Einschüchterungsversuche durch das Mackertum: Welchen Hip-Hop wollen wir?

Screenshot von Nachrichten an LGoony

Seit anderthalb Monaten versuchen engagierte Akteur*innen aus der Deutschrap-Szene mit deutschrapmetoo, Betroffene sexualisierter Gewalt miteinander zu vernetzen, sie zu unterstützen und ihnen eine Stimme zu verleihen. Aufgrund diverser rechtlicher Hürden konnten dabei bisher noch keine Täter genannt werden, das Ausmaß des Problems wird aber nicht zuletzt durch die zahlreichen veröffentlichten Nachrichten anonymisierter Betroffener deutlich. Angesichts dessen ist es nicht von der Hand zu weisen, dass eine solche Bewegung in unserer Szene längst überfällig gewesen ist.

Doch auch die Taten und Äußerungen einiger Ewiggestriger bestätigen die Notwendigkeit eines konsequenten Wandels. Denn während unzählige Solidaritätsbekundungen, Likes und Shares bestätigen, dass ein großer Teil der Szene hinter deutschrapmetoo und seinen Zielen steht, verfolgen einige Protagonisten eine ganz andere Agenda. Die selbsterklärten Kreuzritter des echten Hip-Hop und ihre Fans haben es sich zur Aufgabe gemacht, durch Drohungen, vage Behauptungen und Spott Betroffene zu diskreditieren und Unterstützer*innen mundtot zu machen. Dabei steht für sie der vermeintliche Kampf um die „echten” Werte des Hip-Hop im Vordergrund.

Diese Werte werden zwar nicht klar ausformuliert, die Droh-Tiraden der letzten Wochen – zuletzt gegen LGoony, nachdem der sich sachlich zu gewissen Personen und deren Statements äußerte – zeigen aber auf, worum es ihnen geht. Als großes Feindbild haben sie den Feminismus ausgemacht. deutschrapmetoo gelte es zu „vernichten” und Feminist*innen müsse man aus dem Hip-Hop vertreiben. Hier offenbaren sich krude und schlichtweg menschenfeindliche Weltbilder, die vor chauvinistischem Mackertum nur so strotzen. Dass Gewaltandrohungen gegen Andersdenkende diesbezüglich häufig mit homophoben und sexistischen Beleidigungen einhergehen, sollte niemanden überraschen.

Sollte sich nämlich jemand gegen diese vermeintlichen Werte aussprechen, setzt man die Person innerhalb kürzester Zeit massiv unter Druck. Die Drohungen folgen fast immer demselben Muster. Körperliche Überlegenheit, beispielsweise durch Kampfsporterfahrung, oder vermeintliche Street Credibility werden benutzt, um einzuschüchtern und Angst zu verbreiten. Schnell wird mit Konzert- oder Hausbesuchen gedroht und klargemacht, dass man sich von nun an nicht mehr sicher fühlen könne. Dass die Followerschaft diesem Beispiel folgt und teilweise noch extremere und gefährlichere Drohungen ausspricht, wird dabei billigend in Kauf genommen – oder sogar zelebriert.

Wie geht man mit solchen Dynamiken um? Klar, die allermeisten Drohungen werden nicht in die Tat umgesetzt. Trotzdem löst eine solche Mob-Mentalität ein beklemmendes Gefühl aus. Was sind das bitte für Werte, die da scheinbar verteidigt werden sollen? Welch einen Hass löst es bei diesen Menschen aus, wenn man szeneinterne Missstände ansprechen und Opfern sexualisierter Gewalt helfen will? Woher kommt dieser Hass? Antifeminismus zieht sich durch alle Gesellschaftsschichten, trotzdem scheint er gerade im Deutschrap besonders offen ausgesprochen zu werden. Was tun wir dagegen?

Dabei stellt sich zwangsläufig die fast schon pathetische Frage: Welchen Hip-Hop wollen wir? Wollen wir Teil einer Kultur sein, die Frauenhass, Gewaltandrohungen und Homofeindlichkeit zu ihren grundlegenden Werten erklärt und bei der man Angst um die eigene körperliche Unversehrtheit haben muss, wenn man sich öffentlich dagegen ausspricht? Falls nicht, müssen wir uns überlegen, mit welchen Künstlern wir zukünftig nicht mehr zusammenarbeiten wollen, wessen Musik wir aus unseren Playlisten streichen sollten und welchen Unterhaltungen wir uns künftig zwingend stellen müssen. Genau diesen Fragen kann sich auch ein Medium wie rap.de nicht mehr entziehen.

Es gab mal eine Zeit, da galt Hip-Hop als Rebellion gegen Unterdrückung, für Kultur von unten und für ein Umfeld, in dem alle gleich sein können. Die Zeit dieses Idealismus – der Romantisierung, wie LGoony sie nennt – ist vorbei. Wir müssen uns mit Missständen innerhalb unserer Szene auseinandersetzen und Veränderung zulassen. Es ist noch ein langer Weg bis zum Ziel, das beweisen die aktuellen Geschehnisse und die Dynamiken, die diese mit sich bringen. Mal schauen, wer auf dem Weg dorthin noch alles sein wahres Gesicht zeigen wird.