rap.de: Bekannt geworden bist du mit Südberlin Maskulin. Warum bist du dort nicht mehr dabei?
Jalil: Naja, bekannt geworden ist eeeetwas weit hergeholt. Ich sag mal, ich hab eine größere Fanbase damit erreicht. Bekannt geworden bin ich damals mit dem Free Album "Straßenpolitik", welches innerhalb von zwei Tagen 40.000 Downloads hatte – was 2008 eigentlich 'ne ziemlich beachtliche Zahl war. Anhand dessen ist halt auch Fler auf mich aufmerksam geworden und dadurch,dass er mein Gesicht von früher aus der Thermo-Siedlung in Berlin kannte, fragte er halt, ob ich nicht auch Teil von Maskulin werden wolle. Ich war dann drei Jahre mit den Jungs unterwegs und es kam halt so, dass Flers Meinung und meine Meinung in gewissen Dingen einfach zu unterschiedlich waren. Er hatte andere Vorstellungen von gewissen Sachen als ich. Und dadurch hat sich das alles aufgebauscht und wir sind verschiedene Wege gegangen, was jetzt nicht heißt, dass ich Probleme mit ihm hab oder sauer bin oder ähnliches, sondern jeder geht halt seinen Weg und das macht das, woran er selbst glaubt. Und ich denke die Musik, die ich mittlerweile mache, passt nicht so ganz in dieses Maskulin-Ding.
rap.de: Hast du noch Kontakt zu Fler und Silla?
Jalil: Selten bis gar nicht. Mit Fler seit vorletztes Jahr, ca. November, glaube ich gar nicht mehr. Mit Silla habe ich bis vor ein paar Monaten mal ab und an geschrieben. Aber das ist mittlerweile auch so, dass der Kontakt da gar nicht mehr besteht. Dennoch wünsche ich den beiden viel Glück und Erfolg auf ihrem Weg.
rap.de: Kurz nach deinem Mixtape "Weiße Jungs bringen's nicht" hast du angekündigt, deine Musikkarriere an den Nagel zu hängen. Was waren die Beweggründe für diesen Schritt?
Jalil: Naja es fing damit an, dass ich zu der Zeit privat wirklich eng gebunden war. Ich hatte privat viel Stress. Bin umgezogen, hatte zu der Zeit Stress mit Fler und dazu dann die ganzen Beef-Geschichten drum rum. Dann wurde mein Sohn operiert, meine Mutter war krank und musste zum dritten Mal wegen Krebs operiert werden. Das Ding war, dass ich das nicht mal wusste. Meine Freundin zu der Zeit sagte mir, "Jalil, du weißt ja, deine Ma ist nächste Woche im Krankenhaus und wird operiert". Das war für mich so ein Schlag in die Fresse. Ich habe mich so sehr auf das Mixtape, diese Beef-Geschichten und auf die Musik konzentriert, dass ich irgendwie alles um mich herum vergessen habe. Und dann dachte ich mir selbst so, dass es einfach nur krass erschütternd ist, wie sehr ich mich auf die Musik konzentriere und meine Familie im Stich lasse. Ich wusste nicht mal, dass meine Mutter operiert wird, weil's für mich zu der Zeit einfach nur Musik, Psalm23 und meine eigenen Interessen gab. Und dann fragte ich mich, auf was ich im Leben am einfachsten verzichten kann. Ich kam zu der Schlussfolgerung, dass es die Musik ist. Zu der Zeit hab ich nicht sonderlich viel damit verdient, ich hab nur Kopfschmerzen dadurch gehabt, unnötigen Stress und war zeitlich einfach eingespannt. Ich muss auch ehrlich sagen, dass das halbe Jahr, wo ich nichts gemacht hab, mit das entspannteste war. Du hast einfach kein Stress wegen Musik, du führst ein normales Leben, du hörst nicht laufend irgendwas von irgendwelchen Hampelmännern, die auf einmal zu Gangstern mutiert sind, weil sie Rapper sind und 14jährige sie vergöttern. Das war echt extrem entspannt.
rap.de: Warum hast du dich dann doch entschieden, wieder Musik zu machen?
Jalil: Naja, irgendwie war dann die Leidenschaft für die Musik doch größer und ich hatte das Gefühl, dass ich irgendwie nicht das gemacht habe, was ich hätte machen können. Ich hab die alten Sachen gehört, fand sie cool, aber dachte mir, dass ich eigentlich viel mehr kann, viel musikalischer bin und eigentlich viel mehr Potential habe, als ich die ganze Zeit gezeigt habe. Du musst dir vorstellen, ich bin mit dieser Musik aufgewachsen. Meine Ma hat schon immer R'n'B gehört, früher auch mal Rap, aber sie hört auch viele alte Sachen. Motown-Sachen, 70er-, 80er-Jahre Soul. Ich hab halt wirklich viele Einflüsse und Ideen von dieser Musik. Und ich hatte einfach das Gefühl, dass ich diese musikalische Seite, diese Einflüsse und die Aussagen, die ich machen wollte, nie wirklich getroffen hatte. Und somit kam es dann, dass ich mich entschied weiter zu machen. Hinzu kam, dass B-Lash nach einigen Monaten auf mich einredete und mich dazu bewegte, weiter zu machen, so kam es dann, dass ich wieder anfing. Schöne Grüße nochmal an dieser Stelle an B-Lash.
rap.de: Was hat es mit der Namensänderung von Reason zu Jalil auf sich?
