Canice – Not und Elend

Ein neuer rap.de-Exklusiv. Heute von dem Österreicher Canice, der über "Not und Elende" rappt. Weiter unten findet ihr auch noch sein Video "Für euch" – genau, für euch. Alles weitere erzählt er euch einfach selbst.
 
rap.de: Stell dich doch erstmal vor.
 
Canice: Hey, mein Name ist Canice. Ich komme aus Österreich, genauer gesagt aus Graz und bin seit gut 10 Jahren am rappen.  Damals bin ich über Freunde auf Rap aufmerksam geworden und habe nach und nach begonnen eigene Texte zu schreiben und diese auch aufzunehmen. Meine erste Ep mit Namen "Underdog“ ist 2006 erschienen, 2008 folgte dann das "Eine Nummer zu groß“ Mixtape, beide CDs gibt es übrigens als Freeload auf meiner Homepage. Vor Kurzem habe ich mit "Tornado Lifestyle – Das Mixtape vor dem Sturm“ meine dritte Studioproduktion released, die hierzulande einiges an Aufsehen erregt hat. Die erste Single Auskoppelung daraus trägt den Namen "Für euch“ und ist auf YouTube bzw. meiner Homepage zu finden! Diesen Winter folgt dann das Album „Tornado Lifestyle“, an dem ich gemeinsam mit dem Kool Savas-Produzenten Sir Jai, dem deutschen Rapper und Produzenten Stiffla und dem österreichischen Produzenten Deem Beatz gearbeitet habe.    Musikalisch orientiere ich mich vorwiegend an amerikanischen Produktionen, obwohl ich natürlich auch deutschen HipHop höre. Aktuell laufen Tracks von Yelawolf, Eminem, T.I., Royce da 5'9", Jay-Z und Rick Ross in meiner Playlist.
 
rap.de: Braucht eine chillige, schöne Stadt wie Wien überhaupt Rap?
 
Canice: Vorweg muss ich gleich mal anmerken, dass ich nicht aus Wien komme, ich bin zwar dort geboren, habe den Großteil meines Lebens aber in Graz verbracht. Nach Wien bin ich erst vor Kurzem aus privaten Gründen gezogen. Auch wenn es für viele den Anschein hat, als wäre Österreich ein schönes Land, muss ich dennoch in einigen Punkten widersprechen. Gerade Wien, als drittgrößte deutschsprachige Stadt, hat mit vielen Problemen zu kämpfen; man denke nur an Schlagworte wie Integration, Armut und die stark rechts angesiedelte politische Gesinnung vieler Österreicher. Bei den letzten Wahlen in Wien hat die von H.C. Strache geführte rechtspopulitische Partei FPÖ beinahe 30% der Stimmen erhalten! Dass das einen Nährboden für Konflikte geschaffen hat liegt, denke ich, auf der Hand.  Ich glaube, dass Rap keine Existenzbegründung benötigt – egal wo – sondern vielmehr, dass die Musik einem die Möglichkeit gibt sich auszudrücken, jemand zu sein und seine Probleme zur Sprache zu bringen. Darin liegt die Stärke von Rap und genau dieser Umstand hat ihn auch so beliebt gemacht. Auch wenn Wien kein Brooklyn oder Compton ist gibt es doch eine Menge an Geschichten zu erzählen, ich denke mal sonst würde es auch nicht so viele aktive Künstler geben.
 
rap.de: Hat sich in Österreich durch den Erfolg von Nazar, RAF oder Chakuza etwas verändert?
 
