Illoyal – Räuberpistolen (rap.de exclusive)

Straßen-Rap. Backpack-Rap. Battle-Rap. Party-Rap. Dies, das und jenes-Rap. Und dann gibt´s da noch Illoyal. Pünktlich zum Release seines neuen Tapes „Räuberpistolen“ (ja, TAPE! Zu deutsch: Kassette. Die jüngeren unter euch dürfen sich bei eventuellem Überfragtsein gerne die Google Bild-Suchfunktion als Hilfsmittel heranziehen…) haben wir den Anlass zum Anlass genommen, um ein wenig hinter die Kulissen des Kölner Rappers zu blicken.

Illoyal – Räeuberpistolen (rap.de-Exclusive) by rap.de-Redaktion

rap.de: Der „Illoyal“ Sound ist nicht so ohne weiteres einem Sub-Genre innerhalb der Deutschen HipHop Musik zuzuordnen. Mit welchen 3 Schlagworten würdest du deinen Sound beschreiben?

Illoyal: Konfrontativ,brachial, verspielt

rap.de: Deine Texte dürften für den Ottonormal Hörer stellenweise schockierend und weit über der Grenze zum schlechten Geschmack liegen. Inwiefern stilisierst du dich zur Kunstperson und inwieweit wurzeln deine Texte in deinem realen Leben (Anspielung auf Zeielen a la „meine Hobbys sind Cockstuffing und Arschlochdehnen“ z.B.)

Illoyal: Das ist witzigerweise eine Frage, die offenbar jedem begegnet, der Texte in der ersten Person mit „Ich…“ und direkter Anrede eines Gegenübers schreibt. Je grotesker die Überzeichnung, desto stärker scheint sich die Frage dann dem empörten Raphörer zu stellen. Nur kurz dazu: Das lyrische Ich ist nicht ich als Privatperson, ich haue oder zerteile niemanden und was ich privat mit meinem oder anderer Leuts Arschloch mache geht auch niemanden was an. Im Gegenzug folgt daraus für mich aber auch, dass man, nur weil man aus ernsthafter Absicht einen Text in Ichform schreibt und unbeholfen, aber ehrlich von seinen Erlebnissen mit den Jungs von der Tanke oder an der Bushaltestelle berichtet, noch lange nicht authentisch oder unmittelbar seine Persönlichkeit sprechen lässt – das geht nicht. Man tappt sich selbst gegenüber ohnehin in vielen Teilen im Dunkel, die Person, die man im Text sprechen lässt, ist immer schon eine Andere. Witzigerweise peilen das weder die meisten Rapper noch z.B. Leute aus dem Autonomen Zentrum, für die ein Wort offenbar immer nur eine unmittelbare Tatebene hat und immer Reflektion von Herrschaftsverhältnissen plus Ausdruck des tief sitzenden persönlichen Hasses des Künstlers ist.
Ich finds aber gerade schön, wenn Rapper sich so Figuren schaffen, oftmals hör ich mir die lieber an als solche, die vorgeblich nur real talk machen. Ein bisschen wie Romanfiguren, von denen erwartet man doch ganz Ähnliches. Gutes, sehr stilisiertes, Beispiel ist natürlich Kollegah, dessen Lebensrealität ja sicher auch ganz erheblich von seiner Rap-Persona abweicht, aber die hat er ja so perfektioniert, man kann ihn ja eigentlich nur lieben.
„Kunstperson“ setzt auch wieder mit „Person“ so viel Überschneidungen oder Gleichesetzungen mit meinem Ich oder so voraus. Der Illoyal auf Räuberpistolen ist eher so ein Flickenteppich, die mal Fetischist, Folterer oder auch einfach Rapper ist – alles das entbehrt aber nicht einer Überinterpretation der durchaus mit wenig Zeitaufwand entstandenen Texte. Für Ekelhaftigkeiten in Rapphrasen eingebettet brauche ich auch schlicht die wenigste Zeit, es fällt mir am leichtesten. Ansonsten weist der Gebrauch des Wortes „Räuberpistole“ ja auch schon auf eine gewisse Überzeichnung hin.

rap.de: Wo siehst du deine musikalischen Haupteinflüsse? Liegt man richtig, wenn man davon ausgeht, das jene sich hauptsächlich ausserhalb der Grenzen der Rapmusik befinden?