Jalil: Ich hielt Rücksprache mit dem Patentamt und mir wurde gesagt, dass ich offiziell nichts unter dem Namen Reason veröffentlichen darf. Es hieß halt, dass irgendjemand die Marke Reason geschützt ist, und zwar europaweit. Was natürlich richtig Abturn für mich war. Ich meine, ich hab jahrelang was unter den Namen gemacht und die meisten Fans kennen mich unter den Namen. Aber dann wiederum war es so, dass die Musik sich ja auch ändert, also wieso nicht gleich das ganze Paket wechseln? Im Endeffekt ist es nur ein Name. Jetzt ist es mein bürgerlicher. Punkt.
rap.de: Was darf man von deiner EP "Sinneswandel" erwarten? Was ist im Vergleich zu "Weiße Jungs bringen's nicht" anders geworden?
Jalil: Naja, die "Sinneswandel"-EP ist viel persönlicher. Ich würde sogar sagen, mit das persönlichste Werk, was ich bis dato gemacht habe. Ich habe Songs gemacht wie "Wenn Helden sterben" und "Schütt mein Herz aus", die einfach sehr, sehr persönlich geworden sind und wo ich Sachen sage, die man so ehrlich glaub ich von wenigen Musikern bis dato gehört hat. Das ist der hauptsächliche Unterschied. Dazu kommt, dass alles einfach musikalischer geworden ist und es einfach mittlerweile mehr Spaß macht, die Sachen zu hören. "WJBN" war ja eher die Maskulin-Schiene. Viel mehr Hardcore Rap. Das Ding jetzt ist, wie gesagt, musikalischer, reifer und persönlicher. Man merkt definitiv eine gute Entwicklung. Von den Texten bis zu den Beats.
rap.de: Die bisher veröffentlichten Videos sind auch alle recht deep. Ist das etwas, was dir wichtiger ist als früher?
Jalil: Ja, definitiv. Ich finde, Musik verliert mit der Zeit an Substanz und Aussage. Irgendwie wird das mittlerweile langweilig und transportiert keine Gefühle mehr. Mir fehlt das. Sei das jetzt Gefühle wie Liebe, Schmerz, Hass, Wut. Guck mal wenn du alte Sachen hörst wie "Doggystyle" von Snoop, "Chronic" von Dre, "All Eyez On Me" von 2Pac, "It's On 187" von Eazy usw. – dann hast du einfach ein gewisses Gefühl gehabt. Du fühlst dich sofort in die Musik hineingezogen. Genauso bei R'n'B Sachen oder auch französischen Sachen. Du fühlst dich cool, bist depri, bist wütend, bist aggro… was auch immer. Aber das fehlt mir irgendwie immer noch im deutschen Rap. Es gibt coole Songs, aber nichts Zeitloses, was dir gewisse Emotionen vermittelt. Und das ist halt ein Ziel, was ich mir gesetzt hab. Die EP kratzt die Richtung schon an, aber das Album soll das Loch dann komplett ausfüllen.
rap.de: Wo willst du mit der Musik hin? Wie hoch sind die Ziele, die du dir steckst?
Jalil: Ich will etwas machen, was man vorher so noch nicht gehört hat in Deutschland. Ich weiß, das sagt jeder, aber anhand der "Tausend Dinge"-Single und der EP sollte man schon ungefähr abschätzen können, was ich meine. Wenn das Album dann kommt und wir das so umgesetzt haben, wie es sein soll, dann kannst du gerne nochmal fragen.
rap.de: Was würdest du ohne Rap machen?
Jalil: Arbeiten, wie jeder normale Mensch (lacht).
rap.de: Hast du noch ein Schlusswort?
Jalil: Danke an alle, die meine Musik supporten und "Sinneswandel" legal erworben haben. Ich danke jedem, der positive Resonanz hinterlässt und an alle Fans, die mir Nachrichten schreiben bzw. Kommentare: Ich sehe aaaaaaallleeeeeees!!! (grinst)
Jalil – Schütt mein Herz aus
Früher nannte sich Jalil Reason und war mit Südberlin Maskulin unterwegs. Inzwischen hat sich nicht nur der Name geändert, sondern auch die musikalische wie textliche Herangehensweise geändert. Wer das nicht glauben will, kann sich in unserer Videopremiere und im kurzen rap.de-Interview selbst davon überzeugen.