Warum Sidos „Geuner“ gefährliche Klischees verbreitet

Ob beabsichtigt oder fahrlässig: Mit "Geuner" bedient Sido antiziganistische Klischees. Unser Gastkommentator Cesar freut sich darüber gar nicht - weil er selbst davon direkt betroffen ist.

Mein lieber Scholli! Schon mit den eröffnenden Schlagworten „Chabo“ und „Chaya“ wächst die Enttäuschung in meinem Zigeunerherz. Sido ist jetzt also ein Zi-Zigeuner? Lasst uns alle erstmal durchatmen und Siggis Imagewechsel durchgehen.

Vom Westberliner zum Ostberliner, vom Arschficker zum Romantiker, vom „Jungen von der Straße“ zu Helge Schneider – und Peter Maffay-Kollaborationen, vom Alman vorm Reichstag zu „Hamdullah“, und schließlich zum Zigeuner. Paul Würdig scheint viele Gesichter zu haben, was auch die sich häufenden Maskenwechsel bezeugen. Auf „Geuner“ hat er wieder mit seiner Herkunft und seinen Wurzeln überrascht, und ich bin mir sicher, hätten die 257ers das nicht bereits abgedeckt, wäre es stattdessen ein Piratentrack geworden.

Ich bin Cesar, gebürtiger Berliner und halb Zi-Zi-Zigeuner – wie Sido auch. Meine Familie in Spanien sieht quasi aus wie die Statisten im Video. Sie nähen Schuhe, sammeln Schnecken, verkaufen Altmetall und machen klischeemäßige Musik. Gipsythings eben. Auch wenn es schön ist, dass sich Paul quasi outet und durch die Abstammung seiner Mutter sogar tatsächlich ein Zigeuner ist, glaube ich nicht, dass dieses Statement zeitgemäß oder authentisch ist und irgendjemandem eine filterlose Sicht auf uns Zigeuner verschafft.

Kurze Zusammenfassung von Sidos Sicht: Zigeuner tanzen gerne, haben keine Vernunft, beachten keine Gesetze, klauen. Wow.

Sido versucht es seit Jahren mit dem gleichen Konzept: Er schreibt und verpackt einen Track so, dass sich einige damit identifizieren können und die anderen sich aufregen, um so in logischer Konsequenz einiges an Staub aufzuwirbeln. Diesmal spricht er aber ein heikles Thema an. Dass er es anspricht ist nicht das Problem, sondern dass er Deutschland, einem Land das Zigeuner nur als Bettler, Müllkramer, Menschenhändler und Straßenmusiker kennt, genau diese Klischees als Realität verkauft und das verfälschte Bild fixiert. Das macht sich auch in den Youtube-Kommentaren unter dem Video stark bemerkbar.

Also Sido: Stahp it pls. Bitte verschone uns, falls du morgen vorhattest, dir ein mystisches Wolfs T-shirt vom Rummel zukaufen und dir Traumfänger an deinen Rückspiegel zu hängen, weil du dich plötzlich ganz gut mit Indianern identifizieren kannst. Kulturelle Klischees aus der Mottenkiste braucht echt niemand. Danke im Voraus, lieber Paul.