Canice: Auf jeden Fall. Zum einen hat sich in Österreich selbst einiges getan; so hat der Erfolg von Nazar und Co. dazu geführt, dass viele österreichische Hiphop- Hörer erstmals auch auf die eigene Szene aufmerksam geworden sind. Gleiches gilt für die Medien, was dazu geführt hat, dass sich in den letzten Jahren ein Markt für heimischen Hiphop entwickelt hat. Das wiederum hat vielen den Ansporn gegeben, selbst aktiv zu werden bzw. das Ganze mit einer gewissen Professionalität anzugehen. Auf der anderen Seite hat sich natürlich auch vieles im Hinblick auf die Akzeptanz österreichischer Musik im deutschsprachigen Ausland verändert. So bin ich mir sicher, dass österreichischer Hiphop heute mit ganz anderen Augen betrachtet wird als noch vor vier bis fünf Jahren.
 
rap.de: Welche österreichischen Rapper feierst du, welche eher nicht?
 
Canice: Ganz oben auf der Liste stehen für mich die zuvor genannten Nazar, Chakuza und RAF, davon abgesehen gibt es aber auch eine sehr starke Mundart-Bewegung, also Rapper, die im österreichischen Dialekt rappen, aus der sich einige extrem gute Rapper herauskristallisiert haben. Aufgrund der großen Anzahl möchte ich hier nicht alle beim Namen nennen, denn das würde den Rahmen dieses Interviews sprengen; dewegen beschränke ich mich darauf ein paar Artists aus meinem eigenen Umfeld aufzuzählen, z.B. Cariba, Spleen, Jack Deep, DIZ 8, Lil Dirty, Big J und Atsche. Womit ich allerdings gar nicht klar komme, sind Typen wie Money Boy, ohne ihn hier in den Dreck ziehen zu wollen. Aber ich denke, dass solche Rapper ein falsches Bild von der österreichischen Szene vermitteln. rap.de: Welche Ziele hast du dir mit der Musik gesetzt? Canice: In erster Linie mache ich Rap, weil ich den Scheiß liebe! Als ich vor 10 Jahren begonnen habe, habe ich das sicher nicht gemacht, um irgendwann mal groß raus zu kommen, sondern schlicht, weil es mir Spaß gemacht hat zu Freestylen, mit meinen Jungs rumzuhängen und Texte zu schreiben. Mittlerweile hat sich das alles natürlich ein wenig geändert. Je älter ich geworden bin, desto mehr Arbeit, Zeit und Geld, habe ich in meine Projekte gesteckt und desto realistischer habe ich das Ganze auch betrachtet. Irgendwann bin ich dann zu dem Punkt gekommen, an dem ich mir gedacht habe, dass es für mich nur noch zwei Möglichkeiten gibt, nämlich ganz oder garnicht! Genau mit dieser Ambition gehe ich ans Werk, deswegen ist mein Ziel von meiner Musik leben zu können.
 
rap.de: Welche Rolle spielt die Musik überhaupt in deinem Leben?
 
Canice: Ich glaube, es gibt nur wenige Dinge in meinem Leben, die für mich so wichtig sind wie Musik. Das hat sicher viel damit zu tun, dass ich in meiner Vergangenheit viel Scheiße erlebt habe und Musik, insbesondere HipHop, damals sowas wie ein Rettungsanker war. Viele Raptexte handeln ja genau davon, dass einem von der Gesellschaft keine Chance gegeben wird, man sich aber nichtsdestotrotz nicht unterkriegen lässt und sein Ding macht. Zu wissen, dass man nicht der Einzige ist, der schwere Zeiten durchlebt, ist sicher eine wichtige, wenn auch banale, Erkenntnis für mich gewesen. Wie auch immer, nachdem ich begonnen hatte zu rappen, wuchs natürlich auch mein Interesse für die Musik, ich glaube am besten könnte ich ihre Rolle in meinem Leben so beschreiben: Wenn ich morgens aufstehe, werf ich meinen Computer an und hör meinen aktuellen Lieblingssong.  Wenn ich danach das Haus verlasse, schalte ich meinen Mp3-Player ein und wenn ich Abends wieder heimkomme, setze ich mich hin und schreib an meinen Texten. Ohne Musik geht es einfach nicht!