Auf den ersten Blick erfüllen Ginex alle Klischees vom brutalen Russen, die besonders in Westdeutschland jahrzehntelang gehegt und gepflegt wurden, Stichwort: Die Russen kommen. Sie nennen ihr Album "Platoon" und zeigen sich auf dem Cover und ihren Pressebildern in voller Kampfmontur, scheinbar jederzeit bereit, in einer kleinen Kaukasus-Republik einzufallen und einen Völkermord zu begehen. Doch wie das mit Klischees meistens so ist: Sie sind mal wieder Quatsch. Das beweist nicht zuletzt das Interview, das wir mit Ginex geführt haben und euch zusätzlich zur Premiere ihres neuen Videos hier präsentieren.
rap,de: Ihr gebt euch recht martialisch auf Cover und Pressefotos. Ist euer Leben denn wirklich so ein harter Kampf?
Beny Krik: Das ganze Leben ist ein Kampf. Egal was du machst, ob du um ein Mädchen, Anerkennung oder für deine berufliche Zukunft kämpfst. Du musst was tun, um deine Ziele zu erreichen und darfst dich niemals ausruhen. Als Ausländer hast du es immer schwerer, aber das bezieht sich nicht nur auf Deutschland. Momentan kämpfen wir an vielen Fronten.
rap.de: Wie geht ihr mit der in der Presseinfo beschriebenen Identität zwischen Deutschland und Russland um? Sprich, was an euch ist russisch, was deutsch?
Som: Wir sprechen in der Familie, zu Hause zu 90 Prozent russisch. Im Freundes- und Bekanntenkreis sind auch die meisten Russen. Wir hören russische Musik, gucken russische Filme, aber natürlich auch deutsche. Mein Charakter ist aber russisch. Beny Krik: Offiziell habe ich erst seit diesem Jahr eine deutsche Staatsangehörigkeit, weil ich bisher den Status eines "Kontingentflüchtlings“ hatte. Die Jungs Som und Don A haben dagegen schon am Anfang einen deutschen Pass bekommen. Mittlerweile sind wir sehr organisiert und ordnungsliebend wie ein "Otto-Normal-Deutscher“ (lacht). Aber wir essen trotzdem gerne russisches Essen und trinken gerne russische Getränke. Außerdem leben wir unsere russischen Familientraditionen weiter, wo es noch eine klare Rollenverteilung zwischen Mann und Frau gibt, ohne, dass die Frauen dadurch weniger Rechte hätten. Und das Wort Respekt ist sehr wichtig. Wir sind auch alle christlich-orthodox getauft und feiern alle russischen, kirchlichen Feiertage.
rap.de: Orientiert ihr euch mit eurer Musik mehr am deutschen Rapgeschehen oder am russischen Rap?
Beny Krik: Wir orientieren uns an niemanden, nur an dem, was uns gefällt und Spaß macht. Aber natürlich wurden wir von der russischen und deutschen Rapszene beeinflusst. Ich glaube sogar, von der deutschen Szene mehr als von der russischen.
Don A: Ich orientiere mich an mir und dem, was mir gefällt, aber zu 80 Prozent höre ich deutschen Rap.
rap.de: Findet russischsprachiger Rap in Deutschland überhaupt viel Gehör?
Beny Krik: In den letzten 10 Jahren immer mehr. Letztendlich verstehen viele Leute, die Ami-Rap hören auch kein Wort. Aber natürlich wird der russische Rap niemals so groß werden. Wir hoffen jedoch, mit unserer Musik einen Beitrag für einen höheren Bekanntheitsgrad des russischen Rap in Deutschland geleistet zu haben.
rap.de: Ihr wart auch auf dem "New Russian Standard"-Sampler von Optik Russia vertreten. Wie war das damals?
Beny Krik: Das war am Anfang unserer Karriere und wir wollten natürlich dabei sein. Aber es waren zu viele Intrigen um den Sampler herum und es haben sich viele Leute zerstritten, weshalb wir rückwirkend nichts mehr damit zu tun haben wollen.
rap.de: Seid ihr mit anderen russischsprachigen oder -stämmigen MCs in Deutschland vernetzt?