Illoyal: Das stimmt, ich mache auch hauptsächlich Nicht-Rap-Musik, zB Free Jazz und auch elektronische Musik, Einflüsse sind auf jeden Fall viele aus dem Rapbereich vorhanden, WBM, King Orgasmus etc. etc, an amerikanischem Material genauso viel, zB Big L, Gravediggaz, Necro, Ill Bill, El-P, sicher kommen aber noch viel mehr aus Jazz, Metal, Popmusik/Adult Oriented Rock, deutschen Liedermachern, Psychedelic, aus Filmen und Kunst dazu…Jedenfalls, so vielfältig sich ein Einfluss auch auswirken kann, etwa in Form des Artwork, als Zitat- oder Scratchquelle, so vielfältig sind auch meine Quellen.

rap.de: Du produzierst für dich ja auch selber: wie ist deine traditionelle Herangehensweise beim Produzieren und auf welche Samplequellen greifst du am liebsten zurück?

Illoyal: Meine „traditionelle Herangehensweise“ ist in diesem Fall eine nette Umschreibung für meine einzige Fähigkeit auf dem Sektor. Ich kann Fruity Loops ein bisschen, ab Version 6 wird’s dann aber schon schwieriger. Ich sample meistens ganz klassisch Snares und Becken, oft ganze Breaks oder Versatzstücke aus Drumsolos zumeist von Jazzplatten, Samples haben alle möglichen MP3-Quellen, wenn mir eine geeignet und unoffensichtlich genug erscheint, wird sie benutzt. Für das aktuelle Tape habe ich auch zum ersten Mal direkt von Youtube gesamplet. Das baue ich dann irgendwie zusammen, spiele damit ein bisschen herum und füge hier und da noch gerne die 808-Cowbell ein.

rap.de: Wenn man deinen Texten aufmerksam zuhört, merkt man das du mit sicherheit ein intelligenter Rapper bist. Wie gern bist du zur Schule gegangen und über welche Quellen beziehst du heutztage deine Bildung?

Illoyal: Oxymoron-Alarm! Jede weitere Aussage nimmt mir jetzt den letzten Rest Glaubwürdigkeit… Also ich fand Schule ganz ok, bin grade auch mit Studieren fertig und beziehe Wissen, in den allermeisten Lagen nutzloses, aus den selben Quellen wie in der Schule…Hauptsächlich aus Büchern, auch aus dem Internet, Film. Wo da die Bildung bleibt, weiß ich nicht, der Begriff unterstellt der etwaigen Wissensanhäufung so viel Lebenspraxis und erfülltes Menschsein. Wenn überhaupt werde ich durch meinen Konsum von solchen Medien zum Fachidioten. Wofür genau? Keine Ahnung…Italienische Horror- und Sexstreifen vielleicht.

rap.de: Du hast drei Wünsche frei. Einzige Bedingung: diese Wünsche müssen musikalischer Natur sein! (ein Feature mit Marvin Gaye. die Gitarre von Jimi Hendrix besitzen…sowas in der Art.) Wie sähe die Top 3 deiner Wünsche aus?

Illoyal: 1. Zeitreise nach New York 1955-ca. 1970, dort wohnen und Drummer für alle möglichen Cats zu sein, spielen im Five Spot, Café Bohemia etc., Aufnahmen mit denen machen.
2. Zeitreise nach London späte Sechziger, Drumming in den Szenen ums Ronnie Scott’s und den Little Theater Club.
3. Featuretrack, produziert von Reckless, mit Orgi, Arzt und gesunkener Hook von Sady K.

rap.de: Man muss kein Prophet sein um zu merken, das du dem Grund-Tenor der hiesigen Rapszene nicht viel abgewinnen kannst. Welche deutschen Acts hörst du dir privat an? Welche amerikanischen falls überhaupt?

