Private Paul – Lieder über Autos

Hochgelobt wurde er in unserer Review: Private Paul mit seinem Album „Emopunkrap“, das  am 21. Dezember 2010 erschien. Viele Fragen warf der Baden-Württemberger mit seinem verstörenden Werk auf, denen wir auf den Grund gehen wollten. Nun erklärt uns Private Paul, warum er  Therapheuten nichts von seiner Musik erzählt, Menschen verabscheut, Narben als Körperkunst betrachtet und auch, warum sein Album das Gütesiegel des Pedobären trägt.
Hat Dir eigentlich Dein Therapeut geraten, Deine Probleme zu einem Album zu verarbeiten? Hat es Dir geholfen?
Ich habe nie mit einem Therapeuten über Musik geredet. Auch nicht mit Familie oder „normalen“ Freunden. Ich finde, das hat da nix verloren. Das Album ist gedacht für einen unbekannten Zuhörer, einen Fremden, den ich in meinem Leben nie treffen werde. Anders könnte man manche Sachen glaube ich nicht so einfach sagen. Das sind keine Themen die man gerne mit seiner Familie bespricht. Deswegen habe ich auch versucht, das aus meinem richtigen Leben fernzuhalten. Ich wollte da eine Lösung für meine Probleme finden, und nicht über das Für und Wider eines Amoklaufs und Drogenverherrlichung philosophieren. Im Gegensatz zu vielen anderen scheint die Reihenfolge bei mir anders zu sein. Ich schreibe nicht einen Track, um irgendwas zu verarbeiten. Ich verarbeite, analysiere und schließe (soweit es geht) ab. Und dann kommt der Track. Das gibt mir eine viel größere Distanz, eine Neutralität, mit der man auch Gegenargumente, Zweitmeinungen oder ganz wilde Gedankensprünge einbauen kann. Das könnte ich nicht, wenn ich direkt am Abend nach X irgendwas hinschreiben würde, wo in meinem Kopf nur ein paar Gedanken sind, die ungefähr auch in die gleiche Richtung gehen. Ich war mir immer ziemlich sicher, dass Therapeuten usw. absolut nicht den künstlerischen Anteil der Musik vom selbstdarstellerischen trennen können. Das Album ist kein Tagebuch, keine Autobiografie. Es ist ein Album, was Gefühle vermitteln soll. Ganz einfach. Gefühle, die ich einmal hatte, über die ich viel nachgedacht habe, die mich beschäftigt, bewegt, geprägt haben. Überlegungen, Träume, Wünsche, wie man es nennen will. Aber keine Tatsachenberichte (zumindest meistens). Therapeuten sind meistens reiche Akademikerkinder, die in ihrem leben keine wirklichen Probleme hatten bzw. ihre Prioritäten einfach woanders haben. die haben keine Ahnung von sowas. Die projezieren dann irgendwelche Scheiße da rein und verstehen am Ende noch weniger als vorher, weil sie durch die Musik abgelenkt werden in eine Richtung, die in meinem echten Leben nicht das aktuelle Problem ist.
Hast Du oft versucht abzunehmen und gibt es im Gegensatz zu Deinem Gewicht auch etwas an Dir, was Du magst?
Ich hab kein Problem mit meinem Gewicht. Ich würde auch mal behaupten ich bewege mich gerade noch unterhalb der „ultimativ fett“-Linie. Und jetzt noch ein oblatendünnes Pfefferminz! Was ich an mir mag? Keine Ahnung. Ich kann gut zuhören, analysieren und gedankenlesen. Im manipulieren bin ich auch ganz groß. Und Ich scheine tatsächlich irgendwie gute Stimmungsmusik machen zu können. Das mag ich. In ein paar Jahren mach ich die große Malle Tour. Und ich kann hervorragend blöde Sprüche machen.
Welche Differenzen haben zu der Trennung vom Label „Weisse Scheisse“ und von PCP geführt?
Wenn ich das wüsste… Da is so viel vollkommen absurder Scheiß passiert, dass ich davon eigentlich überhaupt nix mehr wissen will. Bisher hab ich mitgekriegt, dass der springende Punkt wohl war, dass ich Jottas Freundin auf die Schulter geküsst habe. Ich war da grad in der Album-Endphase und die hat viel näher am Studio gewohnt als ich, und dann hab ich mich da halt n paar Tage eingenistet. Um mich dafür zu bedanken hab ich ihr n Küsschen gegeben. Das war für ihn zu viel. And the shitstorm began. Und bei PCP bin ich raus als Mäxer meine Alte gevögelt hat.