Don A: In der letzten Zeit arbeiten wir mehr mit anderen Künstlern, die nicht den gleichen oder ähnlichen Style haben wie wir. Dadurch sammeln wir mehr Erfahrung und weiten unsere Fanbase aus.
Som: Ja, wir halten mit einem der ersten und anerkanntesten russischen Rapper in Deutschland einen engen Kontakt. Er nennt sich Czar und ist auf jedem unserer Alben vertreten. Mit vielen anderen talentierten Rappern haben wir zusammengearbeitet und alle anderen schlechten Rapper gedisst (lacht). Somit kann man sagen, dass wir in irgendeiner Form mit jedem nennenswerten russischen Rapper aus Deutschland zu tun gehabt haben.
rap.de: Gibt es eine eigene russisch-deutsche Szene?
Beny Krik: Es gibt einige gute Rapper wie zum Beispiel Czar, Kla$ oder Mafyo, aber insgesamt ist das zu wenig, um von einer echten Szene sprechen zu können. Som: In Deutschland gibt es rund 5 Millionen Bürger mit russisch-sprachigem Hintergrund, also gibt es da schon genug Leute, die sich für HipHop und das Rappen an sich interessieren, aber viele sehen keine Perspektive und hören nach kurzer Zeit auf mit dem Rappen. Somit kann sich keine Szene auf lange Sicht entwickeln. Aber wir lassen uns gerne überraschen.
rap.de: Erklärt doch bitte allen, die kein Russisch können, was die Thematik auf dem Album alles umfasst.
Beny Krik: Der Name des Album ist "Platoon“, was übersetzt eine kleine taktische Kampfeinheit bezeichnet. Deshalb dreht sich das Meiste um den täglichen Kampf an verschiedenen Lebensfronten. Ich beende gerade mein wirtschaftswissenschaftliches Studium und schreibe an meiner Bachelorarbeit, was meinen momentanen Kampf darstellt. Auf dem Album sind auch lustige und traurige Tracks dabei. Des Weiteren haben wir versucht, neue Wege zu gehen, indem wir bei einem Song "Deine Tränen“ Rap mit House gemischt haben, woraus ein richtig geiler Song geworden ist.
rap.de: Was bedeutet Rap für euch? Wofür ist er gut in eurem Leben?
Don A: Rap ist auf jeden Fall viel mehr als nur ein Hobby. Es ist wie eine Therapie, ich kann alle meine Gedanken und Gefühle ausdrücken.
rap.de: Hält euch Rap manchmal auch von anderen Dingen ab, die euch wichtig sind?
Don A: Bei mir ist Rap nach dem Internet der größte Zeitdieb. Im Jahr 2009 war das Problem so gravierend, dass ich meine Fachoberschule abgebrochen habe. Aber in jeder negativen Sache gibt es was Positives. Ich mache jetzt eine schulische Ausbildung, schlage also zwei Fliegen mit einer Klappe.
Beny Krik: Du könntest die Frage auch andersherum stellen, also ob andere Dinge uns vom Rap abhalten (lacht). Aber selbstverständlich gibt es einen Zeitkonflikt. Bei mir war es in den letzten drei Jahren mein Rap und mein Studium und außerdem habe ich immer nebenbei gearbeitet. Ich nehme diese Herausforderung gerne an, weil ich aus meinem Leben was machen möchte und meine Eltern stolz machen will, weil sie vieles für mich geopfert haben.
rap.de: Bitte diesen Satz zu Ende vervollständigen: Mit Russen legt man sich besser nicht an, weil… ?
Beny Krik: … man sich mit ihnen lieber als Menschen auseinander setzten sollte, um nicht gleich in diese stereotypen Gedanken zu verfallen, dass die Russen nur Gewalttäter seien. Denn Gewalt hat keine Nationalität. Deine Frage zielt auch etwas in diese Richtung…