Illoyal: Wenn der Grundtenor der der selbsternannten neuen Reimgeneration, Stichworte Schuhverkäufer, FIFAzocken, Skateboardfahren, Herzschmerz ist, dann wirklich nicht. Allerdings gibt es viel tolles. Aus naheliegenden Gründen spar ich jetzt mal die Leute, mit denen ich sowieso schon was mache, aber die ganze Azzlack/Alles oder Nix-Ecke macht mir unheimlich Spaß, Veteranen wie Orgi oder Mach produzieren auch wirklich gutes Zeug, auch von Hirntot gibt es immer noch ein paar Sachen, die mir echt gefallen. Ganz anderer Sound, aber auch super: die beiden Jungens von Luk & Fil!
Zuhause läuft auch original sehr viel alter Royal Bunker/Bassboxxx/Rap Haus-Kram, Abu Sex‘ Cocain Business Reloaded Album (verzweifelt ein Original gesucht! Schreibt mich an!), manches von GPC, nach wie vor auch Alben von Hollywoodsfinest und Kollegah, ältere MorlockkDilemma, V-Mann und Marcello-Releases, all sowas. Amerikanische Acts jetzt nicht mit einer dermaßenen Häufigkeit, aber immer gern DITC (Big L!) – und Gang Starr Umfeld. Koljah hat mir letztens zum Geburtstag das Makaveli-Album geschenkt, auch gut. Sehr gern auch „Flockaveli“ von Waka Flocka Flame. Ferrari Boyz.

rap.de: Inwiefern hat sich dein „halt die Flasche“ Video auf dein Standing innerhalb der Szene ausgewirkt? Merkst du bereits jetzt unmittelbar einen Effekt?

Illoyal: Der Clip hat, für meine Verhältnisse, recht schnell ganz gute Clickzahlen erreicht und die Zuschauerschaft sehr gespalten und für mich ganz neue Hate-Argumente eingeführt. Haben sich vorher Leute darüber ebklagt, die Musik sei zu kompliziert geräuschhaft etc., wird jetzt dem offenbar rapbezogeneren Kram der „Sinn“ abgesprochen. Dass  ich überhaupt ein Standing abseits von einer absolut marginalen Position habe? Glaube oder merke ich ohnehin nicht so richtig, von daher glaub ich kaum, dass da ein Clip irgendwas mit zu tun hat, ist ja nicht so, als hätte der jetzt schon Ghettogold erreicht. Die allermeisten Publikationen und somit potentielle Zuschauer nehmen es ohnehin entweder nicht wahr oder ignorieren es.

rap.de: Du hast ja für dein neues Werk „Räuberpistolen“ ein PromoTAPE im wahrsten Sinne des Wortes released. Wo lag die Motivation für diese unter aktuellen Gesichtspunkten fast als Anti-Business-Move zu betrachtende Aktion?

Illoyal: Die Motivation ist das Gegenteil von dieser Unterstellung! Ich verkaufe ja sowieso in lächerlich geringen Stückzahlen und die Erfahrung in meinem Umfeld ist die, dass je exotischer oder irgendwelchen nostalgischen Vorstellungen entsprechender das Format ist, umso mehr Kaufanreiz gerade darin liegt, siehe Schallplatte oder auch Kassette, die ja auch einige Kölner Kumpels und die Sichtexot-Leute kürzlich rausgebracht haben. Irgendwas, dem etwas sammlerisches, audiophiles oder handgemachtes anhaftet, kommt, denke ich, besser, als Release nach Release auf CD im Jewelcase. Und wie gesagt, die Stückzahlen sind ohnehin lächerlich gering, Business spielt für mich in meinen Rapsachen nicht die geringste Rolle.
Wegen des nostalgischen Nimbus hab ich vor allem persönlich Bock auf Kassette gehabt, zumal Räuberpistolen inhaltlich, soundmäßig, designmäßig und vom Format für mich eine kleine Rückkehr zu vielem, was ich früher sehr abgefeiert habe und heute noch tue, ist – etwa Berlin-Untergrund-Kassetten oder, was das Coverdesign anbelangt, Gore- und Porngrind-Alben. Irgendwie war sehr schnell klar, dass die EP nur auf Kassette soll. Darüberhinaus: So, wie sich die EP jetzt auch von unseren vorherigen Veröffentlichungen abgrenzt, so unterscheidet sich passenderweise auch das Format.