Warum sind eigentlich alle Menschen schlecht? Das haben wir so noch nicht ganz verstanden.
Ich auch nicht. Aber ich hab aufgehört, mir diese Frage zu stellen und es als Tatsache hingenommen. Ich muss immer wieder feststellen, dass der Mensch die grauenhafteste Lebensform ist, die es gibt. Egal wo und in welchem Zusammenhang, es ekelt mich, wenn ich Menschen sehe und mit ihnen zu tun haben muss. Ich bin jetzt kein soziopathischer Freak der ausrastet, wenn er nen Menschen sieht. Ich kann durchaus normal und neutral mit vielen Leuten umgehen. Wenn ich aber drüber nachdenke, kenne ich kaum jemanden, den ich nicht auf der Stelle zerstören würde, wenn ich könnte. Die Menschheit hat es noch lange nicht verdient, sich intelligent zu nennen. Alles was wir tun, ist nach simpelsten instinktiven Herdenmustern irgendeine Scheiße nachzuahmen. Homo homini lupus.
Hast Du auch Freunde, die 37,5% haben oder solche, die wenigstens an den 50% kratzen? Wir kennen da so einen, mit so einer blauen Banderole.
Ja, so einige. Leider reimt sich 37,5% nicht so besonders gut, deswegen hab ich das mit zu den 40 gezählt. Ich kenn auch einen mit 80. aber der hat den Kontakt vor längerem schon abgebrochen. Fürst Uranov ist allerdings ein treuer und loyaler Begleiter in jeder Lebenslage. Der is auch blau. Vodka ist die wärmste Jacke.
Nun ist ja die Kunstfigur Private Paul schon im gleichnamigen Track von PCP im Jahr 2009 aufgetaucht. Was genau macht diesen labilen Charakter so interessant, dass er ein Album füllen kann?
Naja. Es ist ja nicht so, dass Private PaulA jetzt das Thema wäre und Private Paul Tracks sich daran orientieren, um irgendwie ins Image zu passen. Ich seh dem Herrn nun mal erschreckend ähnlich, hab ungefähr die gleiche „Seele“ und man kann mein bisheriges Leben ziemlich gut in seine Story reinbiegen. Ich hatte am Anfang auch befürchtet, dass meine Musik wegen des Namens überhaupt nicht wahr-/ernstgenommen wird. Weil man eben sofort denken muss, es geht um die FMJ-Story bzw alles was nicht damit zu tun hat, wirkt unpassend. Aber bisher hab ich das Gefühl, dass es funktioniert. Das Interessante dabei ist, dass der Werdegang dieses labilen Charakters (Versuch der Anpassung, ausgegrenzt werden, Einsamkeit, Hass und Unverständnis von überall und schließlich der Wunsch nach Rache und Selbstmord) zufällig eben genau auf meine Realität und Weltanschauung passt. Das gab mir persönlich eine unglaubliche Auswahl an Themen, über die ich schreiben konnte, ohne diese Figur verlassen zu müssen, bzw ohne deutlich sagen zu müssen „Private Paul hat nichts mit Private Paula zu tun“. Natürlich ist die Anlehnung bewusst und absichtlich. Und wenn man das verwerten kann, is doch wunderbar. Der Track auf dem PCP Album ging ja z.B. darum, dass kein Schwanz überhaupt weiß wer ich bin oder mich neben JAW wahrnimmt. Ich bin (war) nur eine unwichtige kleine Nebenfigur, die sich den Arsch aufreißt um anerkannt zu werden, zu jedem Konzert durch ganz Deutschland fährt, um Backup zu machen und danach gefragt zu werden, wer man denn sei bzw. Props zu kriegen für Sachen mit denen man nichts zu tun hat.
Butter bei die Fische: Warum machst Du „Weinerlichen Punkrap“?
Weil es das Einzige ist, was ich kann. Ich kann keine Playersachen erzählen, nicht von Autos und Geldausgeben reden, ich hasse meine Stadt, ich hab keine Homies, ich war nie in irgendwelchen Yards oder Streets, bin kein Streetfighter, hab nie gedealt oder sonstwas. Ich erzähle Sachen, die ich kenne, wo ich weiß, was ich sage, und die ich authentisch erzählen kann. Das ist Punkrap, der einen Fick auf die Menschheit und die Welt gibt, die Realität so gut wie möglich wegsäuft und auf alles scheißt, und zwar weinerlich: d.h. reflektierend und analysierend, was warum wo wie falsch gelaufen ist, bedauernd, traurig, enttäuscht, emotional. Yo!
