an denen ich etwas auszusetzen haben werde.

Das beantwortet nicht meine Frage. In einer Utopie wärst du quasi arbeitslos, du profitierst also – hart gesagt – von allem Schlechten in der Welt.

In einer Utopie hätte ich einen Job, Skinny.

Aber nicht diesen, der wäre dann nämlich überflüssig. Trotzdem guter Move, mir den Begriff „Utopie“ im Mund umzudrehen. (lacht)

Ich würde nicht sagen, dass sich jemand damit profitiert, dass er Missstände aufzeigt. Am Ende des Tages gehen wir Satiriker den harten Weg. s/o Fler.

Gelegentlich gehen deine Karikaturen in eine politische Richtung. Insbesondere dem Feminismus widmest du dich gerne, diese Cartoons sind aber stets unglaublich tendenziös und polemisch. Solltest du nicht einfach beim Thema Rap bleiben? Daran verbrennt man sich nicht so leicht die Finger.

Wenn man sieht was momentan weltweit so passiert, kann man schon froh sein wenn es bei den Fingern bleibt.

Siehst du deine Statements zum Feminismus denn selbst als differenzierte Kritik an?

Ich sehe in meinen Cartoons nicht mehr und nicht weniger, als die wichtigste und vielschichtigste Analyse des modernen Feminismus seit der Alice Schwarzer Talkrunde mit King Orgasmus One.

Du scheinst dich jedenfalls ziemlich auf das Thema eingeschossen zu haben. Auch auf bestimmte Rapper, etwa Fler, hast du dich fixiert. Andere lässt du trotz fraglicher Moves ungestraft davon kommen. Warum?

Manchmal ist es mir zu offensichtlich doof oder mir fehlt der passende Twist, um das ganze nochmal zu überspitzen. Ein „fraglicher Move“ macht alleine keinen guten Cartoon.

Um wen es sich dabei handelt, spielt für dich keine Rolle? Der Eindruck entsteht nämlich zuweilen.

Wer kommt deiner Meinung nach zu kurz?

Haftbefehl und Xatar, beispielsweise.

Inshallah, mal gucken.

Wir führen dieses Interview auch aus dem Grund, dass bei bisherigen Interviews mit dir des Öfteren zensiert wurdest. Was für Aussagen waren das, die gestrichen wurden?

Bento hatte einige Seitenhiebe gegen Rapper und deutsche HipHop-Medien gestrichen. Auch die Antwort auf die Frage, wie ich dazu kam, meine Comics als Bücher zu vertreiben war stark gekürzt. Alles über meinen Vertrieb Uniq Music, die Leute, die mir den Verkauf ermöglichen und den Shop und die Seite zur Verfügung gestellt haben (s/o Rene), wurde ohne Nachfrage raus genommen.

Den Shoutout muss ich leider streichen. Joke. Dass Seitenhiebe gestrichen werden ist schwach. Siehst du dich selbst als Vorreiter für Satire und kritischen Humor in der sonst so verklemmten Deutschrapszene?

Das sollen andere beurteilen.

Trotz all meiner zuvor geäußerten Kritik sehe ich das durchaus so. Allerdings habe ich den Eindruck, dein Humor ist in den letzten Wochen bis Monaten etwas abgeflacht. Viele deiner Werke erinnern von ihrer Herangehensweise an furchtbar uninspirierte Cartoons aus dem MAD Magazin. Gerade dein „Gangster Rapper früher und heute“ Cartoon in der neuen Juice illustriert das. Warum ist das so? Schwindet deine frühere Treffsicherheit mit der Zeit?

Das MAD Magazin war als ich 12 war sehr prägend für mich und meine Verständnis von Comics, wenn auch eher die alten schwarz/weiß Ausgaben auf unserem Dachboden. Das neue MAD Magazin finde ich abgesehen von Sergio Aragones Neudrucken, den immer noch mit Liebe zum Detail gezeichneten Filmparodien aus der US Ausgaben und wenigen Ausnahmen auch unwitzig und erzwungen. Ich denke es ist normal, dass es qualitativ immer gewisse Schwankungen beim Output gibt. Wenn ich aber selbst den Spaß an der Sache verlieren sollte, würde ich aufhören mit Deutschrapcartoons und mich anderen Projekten zuwenden.

Die abschließende und wichtigste Frage ist aber: Warum ist das nicht ausgemalt??!

Musste los.

(lacht) Muss jetzt auch los, Bruder. Ich danke dir für das Gespräch, deine Geduld und vor allem für deine Kritikfähigkeit. Letzte Worte?

Gebt euch mein Album.