Pyro One – Tanz den Zeitgeist

Pyro One entstammt einer dieser Paralleluniversen, von denen es im Rap mittlerweile immer mehr gibt. Tracks über Drogen und Nutten sind seine Sache nicht, er verbindet mit Rap eher Dinge wie Freiräume zu schaffen und Denkanstöße zu liefern. Hört euch seinen Track "Tanz den Zeitgeist" an und lest das kleine Interview, das wird mit ihm geführt haben.
 
 
rap.de: Bitte gib uns ein paar Hintergründe zu dir.
 
Pyro One: Meine musikalische Sozialisation ist die klassische Blaupause: 90er Jahre Schulzeit und während dieser angefangen, sich mit HipHop zu beschäftigen. Alles aufgesaugt, Ice -T, Cypress Hill, das erste Wu Tang-Album, das erste Nas-Album, Mobb Deep, Fugees, Mos Def… dann irgendwann plötzlich "Die Quadratur des Kreises“ von Freundeskreis, Stieber Twins, die Liste ließe sich beliebig lang weiter führen. Holzfällerhemden und Dickies und damit über den Schulhof flanieren und alles ganz wichtig nehmen. Irgendwann kommt dann der Punkt, wo man versucht selber ein DIN A4-Blatt völlig unstrukturiert zu beschreiben. Das Zeilenende dort, wo das Blatt zu Ende war und im Idealfall reimte sich dass auch irgendwie noch. Dann habe ich mich mit Freunden zu einer ersten Crew zusammengeschlossen, darauf folgte die Zweite. Mit denen habe ich ab 2000 die ersten Gigs gespielt. 2002 gründete sich die Band Monkey Mob, mit der ich ab diesem Zeitpunkt ein paar Sachen releaste und Gigs spielte. Seit 2009 bin ich mit der Unterstützung eines kleinen Teams solo unterwegs.
 
rap.de: Welche Rolle spielt die Frankfurter Allee, der du einen Song und ein video gewidmet hast, in deiner Biographie?
 
Pyro One: Ich lebe seit ein paar Jahren im Friedrichshain und da gehört die Frankfurter Allee, die eine Trasse zwischen dem Nord- und dem Südkiez bildet, zu den prägendsten Straßen. Ich wohne am einen Ende und LeijiONE, der fast alle meine Sachen produziert, genau an dem anderen. So lauf ich zum und vom Studio immer schön geradeaus die Allee runter und hänge meinen Gedanken nach. Wettbüros, Fressbuden, Döner, Asiatisch, der Bio-Imbiss, eine Menge Spätis, ein Billigladen, Discounter-Frisöre usw. Ich nutze natürlich diese Infrastruktur, beobachte aber auch, dass die charmanten, charakteristischen Ecken immer mehr verschwinden. Friedrichshain wird zu einer krassen Hostel-Hochburg und dementsprechend verändert sich die Gegend den Bedürfnissen der Besucherinnen und Besucher entsprechend. Man selber versucht, sich irgendwie damit zu arrangieren, da ich keinen Bock habe, irgendwo anders hinzuziehen. Schwierig wird es, wenn Freiräume in denen ein alternativer, dem normativen Standard nicht entsprechender Lebensentwurf gelebt werde kann, verschwinden. Die Liebig14 ist da so ein Beispiel. Alle stehen auf diesen "Berliner Charme“. Diese crazy Hausbesetzer, die aus nichts ganz vielen machen… aber bitte schön leise und ohne Dreck, damit die Nachbarschaft nicht gestört wird. Das passiert schon reichlich Absurdes.
 
rap.de: Mit wem bist du in Berlin vernetzt?
 
Pyro One: Das ist schnell zu beantworten, da dieser Kreis sehr übersichtlich ist und sich vor allem aus Menschen speist, mit denen man zuerst Gigs gespielt hat. Im Laufe der Zeit entwickelten sich daraus freundschaftliche Beziehungen. Da reicht ein Blick auf die Featureliste meines "Irrlicht“ Albums oder auf Flyer, da wir häufig in den gleichen Konstellationen unterwegs sind. Namentlich sind dass die Menschen von den Schlagzeiln, KaiKani, MisterMo, Refpolk, Kobito, dazu Sookee, DJ Boogie Dan, LeijiONE, Beat2.0 etc. rap.de: Welche Rolle spielt Rap in seinem Leben? Pyro One: Die tägliche Bedeutung schwankt immer vor dem Hintergrund, welches Projekt gerade ansteht. Im Rahmen unserer aktuellen Albumveröffentlichung und den Vorbereitungen für die Releaseshow spielt es eine große Rolle, da es ständig etwas zu tun gibt. Aber auch ansonsten hat die Musik einen großen Stellenwert für mich. Sie ist eine meiner großen Leidenschaften. Sie eröffnet mir die Möglichkeit, den ganzen Mist und Quatsch, mit dem Mensch so konfrontiert wird, konstruktiv zu verarbeiten. Die abgedroschene Floskel vom Künstler, der ohne die Kunst an der Realität verzweifeln oder scheitern würde, passt da immer noch wunderbar. Die Musik hält mich in einer Balance, die mir sehr gut tut und auf die ich nicht verzichten möchte.
 
rap.de: Wo verortest du dich in der gegenwärtigen Rapszene?
 
Pyro One: Andersherum wäre es ganz spannend, wie verortet mich die gegenwärtige Rapszene und wer oder was ist diese Rapszene? Keine Ahnung, als interessierter Raphörer ist natürlich schon eine Veränderung wahrnehmbar. Es wird musikalischer, es wird sich mehr getraut und die inhaltliche Vielfalt nimmt zu. Das ist natürlich absolut positiv und schön, sich als erwachsender Mensch, nicht ständig rechtfertigen zu müssen, warum man diese merkwürdige und peinliche Rapmusik hört. Für mich als Künstler hat das aber eigentlich keine Konsequenzen. Es ist natürlich gut, auch auf einem Forum wie rap.de, stattzufinden, ansonsten gibt es für uns aber kaum Überschneidungen zur konventionellen HipHop-Szene. Das liegt daran, dass wir da zum Teil einen Bogen drum machen. Ich könnte mir nicht vorstellen mit jemand einen Gig zu spielen, der seiner Hörerschaft bzw. seinen "virtuellen Gegnern“ mit homophoben oder rassistischen Lines gegenübertritt. Wir finden ja häufig in politischen Freiräumen statt und den Menschen dort ist die aktuelle Entwicklung reichlich egal. Wir hatten Anfragen für Gigs, als im Rap nur geschossen und auf den Straßen abgegangen wurde, und wir haben jetzt auch Gigs, also tangiert uns das nur teilweise.
 
rap.de: Welche Ziele steckst du dir mit deiner Musik?
 
Pyro One: Mein erstes Ziel ist es natürlich, die Musik zu machen, zu der ich hundertprozentig stehen und die ich hoffentlich auch in fünf Jahren noch feiern kann. Wenn es dann Menschen gibt, die dazu einen Zugang finden und meinen Gedankengängen folgen können, ist das natürlich großartig. Wenn sich dieses gegenseitiges Verständnis in energetischen Gigs entlädt, bin ich künstlerisch absolut zufrieden. In erster Linie möchte ich weiterhin live stattfinden und hoffe, dass es uns gelingt dort Menschen zu bewegen. Alle anderen Entwicklungen schaue ich mir an, ohne diese überzubewerten.