Wenn das Album nicht konstruiert ist und Private Paul keine Kunstfigur ist, was hält Dich dann eigentlich noch am Leben?
Mein Überlebenstrieb. Irgendwelche Instinkte, deren einziger Sinn es ist, Leute wie mich vom Selbstmord abzuhalten. Bisher relativ erfolgreich. Abgesehen davon ist es genau das EMOPUNK, was mir sehr dabei hilft. Rebellion gegen die eigenen Gefühle. Innere Kälte. Distanz von allem. Grau. Je mehr dir alles egal ist, desto weniger stehst du nicht vor den Scherben deines Lebens und willst alles hinschmeißen, sondern sagst dir „Haha, ich habs gewusst! Scheiß drauf!“ Man lernt, vom Schlechtesten auszugehen, um kein Problem damit zu haben, wenn es wirklich so endet. Und dann kann man sich irgendwann einen Spaß aus allem machen, sich sogar fast schon wohlfühlen. Weil man die Bestätigung bekommt, dass einen nichts mehr kaputt machen kann. Und abgesehen davon hab ich nicht die WIRKLICH krassen Verzweiflungsdinger mitgemacht. Ich hab bisher immer ne Bude und was zu Fressen gehabt. Das in Verbindung mit dem Zeug von gerade eben lässt einen schon ne ordentliche Zeit überstehen, in der man einfach einen Fick gibt und die Tür zu lässt.
Erklär uns mal den Pedobär auf Deinem Album. Ist Pädophilie das letzte Tabuthema mit dem man noch so richtig schocken kann?
Ich wüsste kein anderes. Der Pedobär ist allerdings eher als Augenzwinkern gemeint. Es gibt da z.B. Tracks von Kralle oder so, die ich bei weitem provokanter finde als das, was ich da erzähle. Es geht ja auch nicht um Pädophilie im üblichen Sinn. Das seal of approval is drauf wegen ner Line aus Slut. Das is n Spaßtrack. Da erzähl ich was mir in Kopf kommt. Die generelle Idee dahinter ist allerdings, dass (s.o.) die Menschheit so ein verdorbener Scheißhaufen ist, dass ich kindliche Reinheit und Unschuld bewundernswert finde. Mir hat schonmal jemand gesagt, dass das genau die Argumente sind, die auch Trenchcoatguys vorbringen, aber dann isses meinetwegen so. ich will ausdrücken, dass der Mensch im Lauf seines Lebens (meistens in der Pubertät und da ich n Kerl bin geht’s um Mädels) schnell und immer früher beginnt, aus niederen Trieben heraus unfassbar behinderten Scheiß abzuziehen. Das gefällt mir nicht. Die gesamte Entwicklung der „Jugend“ passt mir nicht. Deswegen ist es einfach der Hinweis auf eine Wunschvorstellung, einen Status der meinen Hass auf die Menschheit beträchtlich mindern würde: ehrlich, unverdorben, gut.
Ist das Cover echt oder Photoshop? Was ist eigentlich so geil am Ritzen?
Beides. Das Bild is echt, und mit Photoshop hab ich das schwarzweiß gemacht. Die Ritzerproblematik liest du am Besten in nem Borderline-Forum nach. Für mich ist es eine intensivere, persönlichere Art des Tattoos. Etwas, womit man das zeigt, was einem am allerwichtigsten ist. Darüber hinaus ist es für mich persönlich zu einer Art Selbsttherapie geworden. Darüber kann man denken was man will (und ich hab auch schon so ziemlich jede Meinung dazu gehört), aber mir hilft es. Nicht aus irgendwelchen „Ich muss spüren, dass ich lebe“-Gründen. Sondern aus dem Tattoo-Gedanken. Ich erinnere mich an Fehler aus meiner Vergangenheit, erinnere mich daran, dass ich dies oder das so oder so machen oder nicht machen sollte. Es sind Lebensabschnitte, deren Fazit mir wieder ins Gedächtnis kommt, wenn ich eine Narbe sehe. Das ist Blutkunst.
Vielen Dank für das Interview und wir bedanken uns auch für den von Epic Infantry produzierten Track „Lieder über Autos“ von Private Paul und Prezident, den wir euch exklusiv präsentieren: